Samstag, 2. Dezember 2023
Deutsch Englisch

China: Lebensmittelbranche setzt Wachstumskurs fort

Berlin. (gtai) Die Ausgaben der chinesischen Verbraucher für Nahrungsmittel und Getränke legen weiter zu. Der Trend zu verarbeiteten, verpackten und teureren Produkten hält an. Die demografische Entwicklung fördert überdies die Nachfrage nach «Gesundheitsprodukten». Gleichzeitig drohen in einigen Segmenten wie bei Milch Überkapazitäten. Zudem drückt die schwächelnde Tabakindustrie das Wachstum der Gesamtbranche nach unten – berichtet Germany Trade + Invest (GTAI) in einem groben Marktüberblick.

Im Durchschnitt werden chinesische Verbraucher ihre Ausgaben für Nahrungsmittel bis 2026 jedes Jahr um 4,6 Prozent steigern, so eine Studie der Bright Food Group und der niederländischen Rabobank. Die chinesischen Nahrungsmittel- und Getränkehersteller dürften daher laut Frost + Sullivan von 2015 bis 2020 pro Jahr um 8,8 Prozent wachsen.

De facto erwirtschaftete die Branche in den ersten drei Quartalen 2016 mit etwas über 8,5 Billionen CNY ein Umsatzplus von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr 2015 hatte sie mit 11,4 Billionen Renminbi Yuan (CNY; etwa 1,6 Billionen Euro; 1,0 CNY = 0,144 Euro, Durchschnittskurs 2015) 4,6 Prozent mehr umgesetzt, nach 8,0 Prozent im Vorjahr, so das Nationale Statistikamt (NBS). Vor allem die Tabakindustrie drückt das Ergebnis nach unten. Bei den Gewinnen erreichte die Branche in den ersten drei Quartalen 2016 mit 577,3 Milliarden CNY nur noch ein Plus von 2,9 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode – nach 6,0 Prozent im Gesamtjahr 2015 (802,8 Milliarden CNY).

Entwicklung der Nahrungsmittelbranche 2015 und in den ersten drei Quartalen 2016

(in Milliarden CNY; Veränderung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in Prozent)*)

Umsatz 2015 Veränderung Umsatz Januar bis September 2016 Veränderung Zahl der Firmen, Ende September 2016 Zahl Verluste ausweisender Firmen, Ende September 2016
Nahrungsmittelverarbeitung 6.512,6 3,5 4.851,7 5,5 24.702 2.450
Nahrungsmittelproduktion 2.170,0 6,3 1.690,3 7,8 8.191 920
Getränkeherstellung 1.729,3 6,4 1.339,1 6,0 6.297 575
Tabakwaren 935,1 5,5 656,8 -9,4 129 14

(*) Unternehmen mit einem Mindestjahresumsatz von 20 Millionen CNY. Quelle: China Economic Information Network (CEInet)

Entwicklung der Anlageinvestitionen in einigen Segmenten der Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung in den ersten elf Monaten 2016 (in Milliarden CNY; Veränderung in Prozent) *)

Segmente Anlageinvestitionen Veränderung Veränderung 2015 zu 2014
Nahrungsmittelverarbeitung 1.064,8 9,5 7,7
Nahrungsmittelproduktion 528,9 13,8 14,4
Getränkeproduktion 372,2 0,9 4,4
Tabakindustrie 17,2 -23,0 -6,5

*) Unternehmen mit einem Mindestjahresumsatz von 20 Millionen CNY. Quelle: NBS

Lebensmittelsicherheit bleibt das bestimmende Thema. Wie die China Daily am 1.12.16 berichtete, plant die Nationale Gesundheits- und Familienplanungskommission die Überprüfung von fast 5.000 diesbezüglicher Normen und die Revision von 300 nationalen Standards. Grund ist die parallele Existenz unterschiedlicher und zum Teil widersprüchlicher Normen, welche von verschiedenen behördlichen Abteilungen, in verschiedenen Regionen oder Sparten der Lebensmittelproduktion zur Anwendung kommen. Tatsächlich bereitet der Aspekt Lebensmittelsicherheit den Chinesen die größten Sorgen, so der Ende 2016 veröffentlichte «Annual Report on Social Mentality of China» der Chinese Acadamy of Social Sciences (CASS).

Darüber hinaus setzt sich der Trend fort, immer mehr Nahrungsmittel online zu bestellen und sich fertig zubereitete Gerichte nach Hause oder an den Arbeitsplatz bringen zu lassen – mit entsprechend großem Verpackungsaufwand. Dabei ist Fast-Food immer weniger gefragt. Nicht grundlos hat McDonalds seine Filialen in China bis auf eine Minderheitsbeteiligung verkauft.

Es drohen Überkapazitäten bei der Milchproduktion

Die VR China will ihre Milchindustrie modernisieren, um sie gegenüber den ausländischen Anbietern nachhaltig zu stärken. Auf dem «20 Dairy Summit» im August 2016 unterzeichneten die 20 führenden Branchenunternehmen eine Erklärung über die Wiederbelebung der chinesischen Milchindustrie. Mit etwa einer Million Milchbauern, zehn Millionen Milchkühen und einigen hundert Molkereibetrieben sei die Branche zwar groß, aber schwach, schrieb die Global Times. Tatsächlich produzierte sie 2015 etwa 38 Millionen Tonnen Milch sowie 27 Millionen Tonnen Molkereiprodukte und lag damit weltweit an dritter Stelle.

Laut China Daily macht über die Hälfte der chinesischen Milchbauern Verluste, denn die Preise für Molkereiprodukte tendieren seit Anfang 2015 nach unten. In der Folge sank der Tierbestand bis März 2016 innerhalb eines Jahres um 12 Prozent. Ein Grund für die Misere: mangelnde Effizienz. So kostet importiertes Milchpulver im Durchschnitt rund 18.000 CNY pro Tonne, lokales Pulver liegt jedoch bei 30.000 CNY. Darüber hinaus verringert sich die Nachfrage nach lokaler Milch. Diese sei zwischen 2006 und 2010 jährlich um durchschnittlich etwa 11,1 Prozent gewachsen, aber in den folgenden fünf Jahren auf etwa die Hälfte gefallen. Das Ergebnis sei ein Überangebot an Milch – und dies in einem Land, in dem der Pro-Kopf-Verbrauch ohnehin nur bei einem Drittel des Weltdurchschnitts liegt.

Doch chinesische Milch ist nicht nur teuer in der Produktion. Die Verbraucher trauen der lokalen Milch nicht. Biomilch ist bislang erst ein Nischenprodukt. Trotzdem bauen die beiden Marktführer Yili und Mengniu das Segment aus. Ende 2016 bezahlte Yili umgerechnet 680 Millionen US-Dollar für ein 37 Prozent-Aktienpaket am größten chinesischen Biomilch-Erzeuger China Shengmu Organic Milk. Während ein Liter Yili-Milch auf der E-Commerce-Plattform TMall für 9,8 CNY zu haben ist, kostet ein Liter Bio-Milch von Shenmu 15,0 CNY.

Schlagzeilen in der Branche machte ferner die 668-Millionen-CNY-Strafe, die die Behörden Ende 2016 gegen den Verpackungshersteller Tetra Pak verhängten. Angeblich habe Tetra Pak seine dominante Stellung im Markt ausgenutzt. Tetra Pak erklärte zwar, sich stets an die Regeln gehalten zu haben, will aber zahlen, ohne in Berufung zu gehen. Die Verpackungen des schwedischen Produzenten werden vorwiegend in der Milchwirtschaft verwendet.

Fleischkonsum der Chinesen hält an

Prognosen zufolge wird der chinesische Fleischverbrauch auch in den nächsten Jahren steigen. Trotz hoher Selbstversorgungsrate wächst die Nachfrage stärker als die Produktion, was die Schweinefleischpreise auch 2016 wieder steigen ließ, um durchschnittlich 16,9 Prozent von Ende 2015 auf Ende 2016, so NBS. Um den Preisanstieg zu bremsen, wurden Teile der staatlichen Schweinefleischreserven verkauft.

Importschweinefleisch liegt preislich in der Regel unter heimischer Ware. Entsprechend zogen die Einfuhren stark an und erreichten in den ersten elf Monaten 2016 mit 1,5 Millionen Tonnen (+121 Prozent) einen neuen Rekord. Deutschland überholte die USA bereits 2015 als wichtigstes Lieferland und kam auf über 0,3 Millionen Tonnen (+76,4 Prozent). Bis 2020 sollen die Importe wegen des Ausbaus der heimischen Erzeugung aber wieder auf 700.000 Tonnen zurückgefahren werden.

Grundsätzlich bemüht sich die chinesische Regierung, den Fleischkonsum der Bevölkerung zu verringern. Nach der vom Gesundheitsministerium 2016 überarbeiteten Ernährungsleitlinie sollten nicht mehr als 14 bis 27 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr verzehrt werden. Tatsächlich lag er laut dem International Food Policy Research Institute (IFPRI) 2015 sogar bei 59 Kilogramm, doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt.

Backwaren und andere Getreideprodukte gefragt

Backwaren erfreuen sich laut Euromonitor weiterhin eines robusten Wachstums. Getrieben wird die Entwicklung insbesondere von der jüngeren Generation, die in Adaption westlicher Gewohnheiten mitunter täglich Backwaren – sei es zum Frühstück oder zum Nachmittagstee – konsumiert. Euromonitor geht daher mittelfristig von einem jährlichen Nachfragezuwachs von 5 Prozent aus.

Insbesondere Frühstücks-Cornflakes, -Müslis oder andere westliche Getreideprodukte werden immer beliebter, da sie im Gegensatz zu traditionellen, chinesischen Getreidegerichten nicht gekocht werden müssen und trotzdem als gesund gelten. Überdies sind sie ein beliebtes Geschenk. Laut Kantar Worldpanel sollen etwa 25 Prozent des Umsatzes auf zu Geschenkzwecken verkauftes Müsli und Co. entfallen, das dann gerne importiert und etwas teurer sein darf. Allerdings beschränkt sich der Nachfragezuwachs (2016 laut Euromonitor 9 Prozent) vorwiegend noch auf die Großstädte, sodass landesweit noch mit großem Potenzial zu rechnen ist.

Dagegen entwickelt sich der chinesische Nudelmarkt weiter uneinheitlich: So tendiert die Nachfrage nach den als ungesund verschrienen Instantnudeln weiter nach unten. Mit etwa 40.000 Millionen verkauften Packungen ist China der weltweit größte Instantnudelmarkt. Mintel geht von einem jährlichen Minus der Verkaufszahlen bis 2020 um 1 Prozent auf 62,1 Milliarden CNY aus. Marktführer Ting Hsin (MasterKong) sah im 1. Halbjahr 2016 ein Gewinnminus von 65 Prozent auf 69,7 Millionen US$. Demgegenüber laufen reis- und nudelbasierte Schnellgerichte (Chao Mian) durchaus gut und viele Konsumenten ziehen diese vor.

Trend zu Gesundem vermiest Geschäft mit Süßwaren

Laut CEInet wurden 2015 in der VR China rund 3,9 Millionen Tonnen Bonbons hergestellt, 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr. In den ersten zehn Monaten 2016 stagnierte der Ausstoß bei knapp 2,8 Millionen Tonnen. Der Grund ist, dass «Chinesen nicht nur etwas Süßes, sondern überdies auch etwas Gesundes essen wollen», heißt es aus der Branche.

Als gesünder gilt beispielsweise der Konsum von – speziell dunkler – Schokolade. Trotzdem ist der Verzehr von Schokolade im internationalen Vergleich mit rund 200 Gramm pro Kopf sehr niedrig. Mondelez hat deshalb bekannt gegeben, in den nächsten drei Jahren über 100 Millionen US$ im Land investieren zu wollen. Das Geld soll unter anderem in den Aufbau neuer Produktionskapazitäten und Vertriebskanäle (einschließlich Kühlketten) fließen. Insbesondere soll eine auf den lokalen Geschmack angepasste Produktlinie gepuscht werden.

Getränke – Wein statt Bier

Bei alkoholischen Getränken verlagert sich die Nachfrage kontinuierlich hin zu höherwertigen beziehungsweise teureren Produkten. Während die Produktionsmenge in den ersten neun Monaten 2016 insgesamt mit um 2 Prozent auf 495 Millionen hl schrumpfte, sahen die Hersteller zugleich ein Umsatzplus von 6,1 Prozent auf 662,7 Milliarden CNY. Dabei geht die negative Entwicklung der Produktionsmenge auf den Biersektor zurück.

Offensichtlich konsolidiert hat sich die Produktion von Baijiu – dem chinesischen Schnaps. Die Hersteller verzeichneten nicht allein einen Produktionsanstieg um 4,3 Prozent auf 97 Millionen hl, sondern darüber hinaus auch ein Umsatzplus von 7 Prozent. Nach einem durch die Antikorruptionskampagne ausgelösten Einbruch vor zwei Jahren hat sich die Verlagerung der Marketingbemühungen (preiswertere Produkte, neuartige Flaschen für bestimmte Kundengruppen etc.) als erfolgreich erwiesen.

Noch besser lief es bislang bei den Weinbauern. Sie vermeldeten in den ersten drei Quartalen 2016 ein Umsatzplus von 11,2 Prozent bei einer Produktionszunahme von lediglich 2,1 Prozent. Allerdings gehört Wein trotz einem Ausstoß von mittlerweile immerhin rund 11 Millionen hl immer noch eher zu den Nischenerzeugnissen.

Auch für nicht-alkoholische Getränke geben die Chinesen mehr Geld aus, ohne zwangsläufig mehr zu trinken. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt das Resultat einer immer stärkeren Differenzierung des Angebots, wie es sich besonders gut im Mineralwassermarkt ablesen lässt. Beispielsweise brachte Marktführer Nongfu 2016 ein mit Mineralien angereichertes Premium-Tafelwasser in einer Designer-Glasflasche zum Preis von 50 CNY auf den Markt. Wasser in einer gewöhnlichen PET-Flasche (500 ml) kostet lediglich 3 CNY.

Nach wie vor gut laufen Getränke, von denen sich Verbraucher im Sinne von Gesundheit, Wellness oder Leistungsfähigkeit einen Zusatznutzen versprechen. Im Zuge der staatlichen Planungen, bis 2025 den Aufbau einer chinesischen Sportindustrie zu forcieren, dürften parallel hierzu entsprechende Energiedrinks künftig ebenfalls stärker gefragt sein. Für Limonaden ist dagegen ein weiterer Abwärtstrend zu erwarten, weshalb die Anbieter zunehmend kalorienreduzierte oder zuckerfreie Varianten anbieten.

Der amerikanische Coca-Cola-Konzern ist gegenwärtig dabei, sich komplett aus dem direkten kapitalintensiven und wenig gewinnbringenden Getränkeabfüllgeschäft in der VR China zurückziehen. Ende 2016 verkauften die Amerikaner ihre Anteile an ihren bisherigen Franchise-Partner China Foods, ein Ableger des COFCO-Konzerns, sowie an die Hongkonger Swire Pacific Limited.

Internetadressen

– Nationales Statistikamt China – Tageszeitung China Daily
– China Economic Information Network – Internetportal HC360
– China Academy of Agricultural Sciences (CAAS) – China National Food Industry Association
– China Meat Association (CMA) – Euromonitor Marktforschung
backnetz:eu