Dienstag, 8. Oktober 2024
Deutsch Englisch

BMEL: stellt Pläne für mehr Kinderschutz in der Werbung vor

Berlin. (bmel) Frei nach dem Motto «Kinder schützen – Eltern stärken» hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Pläne für klare und verbindliche Regeln zu an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung vorgestellt. Damit setzt Bundesminister Cem Özdemir (BMEL) einen Auftrag aus den Koalitionsvertrag um. Hintergrund: An Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung preist häufig hochverarbeitete Lebensmittel an, die zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten. Der übermäßige Verzehr solcher Lebensmittel trägt zu Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes bei, die hohe gesellschaftliche Kosten verursachen – etwa 63 Milliarden Euro pro Jahr.

Lebensmittelwerbung hat einen nachhaltigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten bei Kindern unter 14 Jahren. Sie sind besonders empfänglich für Werbung. Eltern haben kaum die Möglichkeit, ihre Kinder vor Werbung zu schützen. Dabei wird gerade im Kindesalter Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt. Um Kinder zu schützen und Eltern im Alltag zu entlasten sowie zu einer besseren Umgebung für Ernährungsbildung beizutragen, damit die Kinder gesund groß werden können, soll sich Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in allen relevanten Medien nicht mehr an Kinder richten dürfen. Bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen und Branchenregeln konnten Kinder nicht effektiv vor negativen Werbeeinflüssen schützen.

Hintergrund: Einflüsse auf Medien nutzende Kinder und Jugendliche

  • Im Schnitt 15 Werbespots für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt täglich sehen Kinder, die Medien nutzen. Die Mediennutzung ist bei 70 Prozent der 3- bis 17-Jährigen seit Beginn der Corona-Pandemie angestiegen.
  • Durchschnittlich 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, ist für Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten.
  • Eine zunehmend große Rolle spielen die sozialen Medien und die Lebensmittelvermarktung durch sogenannte Influencer: Eine Studie der Medizinischen Universität Wien kam zu dem Ergebnis, dass 77 Prozent der beworbenen Lebensmittel laut WHO aufgrund ihres hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalts nicht gegenüber Kindern und Jugendlichen vermarktet werden sollten.

Hintergrund: Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Übergewicht und Adipositas

  • In der Kindheit festigen sich Ernährungsgewohnheiten und wird die Grundlage für die spätere Gesundheit gelegt. Daher ist diese Lebensphase der entscheidende Ansatzpunkt für nachhaltig wirkende Maßnahmen.
  • Kinder und Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks und nur halb so viel Gemüse und Obst wie empfohlen.
  • Rund 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland sind übergewichtig, darunter knapp sechs Prozent adipös.
  • Die gesamtgesellschaftlichen direkten und indirekten Kosten von Adipositas werden in Deutschland auf etwa 63 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

BMEL-Pläne für bundesweite Regeln für an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel

An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt wird nicht mehr erlaubt. Als Kinder werden alle unter 14-Jährigen definiert. Die Regelung umfasst alle für Kinder relevanten Medien, darunter auch Influencermarketing. Um Kinder zu schützen, wird nicht mehr zulässig sein:

  • An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in allen für Kinder relevanten Medien.
  • An Kinder gerichtete Außenwerbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt.
  • Aufgrund des Werbeumfelds oder des sonstigen Kontextes an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt,
    • wenn sie zwischen 6 und 23 Uhr betrieben und damit bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird respektive wahrgenommen werden kann,
    • wenn sie im Kontext mit auch Kinder ansprechenden Inhalten betrieben wird,
    • wenn sie in Form von Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern betrieben wird zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder Freizeiteinrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vor allem von Kindern besucht werden.
  • An Kinder gerichtetes Sponsoring für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt.

Die Beurteilung eines hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation orientieren.

Fragen und Antworten zu Sinn und Zweck dieser Initiative

Weiterführende Fragen und Antworten zum BMEL-Gesetzentwurf in Bezug auf an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung finden Interessenten hier auf der BMEL-Homepage.


Kommentar: Gut gemeint heißt noch nicht gut gemacht

Bremerhaven. (usp) Ohne Worte. Wahrscheinlich wird der erhobene Zeigefinger mehr Akteure verprellen als zur konstruktiven Mitarbeit animieren. Was unter anderem Foodwatch und AOK als «großen Wurf» loben, hat kaum das Zeug, einen breiten Konsens anzustoßen und in der Mitte der Gesellschaft anzukommen.

Die Absichten sind ehrenwert, doch die Instrumente – bis hin zu Bannmeilen um Schulen, Kitas und Spielplätze herum – erinnern mehr an Aktionismus statt an eine gut überlegte Strategie zum Schutz von Kindern vor Junkfood. Die größte Schwäche des BMEL-Verbotskatalogs: Wer soll das alles kontrollieren?

Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach: Weshalb ist die Popularität des staatlichen «Bio-Siegels» bis heute ungebrochen? Weil die grüne Bundesministerin Renate Künast 2001 nicht gleich mit dem Kopf durch die Wand wollte, der Gesellschaft Raum gab zur Auseinandersetzung und der konventionellen Lebensmittelerzeugung nicht gleich Böswilligkeit unterstellte, sondern sie «mitnahm».

Richtig ist: Der Erfolg der in 2018 von der alten Bundesregierung initiierten Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz, die weitgehend auf eine Selbstverpflichtung der Lebensmittelbranchen setzte, ist bescheiden. Der ungezügelte Konsum von hoch verarbeiteten Lebensmitteln wird die Gesellschaft noch teuer zu stehen kommen. Die rasante Ausbreitung von Fettleibigkeit bis hin zu Adipositas – vor allem die daraus resultierenden Folgeschäden – ist für jeden gesunden Menschen eine Zumutung, der die Arztbesuche mit seinen Krankenkassenbeiträgen solidarisch mit finanzieren muss.

Richtig ist auch: Mit Unterrichtsfächern wie «Ernährungslehre» und «Kochen» oder einer Schulspeisung, die sich strikt an DGE- oder WHO-Regeln hält, stünden schon heute Instrumente zur Verfügung, mit denen Kinder ganz nebenbei übers Essen und Trinken reflektieren. Man muss die Instrumente nur konsequent anbieten – und Eltern nicht nur «helfen» wollen, sondern sie bei Gelegenheit auch nachdrücklich ins Gebet nehmen.

Der aktuell erhobene Zeigefinger aus Berlin mag populär sein, wird aber zu nichts führen. Besser wäre eine Art Zuckersteuer auf Süßigkeiten und Getränke, die die Dicken dort packt, wo es definitiv weh tut: Eltern beim Haushaltsgeld und Kinder beim Taschengeld (Foto: Ylanite Koppens).