Hamburg. (eb) Die Staaten der Europäischen Union haben sich in dieser Woche mehrheitlich für ein neues Bio-Recht ausgesprochen. Deutschland hatte sich sowohl bei der informellen Abstimmung im Sonderausschuss Landwirtschaft enthalten (Montag) als auch bei der Abstimmung im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments (Mittwoch). Zwar fiel die Entscheidung denkbar knapp aus, doch mehrheitlich für die neue EU-Öko-Verordnung. Damit hat die umstrittene Reform eine der letzten wichtigen Hürden genommen und es geht ein jahrelanges Tauziehen zu Ende, das ungefähr um 2005 herum begann. Endgültig angenommen wird die Neuregelung wohl erst auf einer Ratssitzung im Dezember oder Januar und könnte Anfang 2021 in Kraft treten. Der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, sagt dazu:
BÖLW sieht noch viele Baustellen
«An vielen Stellen ist das neue EU-Bio-Recht noch nicht zufrieden stellend. Es war daher richtig und konsequent von der Bundesregierung, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Die EU-Kommission muss jetzt zusammen mit dem -Parlament und dem -Agrarrat dafür sorgen, dass die Schwachpunkte der neuen Öko-Basis-Verordnung über die Detailregelungen behoben werden».
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (BMEL) habe in den letzten Monaten dazu beigetragen, grobe Fehler aus den Entwürfen zu tilgen. Auch die klare Haltung der Bundesländer sei entscheidend gewesen, deren hohe Kompetenz durch ihre Zuständigkeit für die Bio-Kontrolle begründet ist. Das knappe Abstimmungsergebnis der EU-Staaten zeige, dass noch eine Reihe offener Fragen zu klären sind. Brüssel sei nun in der Verantwortung, den Sorgen der Bundesländer und der Bio-Unternehmern mit praktikablen Lösungsvorschlägen beim Durchführungsrecht zu begegnen.
Felix Prinz zu Löwenstein: «Beim neuen Bio-Recht geht es um die Wünsche der Verbraucher und die Bedürfnisse der über 40.000 Unternehmen in Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und Handel. Sie alle arbeiten zusammen, damit mehr Klima- und Artenschutz, Umwelt und Tierschutz in Landwirtschaft und Ernährung möglich werden».
Bauernverband unterstützte Antrag auf Verschiebung
Für die Chronisten: Der Deutsche Bauernverband (DBV) hatte im Vorfeld einen Antrag von Bundesminister Christian Schmidt bei der EU unterstützt, der die Verabschiedung der Revision der EU-Öko-Verordnung vom 20. November 2017 gerne auf Januar 2018 verlegt hätte. Dies hatten DBV und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gemeinsam dringlichst empfohlen. Denn der rechtstechnisch überarbeitete und um Erwägungsgründe ergänzte Revisionsvorschlag lag erst eine Woche vor Abstimmung vor, wobei es bei den im EU-Recht wichtigen Erwägungsgründen umfangreiche Änderungen gegeben haben soll.
Agrarpolitischer Sprecher sieht «wegweisende Entscheidung»
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Berichterstatter für die Öko-Verordnung, sieht die umstrittene Reform dagegen in einem ganz anderen Licht:
«Ich sehe in der künftigen Verordnung einen enormen Fortschritt für die ökologisch arbeitenden Landwirte, aber für die Bio-Lebensmittelbranche insgesamt und nicht zuletzt natürlich für den Verbraucher. Gerade die Kunden werden in Zukunft noch mehr auf die Qualitäten des biologischen Landbaus vertrauen können. Dabei geht es etwa darum, dass die Landwirte, aber auch die Verarbeiter ihre Öko-Ware besser vor ungewollten Kontaminationen durch Pestizide aus der konventionellen Landwirtschaft zu bewahren.
«Ich sehe darin ein klares Plus zur Stärkung des Vertrauens in die Leistungen des ökologischen Landbaus und damit eine Stärkung des Bio-Siegels insgesamt. Das Vertrauen in die Erzeugnisse ist das höchste Gut, das Öko-Bauern und Öko-Hersteller besitzen. Die neue Verordnung wird helfen, dieses unwiederbringliche Kapital zu schützen.
«Die Verbraucher aber auch der gesamte binnenländische Öko-Markt werden darüber hinaus von neuen Importregelungen profitieren. Das künftige Reglement wird dafür sorgen, dass Importe zweifelhafter Herkunft unmöglich werden, da nunmehr die europäischen Anbauregelungen auch für Einfuhren aus Drittstaaten gelten.
«Mit dem neuen Regelwerk geht zudem ein langgehegter Wunsch der Branche nach Abweichung vom sonst üblichen Saatgutrecht in Erfüllung. Bio-Saatgut muss nicht länger Industrie- freundlichen Kriterien etwa zur Gleichförmigkeit Stand halten. Damit ist endlich der Weg frei für die kommerzielle Verwendung alter Landsorten, die nunmehr frei vermarktet werden dürfen» (Foto: pixabay.com).
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