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20171013-MAIS

BfR: Haushaltszucker und Maissirup im Vergleich

Berlin. (bfr / eb) Weshalb sind so viele Amerikaner so dick? Eine der Erklärungen lautet: Weil sie deutlich mehr «High Fructose Corn Syrup» (HFCS oder Maissirup) zu sich nehmen als normalen Haushaltszucker. Aus Kostengründen hatte die US-Lebensmittelindustrie in der 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen, Saccharose (Haushaltszucker) durch Isoglukose (Maissirup) zu ersetzen. Auch wenn beides gleich süß schmeckt, reagiert der Mensch auf Saccharose und Isoglukose in Teilen unterschiedlich. Beim Verzehr von Saccharose schüttet er mehr Insulin aus als beim Verzehr von Isoglukose – was wiederum Auswirkungen auf das Sättigungsgefühl hat: Beim Verzehr von verarbeiteten Lebensmitteln mit Haushaltszucker ist man schneller satt als bei Lebensmitteln mit Maissirup.

Weshalb uns Europäer das interessieren muss? Weil künftig auch bei uns deutlich mehr «High Fructose Corn Syrup» in der industriellen Produktion von Lebensmitteln Verwendung finden soll. Das hatten wir zu Jahresbeginn auf irgendeinem EU-Server gelesen, kommen jetzt aber nicht drauf, wo genau. Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wird man kaum widersprechen wollen, wenn es betont, dass es «so oder so» wichtig ist darauf zu achten, wieviel Zucker man zu sich nimmt. Da spiele die Frage, ob es sich um Saccharose oder Isoglukose handelt, nur eine untergeordnete Rolle. Oder noch deutlicher: Isoglukose und Saccharose sind hinsichtlich des Gefährdungspotenzials für die Gesundheit gleichartig einzuschätzen. So lautet die Essenz der brandneuen BfR-Mitteilung Nr. 019/2018 vom 08. Juni 2018 (PDF). Zusammenfassung (O-Ton):

«Isoglukose, auch als High Fructose Corn Syrup (HFCS, fruktosereicher Maissirup) bezeichnet, wird in der Lebensmittelindustrie als Mittel zur Süßung verarbeiteter Lebensmittel wie Süßgetränke (Softdrinks), Cremes, Kuchen, Süßwaren, Joghurts et cetera verwendet. Von verschiedenen Seiten wurde das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gefragt, ob von diesem Süßungsmittel mit einem hohen Anteil an dem freien Monosaccharid (Einfachzucker) Fruktose ein besonderes gesundheitliches Risiko gegenüber anderen Süßungsmitteln wie zum Beispiel Saccharose (Haushaltszucker, Rübenzucker, Rohrzucker) ausgeht.

Isoglukose enthält variable Anteile der Einfachzucker Glukose und Fruktose in unverbundener Form. Die beiden Zucker liegen also als Monosaccharide vor. Im Vergleich dazu enthält Saccharose ebenfalls Glukose und Fruktose, allerdings liegen hier diese Zucker im Mengenverhältnis von genau 1:1 in jeweils verbundener Form als Disaccharid vor. Bei derzeit häufig verwendeten Varianten von Isoglukose liegen die beiden Monomere Glukose und Fruktose ungefähr in vergleichbaren Mengen vor; die Differenz ist in Bezug auf den Fruktosegehalt im Vergleich zu Saccharose relativ gering. In diesem Falle ist zu erwarten, dass sich zwischen Isoglukose und Saccharose aus ernährungsphysiologischer Sicht keine beziehungsweise keine bedeutsamen Unterschiede ergeben und dementsprechend auch deren gesundheitliche Bewertung vergleichbar ist.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich die Verzehrmenge an zugesetztem Zucker insgesamt nicht nennenswert erhöht. Sollten verarbeiteten Lebensmitteln Isoglukose-Varianten mit deutlich höherem Anteil an Fruktose zugesetzt werden, ist darauf hinzuweisen, dass der Verzehr hoher Mengen an Fruktose ungünstige Auswirkungen auf den Stoffwechsel haben kann. Konkret geht es um eine mögliche Begünstigung des metabolischen Syndroms sowie von Fettstoffwechselstörungen, Fettleber, Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2. Außerdem sind für Fruktose bestimmte Unverträglichkeiten bekannt.

Als wissenschaftlich gesichert gilt, dass der regelmäßige übermäßige Verzehr von zu Lebensmitteln zusätzlich zugesetztem Zucker (einschließlich zugesetzter Fruktose) nachteilig für die Gesundheit ist und reduziert werden sollte. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten darauf achten, dass die tägliche Aufnahme an zugesetztem Zucker zehn Prozent der täglichen Gesamtenergieaufnahme über Nahrungsmittel einschließlich Getränken nicht übersteigt. Nach Möglichkeit sollte der Konsum von zugesetztem Zucker sogar noch darunter liegen. Eine erwachsene Person mit einem Energiebedarf von etwa 2000 Kilokalorien sollte daher rechnerisch pro Tag nicht mehr als sechs bis zwölf Teelöffel an zugesetztem Zucker über alle Lebensmittel einschließlich Getränken zu sich nehmen».

Bei allen Anstrengungen, die Europas und Deutschlands Ernährungsforscher bislang unternommen haben, um Verbraucher zu einer Zuckerreduktion und insgesamt ausgewogeneren Ernährung zu bewegen, erscheint uns die Stellungnahme Nr. 019/2018 des Bundesinstituts für Risikobewertung zwar richtig, aber auch kontraproduktiv. Denn zumindest Laien können auf die Idee kommen, dass der individuell unterschiedliche Zuckerbedarf und das von Mensch zu Mensch variierende Sättigungsgefühl bei zunehmendem Einsatz von High Fructose Corn Syrup um entscheidende Nuancen verschoben werden oder gar durcheinander geraten. Mit allen daraus resultierenden Konsequenzen (Foto: pixabay.com).

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