Detmold. (agf) Alle Jahre wieder richtet die Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung (AGF) die Detmolder Studientage aus, die sich vornehmlich an Lehrerinnen und Lehrer der Berufsbildenden Schulen richten für den Bereich Bäckerei. Die 29. Ausgabe in Zusammenarbeit mit dem Max Rubner-Institut (MRI) fand Ende Februar wie gewohnt auf dem Detmolder Schützenberg statt. Geschäftsführer Tobias Schuhmacher begrüßte zur dreitägigen Veranstaltung rund 80 Teilnehmende. Durch das breit gefächerte Tagungsprogramm, das aktuelle Themen aus Wissenschaft und Praxis aufgriff, führte Heiner Lucks als Vorsitzender des Ausbildungsausschusses.
Grundlagen zur Allergenkennzeichnung
Im ersten Beitrag informierte Alexander Meyer-Kretschmer über die rechtlichen Grundlagen zur Allergenkennzeichnung bei loser Ware und über noch offene Fragen der Vorläufigen Lebensmittelinformations- Ergänzungsverordnung (VorLMIEV), die bis Sommer 2015 geklärt sein sollen. Ebenfalls sprach er die Informationspflicht der Vorlieferanten an, die im Artikel 8 (6) LIMV geregelt ist. Abschließend betrachtete er die juristische Definition veganer Lebensmittel und resümierte, dass die Trennlinie zum Beispiel bei der Kennzeichnung von Spuren tierischer Lebensmittelbestandteile wegen der Neuheit des Trends noch nicht abschließend geklärt sei.
Einheitlicher Halal-Standard wäre wünschenswert
Im Vortrag von Dr. Hasan Taschan ging es schwerpunktmäßig um die Klassifizierung von «Halal-Food». Für 1,6 Milliarden Muslime weltweit respektive rund vier Millionen in Deutschland ist die Einteilung von «halal» (erlaubt, zulässig) und «haram» (unerlaubt, verboten) und ihre Basis im Koran oder aus Überlieferungen bedeutsam. Die Frage, welche Lebensmittel als haram gelten beantwortete er mit dem Grundsatz: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Bei der Vielfalt der am Markt als halal umworbenen Lebensmittel wäre ein einheitlicher Halal-Standard wünschenswert. Im zweiten Teil seines Vortrags ging er auf vegane Ernährung ein, die Beweggründe der Veganer, die ernährungsphysiologischen Auswirkungen veganer Ernährung und Probleme bei der Auslobung vegetarischer Lebensmittel.
Der Senior Experten Service (SES)
Im folgenden Vortrag stellte Klaus Heer, pensionierter Fachlehrer und Bäcker-und Konditormeister, den Senior Experten Service (SES) vor, in dessen Auftrag er in Kasachstan und in Malaysia Entwicklungs- und Aufbauhilfe in Bäckereien geleistet hat. Mit beeindruckenden Bildern machte er Werbung bei den Anwesenden, die Zeit des Ruhestands zu nutzen, das Expertenwissen für andere nutzbringend umzusetzen. In die gleiche Richtung ging auch das Projekt der Heiner Kamps-Stiftung «Brot gegen Not», das Heiner Lucks vorstellte. Er war vor einem Jahr für drei Monate in Nicaragua, um dort den Einheimischen backtechnisches Know-how aus Deutschland zu vermitteln.
Die Heiner-Kamps-Stiftung
Oliver Flodmann von der Heiner-Kamps-Stiftung warb in diesem Zusammenhang für das Weltwärtsprogramm. Gesucht werden junge Bäckergesellen und -meister (18 bis 28 Jahre) die bereit wären, für ein Jahr nach Malawi oder Bolivien oder anderswo zu reisen, um dort als Experten Bäcker anzuleiten.
Maßnahmen zur Förderung der Backqualität
Klaus Münzing vom Max-Rubner-Institut informierte über Maßnahmen zur Förderung der Backqualität bei Weizen und Weizenmehl mit geringen Proteingehalten. Er legte die Ursachen dar für die deutlich gestiegenen Proteingehalte und -qualitäten über die letzten Jahrzehnte. Die Bedeutung geringer Amylogrammwerte für Weizenmehl (= schwache Stärkebeschaffenheit) tritt in den Hintergrund gegenüber der Qualität des Proteingehalts.
Fachdidaktische Inhalte
Fachdidaktische Inhalte vermittelte Beate Diers unter dem Thema «Motivation, Inklusion und Differenzierung im Unterricht – ein best-practice-Beispiel». Dargelegt wurde Teilnahme einer heterogenen Lerngruppe am Roggen-Grand-Prix von der Planung bis zur Siegerehrung. Durch eigenständiges Handeln ist es möglich, lernschwachen Schülern mit Freude und Erfolg die «Kunst des Backens» zu vermitteln. Eine echte Motivation – auch für die Lehrer.
Das Wissensforum Backwaren
Über die Publikationen und die Ziele des gemeinnützigen Vereins «Wissensforum Backwaren» informierte dessen Vorsitzender Wilko Quante. Unter der URL wissensforum-backwaren.de sind sämtliche Publikationen verfügbar die über Backzutaten informieren, aber auch Auskunft über lebensmittelrechtliche und ernährungsphysiologische Fragen geben. Speziell für Backwarenhersteller und Fachverkäufer und Fachverkäuferinnen wird unter wissenwasschmeckt.de ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten gegeben, die Kunden interessieren. Ziel ist es im Dialog gemeinsam mehr Vertrauen und Transparenz zu erreichen.
Handlungsempfehlungen zur Mutterkornreduzierung
Über Handlungsempfehlungen zur Mutterkornreduzierung referierte Dipl. Ing. Klaus Münzing vom MRI. Von der richtigen Sortenwahl über die Bodenbearbeitung bis zur Ernte betrachtete er die Arbeitsschritte der Landwirtschaft, ebenso die Maßnahmen der Getreidebearbeitung in der Mühle, wie zum Beispiel das Scheuern, Bürsten und Pellen der Getreidekörner. Er legte auch dar, dass die «Ackerrand- und Blühstreifen Renaissance» den Bemühungen um Verringerung des Mutterkorns entgegenwirken, da die Wirtspflanzen für Mutterkorn sich genau dort in starkem Maße vermehren können.
Natürliches Vorkommen von Enzymen im Getreide
Jens Begemann vom MRI stellte das natürliche Vorkommen von Enzymen im Getreide vor. An einigen Beispielen zeigte er die Wirkungsweise von Enzymen und ihre Einsatzmöglichkeiten in Mühlen und Bäckereien.
Reduktion von Lebensmittelabfällen
Mit Empfehlungen für Handel, Handwerk und Verbraucher, die Lebensmittelabfälle bei Brot und Backwaren zu reduzieren, stellte Prof. Dr. Guido Ritter die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit vor. Mit Schlagworten wie «jedes 5. Brot wird entsorgt» oder «im Schnitt zehn Prozent der Produktion sind Retouren» führte er in das Thema ein. Ergebnis der Forschung: alle Beteiligten müssen für die Reduktion von Lebensmittelabfällen sensibilisiert werden und mit intensiver Kommunikation klare Strategien zur Begrenzung von Mengen und Vielfalt herbeiführen. Mehr zum Thema, mit dem sich auch viel Geld sparen lässt, gibt es unter fh-muenster.de/isun sowie essens-wert.net.
Einen Koffer voller Sinnesmuster
In einem zweiten Vortrag stellte er den «SenseBase» vor. Einen Koffer voller Sinnesmuster, um Mitarbeiter in Lebensmittelbetrieben die sensorische Selbstüberprüfung zu ermöglichen. Unsere Sinneswahrnehmung basiert auf Erfahrung und Training. Zusätzlich spielen Emotionen eine große Rolle. Zu trennen ist zwischen der Geschmacksbeurteilung durch den Verbraucher (Konsumenten- Perspektive) und der Geschmackswahrnehmung durch Prüfer (Unternehmens- Perspektive). Um die Letztgenannte vergleichbarer zu machen, kann der SenseBase gute Dienste leisten.
Untersuchungen zur Aussagesicherheit von Amylogrammen
Michael Meißner von der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung stellte junge Untersuchungen zur Aussagesicherheit des Amylogramms auf die Teig- und Gebäckeigenschaften durch vergleichende Versuche vor. Fazit der Untersuchungen: Steigende Fallzahlen bedingen trockenbackende Mehle. Die Mehlbehandlung sollte jedoch nicht in der Mühle vorgenommen werden, sondern beim Bäcker durch entsprechende Malzzugabe.
Der Einfluss des Knetens auf die Brot- und Brötchenqualität
Den Einfluss des Knetens auf die Brot- und Brötchenqualität erläuterte Stefan Creutz von der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung. Er stellte unter anderem das Kneten nach Zeit, Umdrehungszahl, Temperatur, Energieeintrag und Teigkonsistenz vor. Im Idealfall entsteht ein stabiles visko-elastisches dreidimensionales Netzwerk aus Eiweiß- und Stärkestrukturen. Fazit: stärkere Intensivknetung bedingt weichere Teige. Knetzeiten von fünf bis acht Minuten reichen aus; eine längere Quellknetung bringt keine bedeutsamen Volumenverbesserungen.
Grundvoraussetzungen für eine gute Verkaufspräsentation
Michaela Reichel, die Mitarbeiterschulungen von der Hygiene bis zum Verkaufsgespräch anbietet, formulierte in ihrem Vortrag Grundvoraussetzungen für eine gute Verkaufspräsentation. Gute Produktqualität, gute Einrichtung und Ausstattung und gut ausgebildetes und geschultes Verkaufspersonal bilden den unabdingbaren Dreiklang für langfristigen Erfolg. Mit vielen Details zum Verkauf zeigte sie die notwendige Flexibilität und den hohen Anspruch an das Verkaufspersonal.
Mit Kaffee und Tee rund um die Welt
Im kombinierten Vortrag referierten Cristian Cramer (Joliente Kaffee) und Jörg Blau (Althaus Tee) über die Anbaugebiete, die Sorten, die Aufbereitung und die Zubereitung von Kaffee und Tee. Von der breiten Palette der Zubereitungen konnten sich die Teilnehmer anschließend in einer Verkostung überzeugen.
Die 30. Detmolder Studientage finden vom 15. bis 17. Februar 2016 statt (agf).