Freitag, 29. März 2024
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Anuga 2007: über die Regeln jüdischer Speisegesetze

Köln. (km) Koscheres Fleisch ist immer auch «halal», deshalb hatten sich die arabischen Botschaften der verblichenen DDR stets bei einer koscheren Metzgerei mit Fleisch versorgt, die eigentlich für die jüdische Gemeinde der DDR eingerichtet war. Umgekehrt galt dies nicht, da im Islam einige Tierarten zum Verzehr erlaubt sind, die im Judentum wiederum nicht zulässig sind. Auch die im Judentum übliche Trennung von Milch und Fleisch kennt der Islam nicht, belehrt uns Wikipedia.

Die Weltfachmesse Anuga vom 13. bis 17. Oktober in Köln widmet sich in ihrem Programm erstmals ausführlich wichtigen und hierzulande vernachlässigten Themen wie «Halal Food» und «Koschere Produkte». Ob es richtig ist, beide Themen gleich zu «Trendthemen» hoch zu stilisieren, bleibt der Kölnmesse überlassen. Wichtig ist es auf jeden Fall, uns explizit mit Ernährungsregeln von Menschen bekannt zu machen, die zu unseren Mitbürgern zählen und die wir hier und da auch mal bewirten wollen.

Um eine Ahnung von der Bedeutung des Themas zu bekommen, lassen sich mit Hilfe der Anuga-Datenbank alle Unternehmen herausfiltern, die im Rahmen der Weltleitmesse koschere Nahrungsmittel und Getränke anbieten. Im Vergleich zur Anuga 2005 ist die Zahl von 605 auf 902 Anbieter deutlich gestiegen.

Die jüdische Küche ist weltumspannend und im besten Sinne «multikulti»: Sie reicht von den Klassikern der aschkenasischen Juden, die von Deutschland nach Osteuropa zogen, bis hin zu den aromatischen Gerichten der Sefarden, den orientalischen Juden aus Nordafrika. Die traditionelle Kochkunst der Aschkenasim, der ursprünglich aus Deutschland stammenden Juden (Aschkenas ist die hebräische Bezeichnung für Deutschland) reicht bis ins Mittelalter zurück und wurde in Deutschland bis zum dritten Reich auch von Nicht-Juden geschätzt.

Koscher bedeutet «geeignetes» oder auch «reines», «erlaubtes» Essen. Es handelt sich dabei in erster Linie um das Erlangen einer spirituellen Reinheit, erst danach spielen Hygiene und körperliche Gesundheit eine Rolle. Die Anweisungen für koschere Nahrung gehen auf das Alte Testament zurück. Die in den fünf Büchern Mose festgehaltenen Regeln haben für orthodoxe Juden absolute Geltung.

Kaschrut – das ist der Sammelbegriff für die jüdischen Speisegesetze. Er bezeichnet alle Regeln, die bei der Auswahl, der Zubereitung und dem Verzehr von Essen eingehalten werden müssen. Viele dieser Regeln machen keinen erkennbaren Sinn, außer dass sie von Gott gegeben sind. Die beiden Hauptregeln, die viele Nichtjuden kennen, lauten: Es ist nicht erlaubt, Schweinefleisch zu essen; Milch- und Fleischprodukte müssen getrennt gegessen werden.

Der Verzehr von Blut ist bei Juden verboten. Dafür, und um Tierquälerei zu vermeiden, wird geschächtet. Die Schächtung, das schnelle Durchtrennen der Kehle, ist die einzige Tötungsart, bei der das Blut relativ vollständig ausrinnt und nicht in das Fleisch eindringt. Das Schächten, hebr. Schechita, darf nur von dafür ausgebildeten Leuten ausgeführt werden. Das Fleisch wird erst als koscher freigegeben, wenn der Schächter, hebr. Schochet, und ein unabhängiger Prüfer das Tier auf Krankheiten untersucht haben. Ist es verletzt oder infiziert, darf es nicht gegessen werden. Generell kommen nur Wiederkäuer und paarhufige Tiere zum Schlachten in Frage: Rinder, Schafe, Ziegen, Rehe, allesamt vegetarisch veranlagte Tiere.

Schon in der Bibel wurde immer viel Fisch gegessen, wahrscheinlich weil es sich bei Fischen nicht um Warmblüter und Säugetiere handelt, also keine große Nähe zum Menschen besteht. Koscher sind aber nur die Fische mit Schuppen und Flossen. Aal ist also verboten. Fische brauchen auch nicht geschächtet zu werden.

Schalentiere hingegen – Krebse, Hummer, Krabben, Austern – sind ebenso wie schleichende und kriechende Tiere nicht koscher. Ente und Huhn sind dagegen erlaubt, sogar Heuschrecken dürfen gegessen werden (… schreibt die Koelnmesse, was aber nicht ganz stimmt. Korrektur: Zwar nennt die Tora vier koschere Heuschreckenarten. Da sich jedoch nicht mehr feststellen lässt, welche ursprünglich gemeint waren, gelten heute alle Heuschrecken als «trefe» – unrein).

In der Thora heißt es: «Du sollst nicht kochen ein Böcklein in der Milch seiner Mutter» (Deut. 14,21). Dieser Satz wurde von den Rabbinern sehr konsequent interpretiert: Man darf ein Fleischgericht nicht zusammen mit einem Gericht verzehren, dass Milch enthält. Die Trennung ist streng, nicht einmal in Berührung darf das eine mit dem anderen kommen. Fleisch mit Gemüse ist kein Problem, aber Sahnesauce dazu geht nicht. Das koschere Essen ist also eine Art Trennkost. Orthodoxe Juden lassen nach dem Verzehr von Fleisch sogar sechs Stunden vergehen, bevor sie Milch trinken oder Käse anrühren.

Die strikte Trennung von Milch und Fleisch bedeutet auch, dass strenggläubige Juden zwei Kühlschränke brauchen. Alles, was Fleisch und tierisches Fett enthält, muss in den einen, Milch und Milchprodukte in den anderen. Es müssen auch zwei Geschirre und Bestecke vorhanden sein, die getrennt gereinigt werden. Das gleiche gilt für Töpfe und Pfannen. Das klingt aufwändig, man gewöhne sich aber sehr schnell daran, meinen die Juden. Übrigens muss neu gekauftes Geschirr in die Mikwe, das rituelle Tauchbad, gebracht werden, bevor man es benutzt.

Was aber ist nun mit allen Nahrungsmitteln, die weder Milch noch Fleisch sind: Eier, Gemüse, Kartoffeln, Salat, Obst? Sie sind neutral, auf hebräisch: parve, und dürfen sowohl zu milchigen als auch zu fleischigen Produkten gegessen werden. Koschere Kost wird mit Bedacht zusammengestellt, im bewussten Umgang mit der Natur und den Lebewesen. Man nimmt sich Zeit zum Überlegen und gestaltet das Essen abwechslungsreich und bekömmlich. Keinen Kaviar und kein Cordon-Bleu, keinen Fleischauflauf mit Käse und keine Shrimps – das mag zwar schwerfallen, ist aber für den gläubigen Juden eine Entscheidung freien Willens.

«Man ist, was man isst». Das ist nicht nur ein Wahlspruch der Anhänger von Bio-Lebensmitteln, sondern entspricht ebenso jüdischem Denken (Quelle).

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