Glasgow / Schottland. (esp) Hoch verarbeitete Lebensmittel in Verbindung mit Kennzeichnungslücken sind hauptverantwortlich für die epidemische Zunahme von Lebensmittelallergien, besonders bei Kleinkindern. So lassen sich Forschungsergebnisse zusammenfassen, über die die Europäische Gesellschaft für Kindergastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) dieser Tage im schottischen Glasgow diskutierte. Eine bessere Aufklärung halten die ESPGHAN-Forscher für dringend geboten.
Im Fokus: Advanced Glycation End Products (AGEs)
Experten auf der 52. Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kindergastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN – European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) präsentierten Anfang Juni (2019/06/07) Forschungsergebnisse, die zeigen, dass höhere Konzentrationen von so genannten «fortgeschrittenen Glykierungsendprodukten» (Advanced Glycation End Products, AGEs), die in Junk Foods im Überfluss vorkommen, mit Lebensmittelallergien bei Kindern in Verbindung gebracht werden.
Universität Neapel fand überzeugende Beweise
Forscher der Universität Neapel «Federico II» beobachteten drei Gruppen von Kindern im Alter von 6-12 Jahren: Kinder mit Nahrungsmittelallergien, Kinder mit Atemwegsallergien und gesunde Kinder ohne Allergien. Sie fanden heraus, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem subkutanen Niveau von AGEs und dem Konsum von Junk Food gibt. Außerdem ergab die Untersuchung, dass Kinder mit Nahrungsmittelallergien einen höheren Anteil an AGEs aufwiesen als Kinder mit Atemwegsallergien oder gar keinen Allergien. Das Forschungsteam fand auch überzeugende Beweise für den Wirkmechanismus, der von AGEs bei der Bestimmung von Lebensmittelallergien hervorgerufen wurde.
AGEs begünstigen auch Diabetes und Arteriosklerose
AGEs sind Proteine oder Lipide, die, nachdem sie Zucker ausgesetzt wurden, glykosyliert werden und in Junk Food in hohen Konzentrationen vorhanden sind – sie lassen sich auf Zucker, verarbeitete Lebensmittel, in der Mikrowelle erhitzte Lebensmittel und gebratenes oder gegrilltes Fleisch zurückführen. Es ist bekannt, dass AGEs eine Rolle bei der Entwicklung von Diabetes, Arteriosklerose und neurologischen Erkrankungen spielen, aber dies ist das erste Mal, dass ein Zusammenhang zwischen AGEs und Lebensmittelallergien gefunden wurde.
Lebensmittelallergien nehmen weltweit dramatisch zu
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die Verbreitung von Lebensmittelallergien zunimmt, besonders bei Kleinkindern, und in einigen Ländern liegt die Häufigkeit bekanntlich bei bis zu zehn Prozent. Ebenso hat der Verbrauch von hoch verarbeiteten Lebensmitteln, die bis zu 50 Prozent der gesamten täglichen Energieaufnahme in den europäischen Ländern ausmachen, dramatisch zugenommen.
Diätetische AGEs: Das fehlende Glied in der Beweiskette?
Forschungsleiter Roberto Berni Canani: «Bestehende Modelle von Lebensmittelallergien erklären nicht den dramatischen Anstieg, der in den letzten Jahren beobachtet wurde – daher könnten diätetische AGEs das fehlende Glied sein. Wir brauchen weitere Untersuchungen, um dies zu bestätigen und die Argumente für Regierungen zu stärken, die Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Einschränkung des Konsums von Junk Food bei Kindern zu verbessern.»
Wie so oft: Aufklärung und Vorsorge sind der Schlüssel
Isabel Proaño von der EFA (European Federation of Allergy and Airways Diseases Patients‘ Associations) fügt hinzu: «Angehörige der Gesundheitsberufe und Patienten haben keinen Zugang zum nötigen Fachwissen, um sich adäquat mit einer Krankheit auseinandersetzen zu können, die die Lebensqualität dramatisch beeinträchtigt. Die industrielle Verarbeitung von Lebensmitteln in Verbindung mit Kennzeichnungslücken sind nicht förderlich. Wir fordern die Gesundheitsbehörden auf, in der Vorsorge eine bessere Aufklärung zu betreiben und bei Menschen mit Lebensmittelallergien eine bessere Pflege zu ermöglichen» (Foto: พงษ์ดนัย ทองเกษม auf pixabay.com).
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