Berlin. (bmel) Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Verlängerung der Genehmigung von Glyphosat hat im Ständigen Ausschuss der EU-Kommission für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel keine qualifizierte Mehrheit gefunden. Zu viele Mitgliedsstaaten hatten Bedenken gegen das Vorhaben vorgetragen. Kritikpunkte waren vor allem die fehlenden Daten zu den Auswirkungen auf Biodiversität, Böden und Gewässer.
Dazu sagt Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): «Glyphosat schädigt unzweifelhaft die Biodiversität. Deshalb hat Deutschland der Genehmigungsverlängerung von Glyphosat so wie zahlreiche andere Mitgliedsstaaten nicht zugestimmt. Die EU-Kommission ist gut beraten, dieses Signal und das Artensterben in Europa ernst zu nehmen. Sie ignoriert mit ihrem Vorschlag das im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip und schiebt die Verantwortung für die Artenvielfalt sowie den Schutz unserer Gewässer allein auf die Mitgliedstaaten. Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat der Biodiversität schadet, sollte sie keine Wiedergenehmigung von Glyphosat zulasten der Artenvielfalt durchsetzen.»
Bisher steht auf EU-Ebene keine anerkannte wissenschaftliche Methode zur Bewertung des Risikos für die Artenvielfalt zur Verfügung. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit braucht ein Mandat zur Entwicklung einer solchen Methode, übergangsweise könnte die von Deutschland bereits vorgestellte Interimsmethode zur Bewertung der Biodiversität verwendet werden. So können Datenlücken schnell und zuverlässig geschlossen werden. Wenn auch noch in 10, 20 oder 50 Jahren gute Ernten möglich sein sollen, müssen die Artenvielfalt und damit die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme als Grundlage der Landwirtschaft erhalten bleiben. Das Ziel des BMEL ist deshalb eine Landwirtschaft in Deutschland, die nachhaltiger, ökologischer und damit zukunftsfester ist. Der Beschluss wird nun gesichtet und darüber beraten, was zu tun ist, um Artenvielfalt, Gewässer und Böden angemessen auf nationaler Ebene zu schützen und die Ziele des Koalitionsvertrages in dem nun vorgegebenen unionsrechtlichen Rahmen weiter verfolgen zu können.
Bioland zur Abstimmung: «Die deutsche Enthaltung ist traurig»
Mainz. (14.10. / bl) In einer Abstimmung fand der Vorschlag der EU-Kommission einer zehnjährigen Verlängerung von Glyphosat keine Mehrheit. Die Entscheidung fällt im Berufungsausschuss im November, berichtet der Bioland Verband. Wo Glyphosat ausgebracht wird, sterben Pflanzen vollständig ab, Arten verlieren ihre Lebensgrundlage, Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht. Dass es zusätzlich auch noch krebserregend für den Menschen ist, hält die Weltgesundheitsorganisation für wahrscheinlich. Gerichte in den Vereinigten Staaten sehen dies bereits als erwiesen an und verurteilen Glyphosat-Anbieter zu hohen Schadensersatzsummen. Diese drastischen Warnzeichen können und dürfen nicht weiter ignoriert werden.
«Dass der EU-Rat jetzt nicht mehrheitlich für den Vorschlag der EU-Kommission für zehn weitere Jahre Glyphosat gestimmt hat, ist ein sehr gutes Zeichen. Totalherbizide wie Glyphosat gehören nicht zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Die Ratsmitglieder haben mit ihrem Votum unterstrichen, dass ihnen der Schutz von Arten und Menschen wichtiger ist als der Profit der großen Konzerne. Die EU-Kommission sollte nun den einzig richtigen Schluss daraus ziehen und ihren Vorschlag zu einer Verlängerung zurücknehmen», sagt Bioland-Präsident Jan Plagge.
«Die Enthaltung Deutschlands bei dieser so wichtigen Abstimmung, ist mehr als traurig und widerspricht den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags, in dem das Aus für den Einsatz von Glyphosat in Deutschland angekündigt wurde. Es braucht dringend eine Reduzierung der Pestizidmenge, um dem voranschreitenden Artensterben zu begegnen, das ist auch für uns Menschen existenziell. Das sollte Konsens sein, auch in der Bundesregierung», ergänzt Plagge.
Anhang Gute Öko-Landbaupraxis: Es geht auch ohne Glyphosat und Co.
Ein ertragreicher Landbau ohne chemisch-synthetische Pestizide ist möglich. Das zeigen die vielen Betriebe, die nach den Prinzipien des Ökolandbaus arbeiten. Zu dieser naturnahen und vorbeugenden Arbeitsweise gehören ausgeklügelte Fruchtfolgen, die Förderung von Nützlingen, das Abdecken von Flächen mit Mulch, eine durchdachte Sortenwahl und auch die mechanische Unkrautregulierung. Bei letzterer gehen Öko-Landwirte behutsam vor: Der Einsatz von mechanischen Geräten wird auf ein Minimum reduziert und es wird besonders auf den richtigen Zeitpunkt der Bearbeitung, die aktuelle Witterung und die Bodenbeschaffenheit geachtet, um die gute Bodenstruktur sowie das Bodenleben zu erhalten und zu fördern. Der Einsatz aktueller Technik ermöglicht dabei ein immer präziseres Arbeiten, nah an der Kulturpflanzenreihe.
Das Ziel ist dabei ein anderes als beim Einsatz von Glyphosat: Statt alle Pflanzen in der Breite zu vernichten, soll der Anteil von Beikraut auf ein Niveau reduziert werden, der den Ertrag der Kulturpflanze nicht zu stark beeinträchtigt. Der Lohn des durchaus höheren Aufwands ist messbar: Wie die großangelegte Thünen-Metastudie «Die Leistungen des Ökolandbaus für Umwelt und Gesellschaft» herausgearbeitet hat, sind die Abundanzen und Biomassen von Regenwurmpopulationen unter ökologischer Bewirtschaftung 94 Prozent höher. Im Bereich der Artenvielfalt belegt die Studie auf einem Bio-Acker eine um 95 Prozent höhere Ackerflora (Foto: pixabay.com).
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