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20181004-STARTSCHUSS

FMCG: Start-ups sind die Helden der Szene

Nürnberg. (eb) Brexit, Handelskrieg, Regierungsknatsch – die gute Konsumlaune der deutschen Verbraucher kann derzeit nichts erschüttern. Weil nämlich offenbar auch die deutsche Konjunktur schwerlich zu erschüttern ist, heißt es im Consumer Index 08/2018 der GfK Marktforschung. Was soll schon Neues drinstehen, erinnern wir uns an die deutlich wärmeren Kalendermonate April, Mai, Juli sowie die Tatsache, dass sich der August davon nicht sonderlich unterschied. Manche Bäckerei hatte das mit Blick auf den Umsatz an die Belastungsgrenze gebracht. Die Beweisführung für diese Probe war spätestens während der iba 2018 in München erbracht, als Aussteller aus dem Food-Segment hinter vorgehaltener Hand die Umsatzrückgänge seitens der Zulieferindustrie bestätigten. Was also soll uns der «Consumer Index August 2018» erzählen, was wir aus dem «Consumer Index Juli 2018» nicht schon wissen?

Er hat nicht gleich komplett das Thema gewechselt, kommt aber auf strukturelle Möglichkeiten und Chancen durch die Digitalisierung zu sprechen, auf die wir in der Regel zu wenig achten. Dabei kommen diese «neuen Möglichkeiten» laut GfK zuvorderst Kleinunternehmen und Start-ups zugute, denn: Vor allem die junge Generation sucht zusehends, ihr Lebensgefühl mittels Produkten und Marken junger Start-ups auszudrücken. Die Bedarfsdeckung findet nicht mehr nur über die großen Marken statt, sondern immer öfter über kleine Szene-Marken, weil Letztere einen Bedarf decken, den Erstere schon seit Jahren vernachlässigen: die Spiegelung des Lebensgefühls.

Beispiele für die Helden der Szene

Beispiele für diese kleinen Szene-Marken heißen «FollowFish», «Fritz-Kola», «MyMuesli», «AnkerKraut», «Veganz», «Gustavo Gusto», «Little Lunch», «Just Spices», «Lizza Pizza». Von ihnen werden sich vermutlich nur sehr wenige zu größeren Marken entwickeln, wahrscheinlicher ist sogar, dass einige wieder vom Markt verschwinden. Und man sollte sich auch darüber bewusst sein, dass der größte Teil der Start-ups die Stellung der hier erwähnten Beispiele niemals erreichen wird. Es werden jedoch mehr und mehr neue Start-ups entstehen und auf den Markt drängen. Die Menge der sich gründenden Start-ups ist dabei weniger der Nachfrage geschuldet als den strukturellen Möglichkeiten und Chancen durch die Digitalisierung. Das erklärt die GfK wie folgt:

Independent Labels sind im Aufwind

Wer kennt noch die früheren, analogen Strukturen der Musikwelt? Da gab es die großen Helden, die Stadien füllten. The Rolling Stones, David Bowie, The Pet Shop Boys, U2, Scorpions sind nur einige dieser globalen Stars. Vielen Musikfreaks wurden diese Stars aber irgendwann zu groß, zu etabliert. Sie waren ihnen vor allem nicht mehr kreativ und innovativ genug. Zudem wollten diese Musikfans wieder mehr Nähe zu den Bands. Die großen Stadien mit ihren bombastischen Sound- und Lichtshows waren nicht das Erlebnis, das sie suchten. Sie liebten die kleinen Szene-Clubs, in die ein paar hundert Menschen passten und in denen man selbst, wenn man an der Tür zur Toilette stand, den Musikern näher war als ganz vorne am Rand der Bühne in den großen Arenen.

Und vielen jungen Musikern ging es ähnlich, sie wollten ihre Musik machen und sich nicht knebeln lassen von den – häufig als rein kommerziell angesehenen – Vorgaben der großen Schallplatten-Labels. Die junge Generation der Musiker wollte unabhängig bleiben, und so bildete sich seit den 1980er Jahren eine vitale, stetig wachsende Independent-Musikszene heraus. Bands wie Pulp, The Go-Betweens, The Smiths, REM, My Bloody Valentine, Nirvana, Sonic Youth, Radiohead, Beck, später Franz Ferdinand, Artic Monkeys sind nur wenige Beispiele. Einige dieser Bands wurden große Stars, andere blieben Helden der Subkultur.

Diese kurze Geschichte aus der Musikwelt macht vielleicht leichter verständlich, was heute im FMCG-Markt zu beobachten ist. Wir haben die großen Stars, die großen Marken, die noch immer sehr gute Produkte herstellen, sich aber häufig sozial und emotional weit von einer kreativ-innovativen jungen Generation von Shoppern entfernt haben. Die großen Markenhersteller sind häufig zu ideenlos und vor allem zu träge, um die Bedürfnisse dieser Generation zu befriedigen. Sie füllen mit ihren bekannten, traditionellen Produkten vielleicht noch ‘Stadien’, das heißt ihre Käuferreichweite ist weiterhin sehr groß. Aber die Lücken auf den Tribünen, vor allem jedoch im Innenraum, wo die Fans stehen, die nicht nur den funktionalen Produktnutzen mögen, sondern das damit vermittelte Lebensgefühl, diese Lücken werden größer. Die Produkte der großen Marken werden weiterhin gekauft, aber nicht mehr so selbstverständlich und nicht jedes Mal, wenn in der Kategorie zugegriffen wird. Die großen Marken sind eben Mainstream, sie liefern nur noch selten echtes Lebensgefühl. Heute verteilen die Shopper ihre Ausgaben stärker auf die Herstellermarken, auf Handelsmarken und Start-ups.

Damit sind wir bei der bereits erwähnten GfK-These angelangt, nach der vor allem die junge Generation zusehends versucht, ihr Lebensgefühl mittels Produkten und Marken junger Start-ups auszudrücken. Die Bedarfsdeckung findet nicht mehr nur über die großen Marken statt, sondern immer öfter über kleine Szene-Marken, weil Letztere einen Bedarf decken, den Erstere schon seit Jahren vernachlässigen: die Spiegelung des Lebensgefühls.

Schlussfolgerung

Die vollständige Erörterung finden Interessenten im GfK Consumer Index 08/2018. Ergänzend wollen wir hinzufügen, dass ein junges Start-up auch ein Synonym sein kann … zum Beispiel für eine junggebliebene Marke, einen flexiblen Kleinbetrieb oder was auch immer. Eines der Zauberworte scheint Unabhängigkeit zu sein. Nicht eingebunden, standardisiert und reglementiert durch ein Konzerndach. Sondern authentisch nach eigenem Gusto (Foto: pixabay.com).

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