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«Grab and Go»: Amazon Go jetzt im Regelbetrieb

Seattle / US. (eb) Es ist soweit: Der Konzeptstore «Amazon Go» für den Lebensmittel- Einzelhandel, den der Konzern 2016 vorstellte, ist jetzt in den Regelbetrieb gegangen und für Jedermann zugänglich, sofern man sein Smartphone dabei hat. Das 1.800 Quadratfuß große Geschäft befindet sich im Erdgeschoss des Amazon-Hauptsitzes in Seattle, Washington (USA). Um den Amazon Go Store betreten zu können, laden Kunden eine Smartphone-App herunter und scannen einen QR-Code, um die Drehtür zu öffnen. Das Sortiment richtet sich an gesundheitsbewusste, wohlhabende Millennials, heißt es in US-amerikanischen Medien. Soll heißen: das klassische Amazon- und Whole-Foods-Publikum. «Wir haben viele Rückmeldungen bezüglich der Auswahl erhalten», sagt Amazon Co Vizedirektor Dilip Kumar gegenüber der Chicago Tribune – wie sie sortiert ist und wie deutlich Hinweise auf Veganes oder Glutenfreies wahrzunehmen sind.

Amazon Go ist das ehrgeizigste Bemühen des Konzerns, die Art und Weise, wie Menschen in Geschäften einkaufen, zu verändern. Darauf hat die US-amerikanische Convenience-Store- Branche wahrscheinlich nur gewartet. Zwar ist der Markt um die 550 Milliarden US-Dollar Umsatz per Anno schwer, doch ist er andererseits auch hart umkämpft. Amazon wird hoffen, dass sich die Amazon-Go-Shops, so sie denn in Serie gehen, von den anderen 150.000 Convenience Stores in den USA abheben können, bei denen sich regelmäßig Staus vor den Kassen bilden. Das alles ist Teil höherer Ambitionen des Konzerns, zu denen der verstärkte Vorstoß in den LEH mit der Übernahme von Whole Foods Market ebenso gehört wie die Eröffnung von etwa einem Dutzend Buchhandlungen in Metropolen wie Los Angeles, Chicago oder New York.

Einerseits nimmt Amazon Go die klassischen US-amerikanischen Supermarkt- und Convenience-Store-Ketten in die Zange. Andererseits trifft die Aussage zu, mit der ein Sprecher der National Association of Convenience Stores den Regelbetrieb von Amazon Go kommentiert: Das Experiment kann nur gelingen, wenn Amazon qualitativ hochwertige Lebensmittel zu guten Preisen liefert. Die Coolness der Technologie werde die Leute zweifellos dazu bringen, die Technik zu testen. Doch die Qualität ist es, die sie dazu bringt, wiederzukommen.

Wir werden sehen, wie weit diese Revolution geht. Aus europäischer Sicht wird zudem ziemlich schnell auffallen, dass Konsumenten ohne Amazon-Go-App auf dem Handy keine Chance haben werden, den Laden zu betreten. Amazon-Go-Kunden muss klar sein, dass sie ihr Einverständnis geben für eine detaillierte, im LEH bislang so nicht gekannte Vermessung von Kunden und Kundenwünschen – ähnlich den Mechanismen von Onlineshops. Damit kommt der Konzern seinen Kunden noch ein Stück näher. Und sollte jemand unschlüssig in einem Amazon-Go-Shop stehen und die erste Regalentnahme lässt auf sich warten, dann bekommt er auf sein Handy eben Vorschläge aus zurückliegenden Käufen gepostet. Gibt es irgendwo einen Resetknopf?

Natürlich wird es dauern, bis technisch hochentwickelte Supermärkte – wie beschrieben – eine gewisse Marktdurchdringung erreichen. Doch schon heute lässt sich sagen: Es werden immer mehr werden, nicht weniger. Langfristig werden sich deshalb auch einige Berufsbilder verändern.

Langfristig wird sich wohl auch die Einzelhandelslandschaft verändern. Sobald der Konzern eine gewisse kritische Umsatzgröße erreicht hat, werden andere Marktteilnehmer überflüssig werden. Wobei es dann wahrscheinlich nicht die kleinen Berater trifft, sondern eher die großen, unpersönlichen Verteiler. Aber das dauert noch. Darüber reden wir ein anderes Mal (Foto: amazon.com).

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