Montag, 4. November 2024
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Fickenscher: Durch Digitalisierung gutes Handwerk erhalten

Münchberg. (usp) Bei der Bäckerei Fickenschers Backhaus GmbH überzeugen zum einen der ganzheitliche Ansatz der Digitalisierung im Betrieb, aber auch die Zielsetzung, die damit verfolgt wird: Den Beruf des Bäckers wieder attraktiver zu machen und Zeit für das eigentliche Handwerk zu gewinnen. Genau mit dieser Begründung erhielt das Unternehmen um die amtierende Generation Fickenscher 2018 den Zukunftspreis der Handwerkskammer Oberfranken. Weil das der erste Zukunftspreis war, den die Kammer je vergeben hat, wird sie genau hingesehen haben. «Amtierende Generation», weil sich die Brüder Andreas Fickenscher und Florian Fickenscher in einer langen Tradition sehen, die ihr Wissen seit 1625 von Generation zu Generation weitergibt – in nunmehr 396 Jahren Backtradition.

Seither ist viel über die Handwerksbäckerei, ihre Philosophie und Erzeugnisse geschrieben worden. Die Verwurzelung in der Region. Brote und Gebäcke, die sich aus diesem Bewusstsein heraus fast organisch entwickeln. Doch bevor eine solche Entwicklung überhaupt eintreten kann, muss sich ein entsprechendes Bewusstsein oder/und Selbstverständnis bilden. Das wiederum fällt nicht einfach so vom Himmel, sondern ist das Ergebnis einer aufrichtigen und permanenten unternehmerischen Reflexion. Dafür braucht es Zeit. Was sonst als Digitalisierung kann heute den Raum für Prozesse schaffen, die diese Zeit benötigen?

Die Zukunft kommt bestimmt. Fragt sich nur wann…

Beklagt sich das organisierte Bäckerhandwerk einerseits über die ausufernden und veralteten Prozesse einer bürokratischen Verwaltung auf mehreren Ebenen, wie zum Beispiel in der letzten Woche die Innungsbetriebe im Einzugsbereich der BKV Nord, dann ist daran nichts auszusetzen. Weil es stimmt: Um bürokratische Prozesse einer Verwaltung zu bedienen, die mit ihrem Instrumentarium und Selbstverständnis noch stark im letzten Jahrhundert verhaftet ist, müssen produktive Unternehmen heute im Schnitt 20 Prozent mehr Zeit und Geld aufwenden. Bund, Länder und Kommunen nehmen sich die Freiheit, die Modernisierung ihrer Prozesse immer weiter aufzuschieben. Während jedes Unternehmen, das mit seiner Produktivität überhaupt erst dazu beiträgt, dass der Laden rundlaufen kann und sich die Kreise schließen, unter den Kosten ächzt, die zunehmend schwer wiegen – je weiter die Schere auseinander geht zwischen zeitgemäß organisierten Betrieben und den in der Vergangenheit verharrenden Verwaltungen.

Der Schaden durch die verschleppte Digitalisierung ist enorm

Über den betriebswirtschaftlichen Schaden, den die mangelhafte Digitalisierung Jahr für Jahr verursacht, denkt man am besten nicht nach. Doch auch volkswirtschaftlich betrachtet ist der Schaden enorm, weil die mangelhafte Digitalisierung die Wahrnehmung einer Entwicklung trübt, die um Deutschland herum längst eingesetzt hat. Weil die verzerrte Wahrnehmung dazu führt, dass wir uns viel zu lange auf «alte Industrien» verlassen. Weil der getrübte Blick allfällige Entwicklungen nur langsam zulässt und Schwerpunkte falsch setzt. Um Wirtschaft zu «entfesseln», braucht es – unter dem Eindruck der Pandemie und den damit verbundenen Wirtschaftshilfen – zum Beispiel keine Steuersenkungen für die oberen Zehntausend. Es braucht nur endlich eine durchgängige Digitalisierung für alle. Damit Ressourcen nicht länger für die Administration veralteter Verwaltungsvorgänge verbrannt werden müssen, sondern sinnvoll in kreative unternehmerische Prozesse investiert werden können.

Die Antwort kann nur lauten: Prozesse rechtzeitig digitalisieren

Nur mal angenommen, Deutschlands Verwaltungen kriegen das mit der Digitalisierung irgendwann noch mal hin, dann ist nicht davon auszugehen, dass sich am Volumen der Verwaltungsvorgänge irgendwas ändert. Eher ist davon auszugehen, dass die Zahl der Verwaltungsakte in dem Maß zunimmt, wie Kennzahlen über irgendeine API-Schnittstelle abgefragt werden können. Oder anders herum: Ist ein Unternehmen von A bis Z digitalisiert, wird es ihm wurscht sein, welche Kennziffern eine Verwaltung abruft, weil diese Kennziffern wahrscheinlich längst vorhanden sind und nur übertragen werden müssen. Ist ein Unternehmen dagegen nicht von A bis Z digitalisiert, wird es unter den möglichen, erweiterten Anforderungen vielleicht zusammenbrechen – weil es die Ressourcen nicht hat, um erweiterte Anforderungen analog zu bedienen.

Das ist ein Szenario, das nicht eintreffen muss, aber möglich ist. Wer sein Handwerk bewahren will, verschafft sich die Zeit dafür durch Digitalisierung. Denn nur eine strategisch sinnvolle Digitalisierung wird künftig den Raum für Dinge lassen, die im Tagesgeschäft ihre Zeit brauchen für gutes Brot und Gebäck.

Durch zielgerichtete Digitalisierung gutes Handwerk erhalten

Das ist die «andere Seite» der Berichte und Reportagen über Geschichte, Philosophie und Erzeugnisse der Bäckerei Fickenscher. Für die die Brüder Fickenscher in 11. Generation die Ehre haben, das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Die den Betrieb von A bis Z digitalisierten, um sich wieder auf ihr Handwerk besinnen zu können. Die nicht zögerten, ein Worst-Case-Szenario anzunehmen, um rechtzeitig vorbereitet zu sein. Frei nach dem Motto: Die Zeiten ändern sich, gutes Handwerk soll bleiben.

Gutes Handwerk fängt nicht erst in der Backstube an und hört nicht schon an der Ladentheke auf. Doch das auseinander zu klamüsern, würde jetzt zu weit führen. Eigentlich wollten wir nur kurz erzählen, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dieser Tage Station in Münchberg machte und Fickenschers Backhaus einen Besuch abstattete. Andreas Fickenscher und Florian Fickenscher informierten den Minister über die Unternehmensgeschichte, ihre Philosophie und Erzeugnisse. Besonders interessierten den Minister demnach die Themen Digitalisierung im Unternehmen, Fachkräftegewinnung (für Fickenschers kein Thema …) und die Herausforderungen im Handwerk. Ein toller Einblick sei das gewesen in ein Unternehmen, das mit regionalem Bewusstsein und der Einbindung von digitalen Prozessen an den richtigen Stellen zukunftsgerichtet arbeitet (TitelFoto: pixabay.com – TextFotos: Christian Zuber).