München. (ghm) Was wäre eine Fachmesse ohne Beschreibung der aktuellen Trends? Anlässlich der Iba 2023 vom vom 22. bis 26. Oktober in München hat die GHM Gesellschaft für Handwerksmessen bei der Trend- und Food-Spezialistin Karin Tischer aus Kaarst angeklopft und um Stichpunkte gebeten. Die Gründerin von »food + more« fasst den bunten Strauß an Möglichkeiten anlässlich der europäischen Leitmesse für Bäckerei, Konditorei und Snacks wie folgt zusammen:
- Die Digitalisierung ist auf der Überholspur, darunter Robotik sowie Online-Bestell- und Bezahllösungen. Besonders im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) finden innovative Entwicklungen statt – zum Beispiel bei Food-Waste, Back-Robotern und neuen Kassensystemen mit KI-Produkterkennung. Es gibt immer mehr Lieferservices und eine Zunahme von Ghost Kitchens, auch wegen vermehrter Home-Office-Tätigkeiten. Darüber hinaus hat sich die digitale Kommunikation stark verändert – die Kunden sehen online, was sie möchten, wollen per Smartphone bestellen und bezahlen. Eine Idee ist auch eine personallose Mini-Bäckerei, etwa der Lila Bäcker in Neubrandenburg. Ein Pick-Up Store, der 24/7 geöffnet ist: ein Verkaufsautomat, in dem man direkt die Backwaren auswählen und bargeldlos bezahlen kann. Social-Media-Aktivitäten der Bäckereien sind heute unerlässlich, Signature-Produkte müssen »instagrammable« sein.
- Trendthema ist natürlich auch Gesundheit mit Genuss (Stichwort »Wellbeeing«). Das Gesundheitsbewusstsein der Menschen ist größer geworden. Eine breite Mehrheit der Bevölkerung setzt im Zuge der Gesundheitsoptimierung auf eine stärker pflanzenbasierte Ernährung, die weniger Fleisch und Fisch vorsieht. Die Kunden erwarten mehr vegane und vegetarische Alternativen. Auch das Geschmacksbild verändert sich langsam, eine Art stille Revolution des Geschmacks. Bei der pflanzlich orientierten Kost fehlt vielen jedoch der ursprüngliche Referenzgeschmack von Fleisch und Co (lässt sich durch Umami-Gewürz beheben). Den Geschmack der Konsumenten zu treffen, ist eine noch größere Herausforderung als bisher.
- Den Trend-Booster Food + Beverage betreffend sind Snacking, Frühstück und Street Food die Mega-Trends. Frühstück gibt es ohne Zeitbegrenzung rund um die Uhr. Unter anderem steht hier Ei im Mittelpunkt, denn Verbraucher lieben Ei und gehen gerne Frühstücken. Egal ob Shakshuka, Turkish Eggs oder einfach auf das Brot gerieben – Eier bieten eine große Vielfalt für Frühstück und Snacking. Dazu gibt es auch vegane und vegetarische Alternativen. Auch große Brotscheiben, die üppig belegt und schön inszeniert werden, liegen im Trend. Ungewöhnliche Getränke, zum Beispiel der aus Asien stammende Cheese Tea: Eistee mit aufgeschäumtem Frischkäse, ähnlich wie ein Smoothie.
- Das Trendthema Nachhaltigkeit ist zu DNA und Image-Faktor vieler Unternehmen geworden: Erfolgreich sind nachhaltige, regionale und faire Konzepte. Besonders das Herkunftsmerkmal «aus der Region» gewinnt an Stellenwert und läuft «Bio» den Rang ab. Auch bei der Verpackung achten die Verbraucher mehr auf Nachhaltigkeit und kurze Wege. Stärker etabliert hat sich Indoor-Farming: Microgreens, Kräuter und Salat werden in einer Art Mini-Treibhaus direkt im Lokal angebaut – das geht auch im Bäckerei-Café. Frischer geht es nicht.
- Internationalisierung: Generell nähern sich die Trends in dem Maß an, wie die Globalisierung weiter fortschreitet. Regionale Besonderheiten werden jedoch bleiben. International sind Vergnügen, neue Geschmacksrichtungen und Snacks ein großes Thema. Bei Backwaren bietet Deutschland die größte Brotvielfalt der Welt und Kunden sind zusätzlich aufgeschlossen für Neues, von italienischen Focaccias bis zu asiatischen Bao Buns. Mediterrane Gebäcke im Home-Made-Style sind mega angesagt. In Deutschland haben wir eine sehr hohe Backkompetenz und zudem eine große, sich verändernde Frühstückskultur. Gerade junge Leute essen gerne Gerichte wie Porridge, Müsli-Bowls, Granola und Overnight-Oats. Trendpotenzial hat auch Kaffee – etwa Bumble Coffee, ein Espresso mit frischem Orangensaft auf Eis. Oder auch ausgefallene, farbenfrohe Getränke mit Super-Foods, etwa Latte mit Matcha-, Rote Bete- oder Butterfly-Pea-Pulver. Auch «Coffeetails», Kaffee-Cocktails, sieht man weltweit.
- Regionalität ist ein großes Thema: Müssten Verbraucher wählen, würden sie Regionales selbst den Bioprodukten vorziehen. Viele Kunden setzen auf pflanzenorientierte Ernährung. Junge Kunden bevorzugen mehr proteinhaltige Snacks oder Müslis. Auch nachhaltige Verpackungen sind unerlässlich. An der Theke suchen die Kunden Frische und Home-Made-Style, etwa Sauerteig-Brote mit Langzeitführung. Brote dürfen rustikal, die Kruste aber sollte nicht zu hart sein. Die Kunden sind jedoch noch preisbewusster geworden, es darf also nicht zu teuer sein. Fleisch geht zurück, bis auf Hühnchen. Als vegane/ vegetarische Alternativen gibt es stattdessen immer mehr Proteinalternativen, zum Beispiel fermentierte Pilze.
- Individualisierung in der Bäckerei: Gerade im Snack-Bereich hat sich das Angebot verändert, es gibt viele vegane und vegetarische Alternativen. Es ist abhängig vom Standort, ob Stadt, Lauflage oder Land etc. Die Menschen sind bequem und holen sich gerne belegte Brötchen oder Brote mit frischen Zutaten wie Salat, Gemüse oder Kräutern, somit neue Kreationen und Entlastung. Frische Früchte und Salat, Frischkäse, ein abwechslungsreicher Belag – etwa aus Falafel, Käse oder Hummus und ein raffiniertes Finish aus Microgreens, Saaten oder Nüssen lösen die «klassische Stulle» ab. Auch «Comfort-Food», wie warmes Porridge, Overnight-Oats, Müsli oder Granola ist gefragt. Man sieht immer mehr Cups, die angenehm verzehrt werden können. Wir haben das auch psychologisch untersucht – wenn man etwas aus einer Schale mit einem Löffel isst, ist dies eine Art friedliche, ursprüngliche Versorgung – wie früher zum Beispiel der Milchreis bei Mama. Es ist einfach zu essen und unkompliziert.
- Identifikation womit?! Kosteneffizienz, Personal- und Rohstoffeinsatz sind dabei prägend. Durch den Personal- und Fachkräftemangel sowie die gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe, ist es eine große Herausforderung, wirtschaftlich zu arbeiten. Doch man darf nicht zu stark einsparen oder/und die Verkaufspreise nicht zu prägnant anheben, denn das tolerieren die Verbraucher nicht. Gefragt sind Key-Produkte mit USP und Storytelling, sogenannte Signature-Produkte. Weniger ist hier mehr. Betriebe der backenden Branche müssen sich überlegen: Was macht mich aus? Sie müssen eine klare Abgrenzung von ihren Mitbewerbern schaffen: Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Wer ist meine Zielgruppe? Und wie kann ich nachhaltiger agieren? Darauf achten die Menschen immer stärker.
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