Seattle / US. (usp) Amazon und Whole Foods Market verlieren keine Zeit: Nachdem die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC (Federal Trade Commission – Bureau of Competition) am 24. August mitgeteilt hatte, dass sie keine Einwände gegen die Akquisition vorzubringen hat, zogen am 25. August Amazon und Whole Foods Market gleichlautende Pressemitteilungen aus der Schublade und erklärten der verdutzten US-Öffentlichkeit, was sie nun zu tun gedenken.
Unbeeindruckt vom Walmart-Google-Deal in der selben Woche offenbarten sie damit detaillierte Pläne und eine Zielstrebigkeit, die ihresgleichen sucht – frei nach dem Motto: Wir warten höflich die FTC-Genehmigung ab, dann legen wir los. Soviel Schneid wiederum beeindruckte die Börsen, die Mitbewerber wie etwa Kroger oder Target und selbst Walmart zunächst auf Talfahrt schickten. Das wiederum lässt die Interpretation zu, dass für US-amerikanische Branchenkenner Größe allein nicht entscheidet und sich das Gespann Walmart/Google in ihren Augen erst noch beweisen muss. Was zählt, ist die Technologie-Führerschaft. Hier traut man Amazon deutlich mehr zu und nicht zuletzt vor diesem Hintergrund macht das geflügelte Wort die Runde, nach dem sich der Kampf um den Einzelhandel im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) entscheidet.
Amazon setzt bewährte Instrumente für die Integration ein
Im Prinzip wendet Amazon über Whole Foods Market im US-amerikanischen LEH die gleiche Strategie an wie in anderen Branchen, mit denen der Konzern großgeworden ist und bei denen man gut nachvollziehen kann, was – mit Blick auf die Vertriebswege – aus ihnen geworden ist (Bücher, Consumer Electronics …). Gleichzeitig tritt Amazon wie ein Segen bringender Sandmann auf. Zwar sucht der Konzern nicht den offenen Wettbewerb mit anderen LEH-Größen. Doch er verspricht seinem gut verdienenden Whole-Foods-Amazon-Klientel, was es hören will: Bio-Lebensmittel werden günstiger und erschwinglicher «für alle». Für den Anfang werden noch diverse Amazon- Instrumente in die Whole-Foods-Strukturen implementiert und natürlich alles zum Wohle der US-amerikanischen Konsumenten. Die sind soviel Fürsorge gar nicht gewohnt und reiben sich die Augen ob des knallharten Wettbewerbs, der sich dieser Tage offenbart.
Wir Deutschen bleiben da ungerührt. Wir sind es gewohnt, für Lebensmittel nur einen Bruchteil unseres Budgets aufzuwenden. Wir erwarten, dass unsere Lebensmittel sicher sind, frei von gentechnisch veränderten Organismen, gerne «Bio» oder «Öko» zertifiziert und zusammen mit einer Garantie für beste Herstellungspraxis im Angebot zum unschlagbaren Discountpreis. Mit dieser Erwartungshaltung sind wir ziemlich allein auf der Welt. In den USA fangen die Probleme bereits dort an, wo sich die Menschen GVO-frei ernähren möchten und allein deshalb schon auf Bio-Lebensmittel umsatteln müssen.
Amazons Vision gefällt den Konsumenten
Wenn Amazon suggeriert oder tatsächlich vorhat, über Whole Foods Market eine Verbesserung der Lebensmittelqualität in den USA anzustoßen, dann ist das löblich und würde von den US-amerikanischen Konsumenten mit offenen Armen aufgenommen. Wichtige Diskurse und Auseinandersetzungen über Inhalts- und Zusatzstoffe, wie sie uns Deutschen manchmal zu den Ohren herauskommen, finden in Übersee dank einer perfekt organisierten Agrarlobby nämlich kaum mehr statt. Mit Blick auf diese fehlende Auseinandersetzung würde Amazon über Whole Foods Market seine Einkaufsmacht kontinuierlich stärken können, um den Diskurs – zum Wohle der Konsumenten – auch in die konventionelle Agrarindustrie zu tragen.
Geplante Expansion setzt auf breite Unterstützung
Das heißt nichts anderes, als dass Amazon über Whole Foods Market konsequent expandieren kann und will – ohne weiter großartig an der Preisschraube drehen zu müssen. In der eingangs erwähnten Pressemitteilung liest sich die Ankündigung frei übersetzt wir folgt: «Das Team von Whole Foods Market wird weiter wachsen und Arbeitsplätze schaffen in den Regionen und Gemeinden, in dem es neue Geschäfte eröffnet, neue Mitarbeitende einstellt und seine Unterstützung ausweitet für Bauern und Handwerker in der Region. Das Unternehmen wird den Betrieb unter der Marke «Whole Foods Market» beibehalten, seine hohen Standards und das Engagement für die Bereitstellung der besten natürlichen und organischen Lebensmittel beibehalten und weiterhin von vertrauenswürdigen Anbietern und Partnern auf der ganzen Welt unterstützt».
Der Kampf um den Einzelhandel entscheidet sich im LEH
Das geflügelte Wort, nach dem sich der Kampf um den Einzelhandel im Lebensmittelhandel entscheidet, scheint Amazon längst verinnerlicht zu haben. Mit Whole Foods Market hat der Konzern ein sehr gutes Instrument, um bestmöglichst auf die Wünsche und Vorstellungen der besser verdienenden Kunden einzugehen. Gleichzeitig gibt es in Europa keinen Grund, sich im Wettbewerb zurückzulehnen, denn: Amazon ist zwar nicht der geborene Lebensmittel-Einzelhändler, dafür aber der weltweit erfolgreichste Versandhändler. Die Zahl der Versandzentren steigt stetig und könnte schneller als gedacht die vielen weißen Flecken auf der Landkarte bedienen, die der konventionelle LEH hierzulande immer noch vernachlässigt.
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