Berlin. (vebu) Das Heidelberger Biotech-Unternehmen «The Cultivated B» hat bekannt gegeben, dass es mit einem zellkultivierten Wurstprodukt ins Vorverfahren der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eingetreten ist. Die EFSA-Zertifizierung als neuartiges Nahrungsmittel gilt als eine zentrale Voraussetzung für die groß angelegte kommerzielle Produktion. Jens Tuider, Chief Strategy Officer bei ProVeg International (ehemals Vegetarierbund), spricht von einem Meilenstein. Zelluläre Landwirtschaft beschäftigt innovative Unternehmen weltweit – und endlich auch die europäischen Behörden. «Wir erwarten, dass die erste greifbare EU-Zulassung für zellkultiviertes Fleisch dem wachsenden Sektor in Europa einen bedeutenden Schub geben wird», hofft Tuider.
Europa ist schon ein bisschen spät dran
Erst im Mai hat sich die EFSA in einem Symposium mit den Technologien hinter der zellulären Landwirtschaft beschäftigt, von der Zellkultur über das Tissue Engineering bis hin zur Präzisionsfermentation. Das Symposium fand in Erwartung von Anträgen in den kommenden Monaten und Jahren statt – Anträgen wie dem von The Cultivated B. «Die Zeit drängt: Europa sollte sich in dieser wichtigen Entwicklung weder von der Schweiz noch von den USA oder Singapur unwiderruflich überholen lassen», hofft Tuider. In der Schweiz hat ein Unternehmen im Juli den ersten Zulassungsantrag gestellt. Die US-Behörden haben im Juni zwei Unternehmen den Verkauf in Restaurants genehmigt und in Singapur steht ein Hybridprodukt mit zellkultivertem Tierfett bereits seit zwei Jahren zum Verkauf.
Die wirtschaftlichen Chancen sind groß
Die zelluläre Landwirtschaft erlaubt die Herstellung tierischer Nahrungsmittel in Inkubatoren, mit anderen Worten: ohne Tierhaltung. Die EFSA bewertet die Sicherheit dieser neuartigen Produkte für die europäischen Verbraucher. Die Bewertung fließt neben wirtschaftlichen, tierschutzrechtlichen und sozialen Aspekten in die Entscheidung der EU-Regulierungsbehörden über eine Marktzulassung ein. Auch der Weltklimarat beschäftigt sich bereits seit 2022 mit der zellulären Landwirtschaft. Die entsprechenden Technologien gelten als eine Möglichkeit, den Druck auf die endlichen natürlichen Ressourcen zu mindern.
Der Gewinn für den Umweltschutz ist immens
So kann Rindfleisch, das zellkultiviert und mit erneuerbaren Energien hergestellt wurde, zum Beispiel bis zu 92 Prozent weniger CO2-Emissionen verursachen als konventionell produzierte Produkte. Beim Flächenbedarf locken 95 Prozent und beim Wasserbedarf 78 Prozent Einsparungen. Tuider: «Der Antrag aus Heidelberg ist eine wunderbare Nachricht für den Innovationsstandort Deutschland – und verspricht neue nachhaltige Arbeitsplätze» (Foto: pixabay.com).
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