Donnerstag, 18. April 2024
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Algerien: will seine Lebensmittelindustrie ausbauen

Tunis / DZ. (gtai) Die algerische Regierung will angesichts der rasch steigenden Importnachfrage nach Lebensmitteln die nationale Agrarindustrie neu beleben. Der bis 1990 vorwiegend von Staatsunternehmen beherrschte Industriezweig ist inzwischen weitgehend in Privathand und bietet deshalb gute Anknüpfungspunkte für ausländische Technologiegeber und Investoren. In allen Bereichen besteht Modernisierungsbedarf, in der Zucker- und Milchwirtschaft müssen die Kapazitäten einer rasch steigenden Nachfrage angepasst werden – berichtet Quelle: Germany Trade and Invest.

Landwirtschaft und Agrarindustrie werden in der algerischen Wirtschaftspolitik künftig Priorität genießen. Die hohe Importabhängigkeit des Landes von Agrarprodukten und Lebensmitteln ist angesichts der Preisentwicklung auf den internationalen Märkten während des Jahres 2008 der algerischen Regierung erst richtig bewusst geworden. Der Nationalrat für Wirtschaft und Soziales hat Anfang 2009 ein Komitee zur Ausarbeitung einer Strategie zur Sicherstellung der Lebensmittelversorgung ins Leben gerufen – erstmals sollen Fördermaßnahmen für Landwirtschaft und Agrarindustrie aufeinander abgestimmt werden. Für spezialisierte internationale Unternehmen werden sich neuen Möglichkeiten der Kooperation und der Lieferung von angepasster Technologie erschließen.

Nach den offiziellen Zahlen deckt die landwirtschaftliche Produktion des Landes lediglich 30 Prozent des Lebensmittelbedarfs – Algerien gehört zu den zehn größten Getreideimporteuren der Welt. Die Lebensmittelindustrie konzentriert sich bisher im wesentlichen auf die Verarbeitung importierter Agrargüter, verfügt aber nicht über eine ausreichend große Produktpalette, um den nationalen Markt abdecken zu können; auch die Einfuhr von Endprodukten für die Ernährungswirtschaft steigt stetig. 2008 ist nach den Zahlen des algerischen Zolls die Importrechnung für Lebensmittel um 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 7,71 Milliarden US-Dollar gestiegen, das entspricht 21 Prozent des Importwerts insgesamt. Etwa die Hälfte der eingeführten Güter entfällt auf Getreide oder Getreideprodukte.

Zwar sind seit dem Jahr 2000 im Rahmen des Plans für die Entwicklung der Landwirtschaft Investitionsprogramme mit einem Volumen von zunächst rund 5,5 Milliarden US-Dollar aufgelegt worden, die im Rahmen eines Ergänzungsprogramms für die Jahre 2005 bis 2009 nochmals um vier Milliarden US-Dollar aufgestockt wurden, aber eine Selbstversorgung konnte damit bei weitem nicht erreicht werden. Positiv ist auch, dass sich der Bruttoproduktionswert in der Landwirtschaft von 200 bis 2007 auf etwa zehn Milliarden US-Dollar verdoppelt hat und die jährlichen Wachstumsraten im Agrarsektor im Durchschnitt auf 6,5 Prozent gestiegen sind. Dennoch aber müssen immer noch Getreide, Milch, Zucker, Fleisch, Gemüse, Kaffee und Tee in großen Mengen als Rohprodukte oder in verarbeiteter Form eingeführt werden. Von etwa neun Millionen Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche werden nur rund sechs Millionen Hektar genutzt, meist von Kleinbetrieben – über 60 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe verfügen über jeweils weniger als fünf Hektar Land.

Die Agrarindustrie, die bis 1990 vom Staat dominiert wurde, ist inzwischen weitgehend privatisiert. Etwa 100.000 Betriebe arbeiten in diesem Sektor. Dabei handelt es sich zu mehr als 95 Prozent um Kleinbetriebe, meist Familienunternehmen, die Getreidemühlen, kleine Abfüllanlagen oder Bäckereien betreiben. Allerdings hat sich seit 1997 mit der Cevital-Gruppe des Unternehmers Issad Rebrab ein Großunternehmen (1,5 Milliarden Euro Umsatz) in der Agrarindustrie etabliert, das offen für die Zusammenarbeit mit internationalen Technologielieferanten ist. Die Cevital-Gruppe hat zwar auch in anderen Industriesektoren Interessen, ist in der Lebensmittelbranche aber extrem tief vertikal integriert, sie verfügt von der Zuckerfabrik oder Ölmühle bis zur Supermarktkette über das gesamte Produktions- und Vermarktungsspektrum.

Auf dem Programm des Unternehmens im Bereich Agrarindustrie stehen mehrere Großprojekte, die teilweise in Kooperation mit ausländischen Unternehmen realisiert werden sollen. So plant Cevital den Bau einer Ölmühle mit einer Kapazität von 300.000 Tonnen Ölsaaten jährlich, die nicht nur für den nationalen Bedarf sondern auch für den Export arbeiten soll. Gemeinsam mit der kanadischen Multiplan will das algerische Unternehmen einen Betrieb zur Züchtung von Kartoffelsamen aufbauen, der die Grundlage für eine Ausbreitung des Kartoffelanbaus mit nachgelagerter Verarbeitungsindustrie werden soll. Auch hier ist die Strategie nicht nur auf den nationalen sonder auch auf den internationalen Markt ausgerichtet.

Einen der größten Engpässe für die Agrarindustrie stellt die Knappheit an Kühl- und Gefrierkapazitäten dar. Der Bedarf an Kühlräumen wird gegenwärtig auf mindestens fünf Millionen Kubikmeter geschätzt, vorhanden sind lediglich 1,7 Millionen Kubikmeter, davon 30 Prozent defekt oder überaltert.

Generell erstreckt sich die algerische Lebensmittelindustrie auf vier Sektoren: Fette, Getreideverarbeitung, Zucker und Milch. Bei Fetten dominiert mit etwa 75 Prozent der Gesamtproduktion die Herstellung von Pflanzenöl. Hier bestehen bei einem jährlichen nationalen Bedarf von rund 440.000 Tonnen jährlich Überkapazitäten, die nicht für den Export genutzt werden können, da die Branche aus vielen international nicht konkurrenzfähigen Kleinbetrieben besteht und keine wettbewerbsfähigen Produkte anbietet. In der Getreideverarbeitung ist die Lage ähnlich, auch hier liegen die Kapazitäten weit über dem Bedarf, aber die Produktpalette ist äußerst schmal und die Produktionskosten liegen über dem internationalen Niveau.

Anders bei der Zuckerindustrie, die mit einem nationalen Angebot von 780.000 Tonnen Raffineriezucker weit unter dem nationalen Bedarf von etwa 1,2 Millionen Tonnen liegt. Eine Aufstockung der Kapazitäten auf zunächst 1,6 Millionen Tonnen und mittelfristig 2 Millionen Tonnen ist in der Planung, hängt aber von der Privatisierung der Filialen des staatlichen Unternehmens Enasucre ab.

In der Milchwirtschaft ist der Nachholbedarf am größten: Die Nachfrage wird auf jährlich 3,5 Milliarden Liter Milch geschätzt, davon kann die nationale Produktion lediglich 57 Prozent abdecken. Nur zehn Prozent der Rohmilch werden im Land als Frischmilch eingesammelt, der Rest überwiegend als Milchpulver importiert. Diese Knappheit hat bereits einen Großinvestor aus den VAE, Emirates International Investment Company (EIIC), auf den Plan gerufen. EIIC plant die Einrichtung einer Großfarm mit 10.000 Milchkühen, die jährlich 90 Millionen Liter Milch und 3.000 Tonnen Fleisch liefern soll. Die Investitionen werden auf zehn Millionen US-Dollar geschätzt, 2010 soll die Produktion aufgenommen werden. Das französische Unternehmen Danone hat ein ähnliches Projekt angekündigt – berichtet Germany Trade and Invest.

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Immeuble le Colisée, 2 Rue Ahmed Bey El-Biar, Alger
Telefon: 00213 / 21239143
Telefax: 00213 / 21239488
Internet: https://www.mipi.dz

Cevital
Nouveau Quai du Port Béjaia, 6000 Béjaia
Telefon: 00213 / 34202000
Telefax: 00213 / 34212773
Internet: https://www.cevital.com

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