Freitag, 29. März 2024
Deutsch Englisch

Campact: »Auf Worte müssen endlich Taten folgen!«

Berlin. (camp / eb) Beeindruckt von der großen Politik – die nicht nur vom Rand kommentiert, sondern Verantwortung beherzt wahrnimmt – ist dem freundlichen Grußonkel im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) noch nicht viel gelungen. Qua Ausbildung könnte Cem Özdemir vermutlich einen guten Familienminister abgeben. Stattdessen hangelt er sich in Sachen Ernährung und Landwirtschaft mit vielen Worten von Sonntagsrede zu Sonntagsrede, ohne wirklich was zu sagen – geschweige denn zu entscheiden. Eine klassische Fehlbesetzung, dem parteilichen Proporz geschuldet, wie Deutschland sie in diesen Zeiten weder gebrauchen noch vertragen kann. Natürlich könnte der WebBaecker fröhlich darauf hinweisen, dass er das Unglück hat kommen sehen. Andererseits hätte er ganz gerne Unrecht gehabt mit seiner Einschätzung, nach der Deutschland »eigentlich« dringend einen versierten Bundesminister benötigt, der Visionen klar entwickeln, verankern und durchsetzen kann.

Selbst Campact, das breite Bündnis aus Landwirtschaft und Gesellschaft, hadert mit dem Bundesminister. Wenige Tage vor der großen »Wir haben es satt!«-Demonstration am 21. Januar in Berlin fordert das Bündnis von der Bundesregierung, das Höfe- und Insektensterben zu stoppen, die Klimakrise ernsthaft zu bekämpfen und gutes Essen für alle sicherzustellen. Bündnisvertreter kritisieren, dass der Minister zu wenig für den nötigen Umbau der Landwirtschaft und die sozial gerechte Ernährungswende unternehme.

»Gutes Essen für alle – statt Profite für wenige« lautet das Motto der Demo, bei der zum Auftakt der Grünen Woche wieder viele Tausende auf Berlins Straßen gehen. Nach zwei Jahren pandemiebedingt kleinerer Aktionen demonstrieren Vertreter (m/w/d) aus der gesamten Wertschöpfungskette – von Bauernhöfen, Imkereien und Lebensmittel verarbeitenden Betrieben – gemeinsam mit Konsumenten (m/w/d) für eine bäuerliche Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung, Artenvielfalt, konsequenten Klimaschutz, gentechnikfreie Lebensmittel und eine Beendigung des globalen Hungers.

Ausgewählte O-Töne aus dem Bündnis

Campact-Sprecherin Inka Lange: »Gutes Essen hat seinen Preis und alle Menschen müssen sich gutes Essen leisten können. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie den Zugang zu gesunden und umweltgerecht hergestellten Lebensmitteln für alle Menschen sicherstellt. Ein gutes Zusammenleben geht nur sozial und ökologisch. Deswegen brauchen wir mehr Tempo bei der sozial gerechten Agrar- und Ernährungswende.«

Georg Janßen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): »Das Höfesterben geht ungebremst weiter und Agrarminister Özdemir schaut dabei wie seine Vorgängerin einfach zu. Er muss sich den Interessen der Agrarindustrie entgegenstellen und bäuerlichen Betrieben eine Zukunftsperspektive geben. Wir Bäuerinnen und Bauern sind bereit. Wir brauchen faire Erzeugerpreise und klare politische Leitlinien, dann klappt der Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Klima- und Tierschutz.«

Jörg Andreas Krüger, Naturschutzbund (NABU): »Es gibt in Deutschland genügend Landwirtschaftsfläche, um die Menschen gerecht mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen, ohne dass die Natur zerstört und das Klima weiter angeheizt wird. Dafür müssen landwirtschaftliche Produkte aber auf unseren Tellern landen, nicht im Trog oder Tank. Wenn wir aufhören, Flächen im großen Stil für die Tierfutterproduktion zu nutzen, können wir unsere Ernährung sichern und Natur und Klima schützen.«

Martin Kaiser, Greenpeace Deutschland: »Landwirtschaftsminister Özdemir hat die Herausforderungen der Landwirtschaft immer klar benannt. Jetzt müssen seinen Worten Taten folgen. Statt den klimaschädlichen Konsum von Fleisch- und Milchprodukten durch die ermäßigte Mehrwertsteuer staatlich zu fördern, sollten pflanzliche Lebensmittel von der Steuer befreit werden.«

Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bio-Spitzenverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), stellt in einem anderen Zusammenhang fest: »Das Marktversagen bei der Nutzung von Umweltgütern lässt sich nur mit wahren Preisen beseitigen. Dazu muss die Mehrwertsteuer für Bio-Produkte gestrichen werden, denn Bio vermeidet diese Schäden. Nur so werden Gemeingüter geschützt. Ebenso muss eine Abgabe auf Pestizide und Stickstoffüberschüsse erhoben werden. Die Bundesregierung muss sich daran messen lassen, die Umweltschäden zu mindern. Das bisherige Engagement von Cem Özdemir für die ökologische Transformation reicht nicht!« (Foto: wir-haben-es-satt.de – Nick Jaussi).

backnetz:eu