Sonntag, 3. Dezember 2023
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20190430-GUELLE

EU-Kommission: fordert dringend Nachbesserung der Düngeverordnung

Berlin. (eb) Zur nationalen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie in Deutschland ist am 01. Mai 2020 eine neue Düngeverordnung (DüV) in Kraft getreten. Wer die Diskussion verfolgt hat kann sich erinnern, dass das Thema hierzulande ein ziemlich heißes Eisen ist. Der Deutsche Bauernverband und ihm folgend die deutsche Agrarpolitik haben über Generationen versäumt, die Weichen rechtzeitig in Richtung Zukunft zu stellen. Daraufhin mussten 2019 sowohl Bundesministerin Svenja Schulze (BMU) als auch Bundesministerin Julia Klöckner (BMEL) versuchen zu retten, was noch zu retten ist – angesichts in Aussicht gestellter Strafzahlungen, die den deutschen Steuerzahler bis zu 850’000 Euro Zwangsgeld pro Tag kosten können. 310 Millionen Euro pro Jahr, die sich auch anderswo gut verwenden ließen.

Hintergrund: Mit Urteil vom 21. Juni 2018 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Deutschland die Nitrat-Richtlinie verletzt. Der Verstoß liegt darin, dass die Bundesrepublik im September 2014 keine weiteren «zusätzlichen Maßnahmen oder verstärkte Aktionen» zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus der Landwirtschaft ergriffen habe, obwohl deutlich gewesen sei, dass die bis dahin ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichten. Die am 02. Juni 2017 in Kraft getretene novellierte Düngeverordnung war nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern die alte Düngeverordnung von 2006. Auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs sieht die Europäische Kommission allerdings auch Anpassungsbedarf an der Düngeverordnung aus 2017. Wie sich jetzt herausstellt, sieht sie den Anpassungsbedarf auch an der Düngeverordnung aus 2020. In der Bundespolitik und in Abstimmung mit dem Deutschen Bauernverband war das wohl der kleinste gemeinsame Nenner, der (a) von der konventionellen Agrarindustrie kein Umdenken verlangte und (b) den Schutz unseres Trinkwassers weiter unter «ferner liefen» behandelte.

EU-Kommission fordert belastbare Daten und fundierte Begründungen

Es war vorherzusehen, dass die Europäische Kommission noch einmal auf den Gewässerschutz in Deutschland zurückkommen würde. Vor wenigen Wochen nun erhielten Bundesministerin Svenja Schulze (BMU) und Bundesministerin Julia Klöckner (BMEL) Post von Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt Ozeane und Fischerei. In dem Schreiben äußert der EU-Kommissar seine Befürchtung, dass Deutschland möglicherweise dem Urteil des Gerichtshofs und der Nitratrichtlinie nicht nachkommt. Er fordert daher Deutschland dringend auf, die Ausweisung der Gebiete, in denen zusätzliche Maßnahmen gelten werden, zu überprüfen und fundierte Begründungen für die Gebiete vorzulegen, in denen eine Belastung festgestellt wurde, das Gebiet aber dennoch nicht wie in der DüV vorgesehen als belastetes Gebiet ausgewiesen wurde. Andernfalls müsse Sinkevičius erwägen, der Kommission vorzuschlagen, den Fall gemäß Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unter Angabe der Höhe des von Deutschland zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie unter den gegebenen Umständen für angemessen hält, vor den EuGH zu bringen.

Download: Das auf den 24. Juni 2021 datierte Schreiben von EU-Kommissar Virginijus Sinkevičius an die beiden Bundesministerien liegt uns im Format PDF vor und gibt es hier zum Herunterladen.


Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat am 06. Juli eine Stellungnahme verfasst für BMU und BMEL zur Umsetzung der Nitratrichtlinie. Die Stellungnahme im Wortlaut:

Zur nationalen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie in Deutschland ist am 1. Mai 2020 eine neue Düngeverordnung (DüV) in Kraft getreten. Die DüV sieht verstärkte Maßnahmen insbesondere in den Gebieten vor, in denen eine Nitratbelastung im Grundwasser hoch ist und Oberflächenwasser von Eutrophierung betroffen ist. Die neue DüV wurde seitens der Europäischen Kommission als Schritt zur vollständigen Umsetzung der Nitratrichtlinie und des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-543/16 begrüßt.

Auf der Grundlage der DüV hat die Bundesregierung vergangenen November eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassen, mit der eine harmonisierte Methode für die Ausweisung konkreter Gebiete, in denen diese verstärkten Maßnahmen Anwendungen finden sollen, durch die Bundesländer festgelegt wird. Mit Schreiben vom 24. Juni 2021 hat der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der verstärkten Maßnahmen in mit Nitrat belasteten und durch Phosphat eutrophierten Gebieten geäußert.

Dazu informiert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL):

Für die Ausweisung der mit Nitrat belasteten und durch Phosphat eutrophierten Gebiete sind die Länder verantwortlich. Zur Unterstützung der Bundesländer hat das BMEL im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium (BMU) und den Ländern eine Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung erarbeitet, um eine bundeseinheitliche und verursachergerechte Ausweisung der belasteten Gebiete durch die Länder sicherzustellen.

Die Verwaltungsvorschrift ist am 11. November 2020 in Kraft getreten. Die Bundesländer hatten bis Ende 2020 Zeit, ihre als belastet ausgewiesenen Gebiete zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

Die Kritikpunkte der Europäischen Kommission, nämlich

  • die Ausweisung der mit Nitrat und durch Phosphat belasteten Gebiete zu überprüfen und
  • fundierte Begründungen für die Fälle vorzulegen, in denen belastete Überwachungsstellen außerhalb der ausgewiesenen Gebiete liegen

richten sich damit in erster Linie an die Länder. Die Länder müssen bei der Aufklärung mitwirken, wie die von der Kommission aufgeworfenen Punkte zustande gekommen sind.

Das BMEL ist bestrebt, in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission das weitere Vorgehen abzustimmen und alle offenen Fragen zu klären. Da die Länder wesentlich für die Umsetzung der Vorgaben für die Gebietsausweisung verantwortlich sind, werden wir sie dabei auch in die Pflicht nehmen.

Bei den geäußerten Bedenken handelt es sich um sehr technische Vorgänge. Daher ist ein intensiver Austausch mit der Kommission erforderlich. Das BMEL wird daher gemeinsam mit dem BMU der Kommission vorschlagen, zeitnah die angesprochenen Kritikpunkte zu erörtern und auch Ländervertreter an diesen Gesprächen beteiligen.


Erneute Ohrfeige für jahrelange Versäumnisse beim Grundwasserschutz

Die unmissverständliche Aufforderung der EU-Kommission an Deutschland, die unzureichende Umsetzung der Düngeverordnung von 2020 deutlich nachzubessern, kommentiert Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), wie folgt:

Die Androhung der EU-Kommission, Deutschland wegen seiner jahrelangen Versäumnisse beim Schutz des Grundwassers vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, ist eine erneute Klatsche für die Bundesregierung. Die erst ein Jahr alte Düngeverordnung, die das Grundwasser vor Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft schützen sollte, ist damit schon wieder hinfällig. Besonders schwer wiegt der Vorwurf der Kommission, 80 Prozent der Grundwasser- Überwachungsstellen und 96 Prozent der eutrophierten, also mit besonders viel Nitrat belasteten Oberflächengewässer lägen außerhalb der sogenannten roten Gebiete. Die Ausweisung dieser mit gesundheitsschädlichem Nitrat belasteten Gebiete erfolgte offensichtlich nicht nach wissenschaftlichen Kriterien. Um gewaltige Strafen zu Lasten der Steuerzahler nun zu vermeiden, muss die Bundesregierung unverzüglich handeln und ein Düngerecht vorgeben, das den Schutz des Wassers, unseres wichtigsten Nahrungsmittels, endlich sicherstellt. Das Schreiben der EU-Kommission verdeutlicht einmal mehr, dass die DUH-Klage gegen die Bundesregierung wegen der Nicht-Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie dringend notwendig ist (Foto: pixabay.com).

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