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20170617-WFM-AMZ

Amazon kauft Whole Foods Market: Deal erschüttert US-Lebensmittelbranche

Seattle / WA. (eb) Der Online-Riese Amazon will die Bio-Supermarktkette Whole Foods Market übernehmen. Die noch ausstehenden behördlichen Genehmigungen und die Zustimmung der Aktionäre vorausgesetzt, könnte die Kette bald für 13,7 Milliarden US-Dollar (42,00 US-Dollar je Aktie) den Besitzer wechseln. Gegründet 1978, kommt Whole Foods Market heute auf einen Umsatz von etwa 16 Milliarden US-Dollar per Anno. Die Kette zählt gut 460 Märkte in den Vereinigten Staaten, Kanada und Großbritannien sowie rund 87’000 Mitarbeitende. Gründer und Chief Executive John Mackey wird dem Unternehmen als CEO erhalten bleiben. Nach außen hin wird sich am Marktauftritt von Whole Foods Market nichts ändern und die Zentrale des Unternehmens bleibt in Austin, Texas.

Was sagt uns das? John Mackey von Whole Foods Market und Jeff Bezos von Amazon haben gemeinsam noch viel vor. Wir wissen nicht was, dürfen aber gespannt sein.

Andererseits erlebt der klassische US-amerikanische Lebensmittel- Einzelhandel (LEH) turbulente Zeiten und sucht den Anschluss an die Zukunft. Aldi Süd und Lidl haben gerade erst ihre Expansionspläne für die USA bekanntgegeben und glaubt man den Marktkennern von Bain + Company, dann verkennen die US-amerikanischen Handelskonzerne bislang die Herausforderungen durch die deutschen Discounter komplett. Sie müssen damit erst umgehen lernen.

Auf der anderen Seite verabschiedet sich Amazon vom reinen Online-Modell und Konzernchef Jeff Bezos ist als Suchender unterwegs. Zwar weit entfernt vom Discount-Format bundesdeutscher Prägung. Doch nah genug, um den US-amerikanischen LEH in helle Aufregung zu versetzen. Den Aktienmarkt sowieso: Nachdem die Nachricht vom 13,7-Milliarden-Dollar-Deal wie eine Bombe eingeschlagen hatte, sprang der Kurs der Whole-Foods-Aktie um sagenhafte 27,22 Prozent in die Höhe. Amazon konnte immerhin noch ein Plus von 2,75 Prozent verbuchen – was insofern bemerkenswert ist, weil bei Übernahmen und/oder Fusionen dieser Größenordnung normalerweise der Kurs erst einmal fällt angesichts der Kosten für die Zusammenschlüsse. Die Aktien des klassischen US-amerikanischen Lebensmittel- Einzelhandels rauschten indes in den Keller: Kroger minus 12,50 Prozent; Target minus 8,04 Prozent; Costco minus 5,88 Prozent; Sprouts minus 5,75 Prozent; Wal-Mart minus 4,85 Prozent.

Der klassische US-amerikanische Lebensmittel- Einzelhandel lebt nicht mehr nur in turbulenten Zeiten, sondern von jetzt an im Krisenmodus – der an verschiedenen Fronten gleichzeitig ums Überleben kämpfen muss.

Der angekündigte Deal sei wie ein Erdbeben, das den gesamten Lebensmittelsektor erschüttere, sind sich US-amerikanische Analysten einig. Man müsse sich nur mal die technischen und technologischen Innovationen vorstellen, die der Online-Riese zu den Kunden bringen und Kauferfahrungen entsprechend verändern kann. Vergessen wir für einen Moment Schlagworte wie AmazonPrime, AmazonGo oder AmazonFresh. Gehen wir in der Entwicklung ein klein wenig zurück und erinnern wir uns an den Amazon Dash Button, der hierzulande sofort die Verbraucherschützer auf den Plan rief. Noch ein Schrittchen zurück, und wir erinnern uns an «Grab and Go» – den LEH-Konzeptstore von Amazon in Seattle.

Amazon ist von einer Innovationsfreude beseelt, die ihresgleichen sucht. Der Konzern lässt Visionen Wirklichkeit werden, die anderen Playern nicht mal im Traum einfielen – oder wofür schlicht die Mittel fehlen.

Wenn es dem Geschäftsmodell dienlich ist, kann sich der Konzern auch teilweise neu erfinden. Der Absatz von Lebensmitteln allein über das Internet verläuft bislang eher schleppend. Sollte es daran liegen, dass Pure-Player on Line hierfür nicht ausreichend attraktiv sind, dann hat der Konzern jetzt vorgesorgt: Amazon wird zum Multichannel- Multi-Player und hat mit Whole Foods Market zudem eine anspruchsvolle Wahl getroffen. Wir dürfen gespannt sein, was John Mackey und Jeff Bezos gemeinsam aus der Bio-Supermarktkette machen wollen. Gemessen an den Aktienkursen haben sie jedenfalls schon jetzt die Anleger auf ihrer Seite (Foto: WholeFoodsMarket).

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