Kassel | Fulda. (vgh / eb) Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2023 entschieden, dass die von der Stadt Fulda verfügte Schließung von ohne Personal betriebenen Verkaufsmodulen an Sonn- und Feiertagen Bestand hat.
Die Antragstellerin und Inhaberin einer Supermarktkette (Tegut Gruppe, Fulda) betreibt im Gebiet der Stadt Fulda Verkaufsmodule (… der Marke »Tegut Teo«), die an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr geöffnet sind und zu denen die Kunden nach einer digitalen Kontrolle Zugang erhalten. Angeboten werden dort Waren des täglichen Bedarfs, die digital bezahlt werden. An Sonn- und Feiertagen wird in diesen Verkaufsmodulen kein Personal eingesetzt.
Mit Bescheid vom 08. Oktober 2021 hatte die Stadt Fulda gegenüber der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung verfügt, die im Stadtgebiet aufgestellten Verkaufsmodule besonders an Sonn- und Feiertagen zu schließen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem gerichtlichen Eilantrag, den das Verwaltungsgericht Kassel mit Beschluss vom 04. Januar 2022 ablehnte (3 L 1734/21.KS).
Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Kassel nunmehr bestätigt und sich hierbei maßgebend auf die Bestimmungen des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes gestützt. Nach Paragraf 3 Absatz 2 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes müssen Verkaufsstellen unter anderem an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein. Verkaufsstellen sind nach Paragraf 2 Absatz 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes Ladengeschäfte aller Art, falls in ihnen von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann «feilgehalten» werden.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Verkaufsmodule Verkaufsstellen im Sinne des Paragraf 2 Absatz 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes seien. Das «Feilhalten» von Waren im Sinne des Paragraf 2 Absatz 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes setze nach der gesetzlichen Definition dieses Begriffs keinen persönlichen Kontakt mit einem Verkäufer voraus. Es mache für das «Feilhalten» von Waren keinen Unterschied, ob der Kunde die begehrte Ware aus einem Automaten oder aus einem Verkaufsregal beziehungsweise von einem Verkaufstisch an sich nehme; der Verkaufsvorgang setze in beiden Fällen ein aktives Handeln des Kunden voraus, dem nicht zwangsläufig ein aktives Tun des Verkäufers gegenüberstehe. Richtig sei zwar das von der Antragstellerin vorgetragene Argument, dass bei einem Verzicht auf den Einsatz von Verkaufspersonal das dem Ladenschlussrecht zu Grunde liegende Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht werde. Das Hessische Ladenöffnungsgesetz diene allerdings nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern auch dem Ziel, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen. Es bestehe auch keine Vergleichbarkeit zwischen dem Einkauf in den streitgegenständlichen Verkaufsmodulen und den auch sonn- und feiertags durchgängig möglichen Onlinebestellungen. Besonders habe der Onlinebestellvorgang keinerlei Außenwirkungen und sei daher nicht geeignet, die Sonn- und Feiertagsruhe der übrigen Bevölkerung zu beeinträchtigen. Der Beschluss ist im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar.
Tegut hofft jetzt auf die Modernisierung des Ladenöffnungsgesetzes
Das Team von Tegut Teo («tegut… teo»), eine Marke der Tegut Gruppe, bedauert die Entscheidung aus Kassel jedenfalls sehr und hofft in einer eigenen Mitteilung auf eine baldige Modernisierung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes. An allen anderen Werktagen dürften die hessischen »Teos« weiter rund um die Uhr öffnen. Ausgenommen seien die beiden Filialen, die aufgrund der Ausnahmeregelung für Bahnhöfe nach wie vor auch sonntags geöffnet sein dürfen. Für die »Teos« in Bayern und Baden-Württemberg ändere sich nichts. Weil Ladenöffnungszeiten Ländersache sind, hätten die dortigen Filialen weiter sonntags geöffnet.
Der Einfluss traditioneller Interessengruppen ist nach wie vor groß
Ob die Ladenöffnungsgesetze Bayerns und Baden-Württembergs »die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung« zeitgemäßer auslegen oder unter ähnlich strengen Schutz stellen wollen wie die Hessen, wird sich zeigen. Seit Jahren schiebt die Politik eine richtungsweisende Entscheidung vor sich her und hofft, das Problem erledige sich von allein. Der Einfluss traditioneller Interessen ist groß, das Treffen verbraucherfreundlicher Entscheidungen schwer. Eine bedingte Entkoppelung von Arbeitsschutz und Ladenöffnungszeiten scheint undenkbar (Foto: Tegut).
Nachtrag: In das Thema Ladenöffnungsgesetz kommt Bewegung
Wiesbaden | Kassel. (11.01. / eb) Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Kassel, dass vollautomatisierte Verkaufskonzepte in Hessen an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben müssen, auch wenn sie ohne den Einsatz von Personal auskommen, löste in dieser Woche ein erwartbar großes Echo in den hessischen Kommunen und in überregionalen Medien aus. Während vielerorts die Sorge umgeht, die wenig verbraucherfreundliche Entscheidung könnte Lücken in der flächendeckenden Versorgung reißen oder gar vergrößern, beeilte sich die Stadt Fulda zu versichern, dass sie den Beschluss mit dem Aktenzeichen 3.L.1734/21.KS habe herbeiführen müssen, um sozusagen auf dem Instanzenweg eine Präzisierung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes anzustoßen. Selbst habe man mit den Verkaufsmodulen der Marke »Tegut Teo« kein Problem. Eher das Gegenteil sei der Fall.
Flugs meldeten sich die üblichen Experten zu Wort mit ihren unterschiedlichen Standpunkten und Meinungen, wie mit dem «Feilhalten» von Waren an Sonn- und Feiertagen künftig umzugehen sei. Ob eine bedingte Entkoppelung von Arbeitsschutz und Ladenöffnungszeiten möglich sein kann – ohne Störung der Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung – wird sich jetzt zeigen müssen. Zwecks Beruhigung der Gemüter meldete sich Ines Claus zu Wort, Vorsitzende der CDU-Fraktion in Wiesbaden, indem sie fast umgehend folgende Stellungnahme abgab:
»Der VGH hat entschieden, dass vollautomatisierte Selbstbedienungsläden, die sonntags ohne den Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auskommen, auch unter das Verkaufsverbot an Sonn- und Feiertagen fallen. Eine Öffnung der »Teo«-Läden ist damit bis auf den Sonntag weiterhin möglich. Auch die Versorgungssicherheit insbesondere in den ländlichen Regionen wird damit nicht gefährdet.«
Regierende CDU für Änderung des Ladenöffnungsgesetzes offen
»Gleichzeitig zeigt das Urteil aber auch, dass es neue digitale Konzepte gibt, die den stationären Handel gegenüber dem Onlinehandel stärken und neue Modelle besonders für den ländlichen Raum bieten. Wir wollen deshalb mit der neuen Koalition entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen. Gemeinsam mit dem hessischen Zukunftsrat Wirtschaft, in dem unter anderem Wirtschaftsverbände und -unternehmen, sowie Gewerkschaften vertreten sind, wollen wir daher die Sonntagsöffnung für vollautomatisierte Verkaufsflächen oder Dienstleistungsbetriebe, die an Sonntagen ohne den Einsatz von Personal auskommen, prüfen und eine Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes ermöglichen.«
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