Donnerstag, 18. April 2024
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iba 2012: «Düfte wecken in uns immer Emotionen»

München. (ghm) Frisch gebackenes Brot, Schokolade und Kaffee. Düfte können uns verführen, können Emotionen wecken und unsere Stimmung beeinflussen. Prof. Dr. Hanns Hatt, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, leitet seit Jahren Forschungen über den Geruchssinn des Menschen und ist Autor mehrerer Bücher über das Riechen und Schmecken. Anlässlich der iba 2012, Weltmarkt des Backens, vom 16. bis 21. September in München, spricht der Wissenschaftler über Duftmuster, Emotionen und warum wir gerade den Duft von frischem Brot so gut finden.

Prof. Dr. Hatt, was machen Düfte mit uns?

Unglaublich viel. Obwohl wir Düfte oft gar nicht bewusst wahrnehmen, weil wir einfach nicht darauf achten. Düfte können Emotionen und Gefühle wecken, unsere Stimmungen ändern. Sie können beeinflussen, ob wir uns wohlfühlen oder nicht. Und sie können uns helfen, aufmerksamer oder entspannter zu sein. Es gibt ein riesiges Spektrum, wie Düfte tief in unser Leben eingreifen.

Wie nehmen wir Gerüche überhaupt wahr?

Wir können Düfte zwar auch über die Haut und die Atmung aufnehmen, die Hauptwirkung aber beruht auf dem Weg über die Nase und die Riechschleimhaut. Dort gibt es Riechzellen, die die Düfte annehmen. Dabei gibt es für bestimmte Duftmoleküle auch spezielle Zellen mit entsprechenden Rezeptoren. Eine Zelle erkennt beispielsweise Vanille, eine andere Moschus und wieder eine andere stinkende Buttersäure. Insgesamt besitzt der Mensch rund 30 Millionen Riechzellen und 350 verschiedene Zelltypen mit denen wir unsere gesamte Duftwelt abdecken. Wenn diese Riechzellen erregt werden, senden sie einen elektrischen Strom über eine Nervenbahn und informieren das Gehirn, dass sie aktiviert wurden. Eine Vanille-Riechzelle sendet also einen Strom, wenn sie Vanillin riecht. Meist bestehen Naturdüfte, ähnlich wie ein Parfüm, aber aus Duftmischungen. Entsprechend werden viele Zelltypen gleichzeitig aktiviert. Das Gehirn analysiert nun die elektrischen Muster, die durch die Informationen der einzelnen Zellen entstehen, und kann dann erkennen, welchen Duft wir gerade aufnehmen. Sei es Brot, Bier oder Schweinebraten, jeder dieser Düfte erzeugt ein anderes elektrisches Muster im Gehirn. Diese Muster müssen wir als Kinder aber erst einmal lernen zu erkennen.

Wie kommen die Emotionen ins Spiel?

Im Gehirn wird der jeweilige Duft mit den Emotionen und Sinneseindrücken verknüpft, die wir in diesem Moment haben. Geht es uns gut, fühlen wir uns unwohl, ist es kalt oder warm, was sehen oder hören wir gerade? All diese Eindrücke werden zusammen mit dem Duftmuster im Gedächtniszentrum des Gehirns abgespeichert.

Und bleiben dort gespeichert?

Je nachdem wie intensiv dieses Erlebnis war, kann ich Tage, Monate oder Jahre später, wenn ich diesen Duft wieder rieche, die gesamte Sinneswelt, die damals aktiviert wurde, wieder aufrufen. Ich kann mit Düften Bilder aus der Vergangenheit, Gefühle, aber auch die Geräusche, die mit dem Duft zusammen wahrgenommen wurden, wiederbeleben.

Gelingt dies mit Düften besonders gut?

Ja. Die Nase ist das Sinnessystem, das einen direkten Zugang sowohl zu den Emotionszentren, dem limbischen System, als auch zum Gedächtniszentrum, dem Hippocampus, hat. Visuelle und akustische Reize können diese Gehirnareale auch erreichen, aber nicht auf diesem unmittelbaren und direkten Weg, wie es das Riechen kann.

Wie kommt es, dass wir bestimmte Düfte, etwa den von frischem Brot oder Kaffee, besonders positiv wahrnehmen?

Wie wir Düfte wahrnehmen, ist durch die persönlichen Erfahrungen oder die Erziehung bestimmt. Dass wir Deutschen beziehungsweise Europäer frisches Brot und Kaffee so positiv empfinden, hängt mit unserer Erziehung und unserem Kulturkreis zusammen. Weil hier frisches Brot gebacken wird, weil hier Kaffee gerne getrunken wird und wir schon in der Kindheit mit diesen Düften in Kontakt kommen. Deswegen sind wir, wenn wir diese Düfte riechen, in der Regel positiv gestimmt. Die Prägung auf Düfte beginnt bereits im Mutterleib. Schon mit der Mutter beginnen wir, bestimmte Düfte wahrzunehmen und einzuordnen.

Wie beeinflussen uns Gerüche, beispielsweise beim Einkaufen?

Düfte haben auf all unser Tun Einfluss, da sie immer eine Emotion auslösen. Wenn ich eine Entscheidung treffe, ist diese in der Regel sehr vielschichtig, basierend auf vergangenen Erfahrungen: Wie sieht ein Produkt aus, wie riecht es, was verbinde ich damit? Wenn ich den Duft eines Produkts rieche, wird das Emotionen hervorrufen und dafür sorgen, dass ich positiv oder negativ gestimmt bin. Dabei ist das nicht nur auf Produkte beschränkt. Gleiches gilt auch für den Menschen. Ein Parfüm zum Beispiel ist auch nichts anderes als ein Marketingprodukt und zwar, um uns selbst zu vermarkten. Mit einem Parfüm wollen wir die Emotionen unserer Mitmenschen beeinflussen, damit sie uns sozusagen besser riechen können.

Wie kann dies in der Bäckerei gelingen?

Man kann Düfte benutzen, um andere auf Produkte aufmerksam zu machen, wenn der Mensch diesen Duft bereits mit dem Produkt verknüpft hat. Brot ist hier ein gutes Beispiel, denn das kennt jeder. Ich kann aber auch eine Marke mit einem ganz bestimmten Duft verknüpfen.

Duftmarketing sozusagen …

Hier muss man zweierlei Arten unterscheiden. Zum einen: Der Kunde soll auf etwas aufmerksam werden, das Produkt finden, eine Bäckerei zum Beispiel. Sie könnte den Duft nach Brot und Backwaren aus der Klimaanlage nach außen leiten. Das sorgt dafür, dass sich die Menschen fragen, woher dieser Duft kommt, dann schauen, wo sich die Bäckerei befindet, und schließlich hineingehen. Das andere ist der Corporate-Identity-Duft. Das heißt, ich rieche etwas und verknüpfe dies mit einem bestimmten Produkt. Dann weiß ich immer, um welches Produkt, um welche Marke es sich handelt. Wir kennen das bereits von Markenzeichen und Melodien. Düfte werden heute beispielsweise in Hotels eingesetzt. Viele große Hotelketten haben ihren eigenen Duft. Momentan ist dieser Bereich aber noch stark am Wachsen, es gibt also noch eine gewisse Marktlücke.

Wie können Bäcker und Konditoren Düfte für sich nutzen?

Der Vorteil ist: Die meisten Menschen kennen den Duft von Brot- und Backwaren bereits und fast alle empfinden ihn als angenehm, weil er immer mit Essen und mit Belohnung verbunden ist. Insofern müssen Bäcker und Konditoren schon einmal keine Prägungsarbeit leisten. Was sie tun können, ist die Menschen anzulocken, indem sie den Duft nach außen transportieren. Im Laden selbst können sie die Kunden anhand von Düften leiten. Die Nase ist sehr speziell und kann verschiedene Brot- und Backwarensorten unterscheiden, ebenso Schokolade, Süßwaren und Kaffee. Durch Düfte können Bäcker und Konditoren beispielsweise auf spezielle Produkte hinweisen, die die Kunden dann ganz unterschiedlich ansprechen.

Welche Düfte sind Ihrer Erfahrung nach die beliebtesten?

Das kann man nicht verallgemeinern, da gibt es zwischen Ländern und Kulturkreisen zum Teil große Unterschiede. In Deutschland sehr beliebt ist beispielsweise Vanille, Orange, Kakao und Schokolade – und natürlich der Duft von frischem Brot.


Zur Person:

Prof. Dr. Dr. Dr. habil. Hanns Hatt, geboren in Illertissen, promovierte an der LMU München in Zoologie und Medizin, habilitierte sich an der TU München in Physiologie und ist seit 1992 Inhaber des Lehrstuhls für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum. Im Mittelpunkt seiner Forschungen steht der Geruchssinn bei Mensch und Tier, wobei er in den vergangenen Jahren bahnbrechende Ergebnisse zur Physiologie des Riechens erzielt hat. Die Bedeutung und Wirkung von Duftstoffen bringt er auch einem breiten Publikum nahe, ist Experte in Talkshows und Autor mehrerer Bücher.

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