Los Angeles / CA. (eb) Geht es nach Lesart der US-amerikanischen Aryzta LLC, dann hat der Umstand, dass ihr im Werk Cloverhill (Chicago, Illinois) rund 35 Prozent der Mitarbeitenden abhanden kam, allein mit «höherer Gewalt» zu tun. Die Frage, ob die Ahnungslosigkeit der Geschäftsleitung vielleicht auf ein internes administratives Versäumnis zurückzuführen ist, stellt sich Aryzta Americas, Geschäftsbereich der irisch-schweizerischen Aryzta AG, zumindest nach außen nicht.
Sie erinnern sich: Ende November hatte der Konzern seinen Geschäftsbericht für das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahrs 2018 veröffentlicht. Im Zuge dessen hatte backnetz:eu ausführlich die Probleme der US-amerikanischen Aryzta LLC erläutert. Auszug:
- (…) Unglücklicherweise hatte Aryzta USA in Chicago mit einer Arbeitsagentur zusammengearbeitet, die nicht darauf geachtet hat, ob Immigranten über die nötigen Papiere verfügen. Das hatte zur Folge, dass das Werk Cloverhill Knall auf Fall rund 800 gut angelernte Mitarbeiter verlor, was etwa 35 Prozent der Belegschaft entspricht. Die nicht näher bezeichnete Personalvermittlung hatte sich Anfang 2017 einer Bundesprüfung unterziehen müssen, wodurch das immense Wegbrechen der Belegschaft ausgelöst wurde. Aryzta USA steht seither vor der großen Herausforderung, für die 800 abgeschobenen Mitarbeiter Ersatz zu finden. Der Ersatz muss natürlich neu angelernt werden. Zudem steigen die Arbeitskosten in schwindelerregende Höhen, denn Beschäftigte mit legalem Aufenthaltsstatus sind deutlich teurer als Illegale. Den inflationären Anstieg der Arbeitskosten muss Aryzta USA früher oder später an den Handel und die Gastronomie in den USA weitergeben, was zu höheren Verbraucherpreisen führen wird (…).
Während wir an einer lesbaren Darstellung der Ereignisse feilten, hatte die McKee Foods Corporation – einer der größten Kunden der Aryzta LLC – die Großbäcker längst verklagt. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Tennessee verklagte Aryzta auf Schadensersatz in Millionenhöhe. Vorwurf: Der Massenexodus im Werk Cloverhill habe dazu geführt, dass die McKee-eigene Lieferkette empfindlich gestört wurde. McKee Foods besitzt die in den USA bekannte Marke «Little Debbie» und andere und setzt per Anno rund 1,5 Milliarden US-Dollar um – etwa 1,27 Milliarden Euro. Aryzta stand unter Vertrag, für McKee Foods eine Reihe von Produkten herzustellen – und besteht nach US-amerikanischen Berichten jetzt darauf, dass McKee Foods nicht berechtigt sei, Ansprüche geltend zu machen.
In einer gerichtlichen Erwiderung auf die Klage betont Aryzta, dass der Verlust von 800 Arbeitnehmern nach dem Durchgreifen der Einwanderungsbehörden außerhalb der Kontrolle der Großbäcker lag, weil die Arbeitnehmer von einer externen Arbeitsagentur akquiriert worden waren. Der plötzliche Mangel an Arbeitskräften im Werk Cloverhill sei eine Veränderung, die nicht von Aryzta ausgegangen sei und wofür sie nicht die Schuld trage, sagen die Großbäcker. Damit argumentiert die Aryzta LLC mit der «Verteidigung der Unmöglichkeit der Leistung» infolge des von den Einwanderungsbehörden verursachten, plötzlichen Mangels an Arbeitskräften.
McKee Foods sagt, dass das Unternehmen Millionen von US-Dollar an Gewinnen verliert, weil Aryzta vertraglich festgelegte Leistungen nicht richtig erfüllen konnte/kann. Den Vertrag mit den Großbäckern hat McKee daher vorzeitig im August gekündigt. McKee Foods führt aus, dass Lieferungen ausgefallen seien, beziehungsweise unvollständig oder fehlerhaft für «erheblichen Schaden» gesorgt hätten.
McKee Foods weist zudem darauf hin, dass das Unternehmen im Rahmen des Vertrags berechtigt sei, Produktionsstätten der Großbäcker zu besuchen, dass solche geplanten Besuche jedoch «wiederholt» verschoben worden seien. Aryzta entgegnet, dass es McKee erklärt habe, dass Besuche möglich sein würden, sobald sich die Situation in der Produktion normalisiert hätte.
Allerdings räumt Aryzta ein, dass es Fälle gab, in denen bestimmte McKee-Produkte nicht termingerecht geliefert werden konnten. Die genannten Verzögerungen bewegten sich jedoch alle im Rahmen einer normalen Zusammenarbeit.
Wie der Streit vor Gericht ausgeht, ist aus europäischer Sicht schwer zu sagen. Nach wie vor steht die Aryzta LLC vor großen Herausforderungen und es bleibt abzuwarten, ob es nicht noch andere Kunden vor den US-amerikanischen Kadi zieht (Foto: pixabay.com).
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