Berlin. (boelw) Anlässlich der Eröffnung der BioFach 2024 in Nürnberg, Weltleitmesse für Bio-Produkte, veröffentlichte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) den «Branchenreport 2024» für die ökologische Lebensmittelwirtschaft. Demnach stieg der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland im Jahr 2023 um fünf Prozent auf 16,1 Milliarden Euro. Mit rund 1,94 Millionen Hektar werden jetzt knapp zwölf Prozent aller Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Gut 14 Prozent aller Höfe in Deutschland arbeiteten nach den strengen Vorgaben der EU-Bio-Verordnung oder den darüber hinaus gehenden Regeln der Öko-Verbände. Insgesamt gab es 36.535 Bio-Höfen in ganz Deutschland.
«Das Plus der Bio-Lebensmittelwirtschaft bei Umsatz und Flächen zeigt, wie stabil die Branche ist. In anspruchsvollen Zeiten übernehmen Bio-Unternehmer und -Unternehmerinnen Tag für Tag erfolgreich Verantwortung für Gemeingüter wie Böden, Gewässer, Artenvielfalt und Klima oder die ländliche Entwicklung. Mit ihrer Kreislaufwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide und ihrer artgerechten, flächengebundenen Tierhaltung trägt die Bio-Produktion maßgeblich dazu bei, Umweltschäden von 90 Milliarden Euro durch die Landwirtschaft in Deutschland zu reduzieren. Dieser Beitrag wird bisher aber viel zu wenig honoriert. Bund und Länder müssen für ihre ambitionierten Bio-Ziele endlich die notwendigen Ressourcen bereitstellen. Unser Agrar- und Ernährungssystem ist aktuell für 25 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, deshalb braucht es – wie bei der Energiewende – auch für den Umbau von Lebensmittelerzeugung und -konsum endlich die politische Entschlossenheit und die Ressourcen, die dieser Dimension gerecht werden,» sagt die BOELW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres.
Nach dem Scheitern der europäischen «Farm-to-Fork»-Strategie sei klar, dass die Ziele der Strategie, nämlich die Reduzierung von Düngemitteln, Antibiotika und Pestiziden, nur durch eine gezielte Stärkung der ökologischen Produktion erreicht werden können. Nur mit deutlich mehr Bio könne die Politik gemeinsam mit Wirtschaft und Verbrauchern das gemeinsame Ernährungssystem zukunftsfest machen. Die Zeit dränge: Um Artensterben und Klimawandel zu bewältigen und die Lebensmittelproduktion dauerhaft sicher zu machen, brauche es jetzt mehr Tempo bei der ökologischen Transformation.
«Politik muss Unternehmen, die in den notwendigen Umbau unseres Ernährungssystems investieren wollen, Perspektive geben. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir muss dafür sorgen, dass unsinnige Bürokratie bei der Agrarförderung abgebaut wird. Denn Höfe, die nach Bio-Recht wirtschaften erbringen schon hohe Umweltleistungen. Der Fehler, dass sie nicht mehr «Green by Concept» sind, muss rückgängig gemacht werden. Auch die mittelständische Bio-Ernährungswirtschaft, die es für widerstandsfähige Wertschöpfungsketten braucht, muss von Bürokratie entlastet und gezielt gefördert werden. Mehr Vielfalt auf dem Acker gibt es nur mit einer vielfältigen, dezentralen Bio-Verarbeitung,» betont der geschäftsführende BOELW-Vorstand Peter Röhrig.
Es sei entscheidend, die einseitige Ausrichtung der Forschungsförderung zu beenden und die Bio-Züchtung zu stärken. Sie zielt darauf ab, dass Pflanzen ohne Pestizide auskommen und effizienter mit Dünger umgehen können. Das kommt der gesamten Landwirtschaft zugute. Bundesminister Özdemir hat zugesagt, 30 Prozent der Forschungsmittel für ökologische Forschung bereitzustellen, auch um die Bio-Züchtung zu stärken. Wenn das Forschungsministerium jedoch deutlich mehr Mittel für Gentechnikforschung als für innovative Bio-Züchtung bereitstelle, untergrabe dies die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung.
(Tabelle: Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft 2024)
Der von der Bundesregierung begonnene Umbau der Tierhaltung müsse forciert werden. Deutschland brauche zur Finanzierung einer besseren Tierhaltung eine Abgabe auf Fleisch und eine Unterstützung besserer Haltungsverfahren, die Bio nicht diskriminiert. Nach dem Scheitern der Pestizidreduktionspläne der EU bleibe als einzig wirksames Instrument der Öko-Landbau, um Artenvielfalt, Böden und Wasser vor synthetischen Pestiziden zu schützen. Auf über 95 Prozent der Bio-Flächen werden keinerlei Pflanzenschutzmittel eingesetzt, chemisch-synthetische Pestizide sind komplett verboten.
«Mit ihren Deregulierungsplänen für Neue Genomische Techniken wollen die EU-Kommission und das EU-Parlament ein Agrar- und Ernährungssystem fortschreiben, das Klima und Artenvielfalt zerstört. Statt weiter auf leere Versprechen der Gentechnik-Lobby hereinzufallen, müssen die EU, die Bundesregierung und die Bundesländer den einzig funktionierenden Systemansatz stärken, der Ressourcenschutz in seiner DNA trägt und auch von den Verbrauchern akzeptiert und gewünscht wird – und die Bauernschaft vor Patenten auf Saatgut schützt,» ergänzt Tina Andres.
Bio-Entwicklung in Zahlen
Landwirtschaft: 80.459 Hektar mehr Fläche für Bio-Anbau.Bildlich gesprochen haben die Höfe im Jahr 2023 täglich eine Fläche von der Größe von 307 Fußballfeldern auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Insgesamt wurden in Deutschland 11,8 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet. Die gesamte Öko-Fläche betrug 1.940.301 Hektar (+4,3 Prozent). Etwa zwei Drittel dieser Bio-Flächen erfüllten darüber hinaus die strengeren Standards der Bio-Verbände. Diese Flächen verzeichneten einen Zuwachs von rund 4,1 Prozent auf 1.234.022 Hektar. 2023 wurde jeder siebte Hof ökologisch bewirtschaftet (14,3 Prozent), was insgesamt 36.535 Bio-Höfen in ganz Deutschland entsprach.
Bio-Marktentwicklung: Umsatz mit Bio-Lebensmitteln mit erfreulichem Plus. Der Gesamtumsatz betrug 2023 16,1 Milliarden Euro (+5 Prozent). Der Lebensmitteleinzelhandel steigerte seine Bio-Umsätze um 7,2 Prozent auf 10,8 Milliarden Euro und erreichte insgesamt einen Marktanteil von 67 Prozent. Davon entfielen 40 Prozent auf die Discounter. Drogeriemärkte kamen im Trockensortiment auf einen Marktanteil von 25 Prozent dank breitem Sortiment bei günstigen Preisen. Im Vergleich zu 2019 zeigte der klassische Lebensmitteleinzelhandel 2023 ein Bio-Plus von 47 Prozent. Das Plus über alle Einkaufsstätten lag im gleichen Zeitraum bei 31 Prozent.
Bio-Läden und Bio-Supermärkte konnten 2023 leicht positive Umsätze verbuchen. Nach einer schwächeren ersten Jahreshälfte legte der Umsatz im zweiten Halbjahr deutlich zu. Der Bio-Fachhandel zeigte sich 2023 stabil mit einem Umsatz von 3,2 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Zusammen mit den Non-Food-Artikeln ergab sich ein Umsatz von 3,8 Milliarden Euro. Andere Einkaufsstätten wie Reformhäuser, Hofläden, Online-Handel, Wochenmärkte, Bäckereien und Metzgereien erzielten kleine Zuwächse von zwei Prozent und erreichten einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro. Nach einem Minus von 18 Prozent im Jahr 2022 ist das ein beachtliches Ergebnis. Besonders Lebensmittelhandwerk und Wochenmärkte sorgten für ein Plus.
Preisentwicklung: Bei einer Gesamtinflationsrate von neun Prozent für Lebensmittel im Jahr 2023 hatten Bio-Lebensmittel erneut eine bremsende Wirkung. Sie waren Vergleich nur um fünf Prozent teurer.
Trends im Bio-Lebensmittelmarkt: Einige Trockenprodukte gehörten 2023 zu den Gewinnern. Dazu zählten verpackte Backwaren, Süßwaren und Tiefkühlkost, aber auch Brotaufstriche, Feinkost und gekühlte Feinkost mit jeweils zweistelligem Umsatzzuwachs. Milchalternativen, die seit Jahren stark zulegen, gehörten mit einem Plus von 15 Prozent zu den Publikumslieblingen. Bei Bio-Frischeprodukten verzeichneten Käse und Wurst (vor allem in der verpackten Version) einen Anstieg der Verkaufsmengen von sechs beziehungsweise fünf Prozent. Grund waren vor allem Neulistungen in Discountern. Der Anteil der Handelsmarken lag 2023 bei 56 Prozent des Bio-Umsatzes, 2022 waren es noch 52 Prozent.
Hätten Sie es gewusst?
- Insgesamt über 21.000 Bio-Hersteller und Gastronomen sorgten 2022 in Deutschland für Vielfalt auf dem Tisch.
- 50 Prozent weniger Einsatz von fossiler Energieim Öko-Pflanzenbau – dank des Verzichts auf chemisch-synthetische Pestizide und Stickstoffdünger.
- Deutschlands Nachbarn sind Spitzenreiter bei den Bio-Pro-Kopf-Ausgaben: Die Schweiz mit 441 Euro, Dänemark (369 Euro) und Österreich (287 Euro) lagen 2022 vor Deutschland (184 Euro).
Der «Branchenreport 2024» mit allen Daten, Analysen und Quellenangaben steht auf der Homepage des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zum Herunterladen bereit (Foto: pixabay.com).
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