Freitag, 19. April 2024
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Klima- und Artenschutz: EU-Agrarausschuss beerdigt «Green Deal» endgültig

Bremerhaven. (usp) Traditionell wird im EU-Agrarausschuss der Bock zum Gärtner gemacht. Während die ganze Welt über Klimaschutz und Artensterben nachdenkt, über Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, steht in Brüssel die Zeit still. Wer sich zuerst bewegt, hat schon verloren. Das ließ die mächtige Agrarlobby Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon im Oktober 2020 wissen, als sie den hochtrabend angekündigten «Green Deal» schlicht auf «Ursulas Mondfahrt» zurechtstutzte.

Seitdem ist die Politik nicht besser geworden. Über die Verantwortung gegenüber nachwachsenden Generationen wird viel geredet und manches Feigenblatt aus dem Ärmel gezogen. Doch wirklich passiert ist bislang wenig, um den Enkeln und Urenkeln eine lebens- wie liebenswerte Welt zu hinterlassen. An dieser Misere trägt die bundesdeutsche Agrarpolitik eine gewisse Mitschuld. Unsäglich das Schauspiel von Agrarindustrieministerin Julia Klöckner während der deutschen Ratspräsidentschaft. Der «Systemwechsel», mit dem sie so gerne für sich selbst wirbt, ist nicht das Papier wert, auf dem er steht. In diesem Sinn ist die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die in dieser Woche im EU-Agrarausschuss zur finalen Abstimmung stand, nicht mal ein Reförmchen. Sie ist nur ein Haufen Mist, der gewaltig nach den üblichen Seilschaften stinkt, die sich traditionell um die Subventionstöpfe scharen.

Die finale Abstimmung zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im EU-Agrarausschuss von dieser Woche kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, wie folgt:

«Mit der jetzt beschlossenen GAP-Reform wird der Stillstand zementiert. In einer Zeit, in der enorme Herausforderungen an Klima- und Artenschutz gerade auch in der Landwirtschaft bestehen, beschließt die konservative Mehrheit der Europa-Parlamentarier eine Reform, die ihren Namen nicht verdient. Alter Wein in neuen Schläuchen, mehr ist es nicht.

«Wenn überhaupt. Denn wie sonst soll man erklären, wenn das bestehende Greening, das mit seinen Umweltauflagen für 30 Prozent der Zahlungen gilt, nun durch ein hochtrabend Eco-Schemes genanntes System ersetzt wird, das sich aber nur auf ein Viertel der Gelder bezieht und für die Bauern freiwillig ist. Wie kann es sein, dass eine Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) darin einen «Meilenstein» sieht, wenn es sich doch tatsächlich um einen eklatanten Rückschritt handelt? Verschlimmert wird dieses Manko, weil wir von etlichen Mitgliedsstaaten erwarten, dass die dazu gehörigen Strategiepläne alles andere als ambitioniert ausfallen werden.

«Dieser Rückschritt müsste nicht sein, denn am selben Tag entscheiden wir Parlamentarier zugleich über die Farm-to-Fork-Strategie. Und die ist in der Tat ein mehr oder weniger fortschrittliches, den Anforderungen der Zeit gerecht werdendes Programm.

«Warum aber verweigerte die EU-Kommission, das Herzstück des so überschwänglich verkündeten Green-Deals in die aktuelle Agrarreform einzubauen? Offenbar nimmt die Kommission ihre eigenen Ziele nicht ernst und schont die Landwirtschaft. Wie sollen bei einer derart halbherzigen Politik Klimawandel und Artenschwund jemals ernsthaft bekämpft werden können?

«So bleibt es dabei, dass drei Viertel der Milliarden an Direktzahlung über die Fläche ohne nennenswerte Auflagen verteilt werden und damit Flächenbesitz belohnt wird, nicht aber Leistung für die Umwelt. Der dringend erforderliche Schutz der Artenvielfalt wird damit keinesfalls möglich. Den Klimawandel werden wir ebenfalls nicht aufhalten können, wenn diese Agrarpolitik auch in den nun folgenden sieben Jahren weiter auf Export setzt und dafür unter extrem fragwürdigen Bedingungen erzeugte Futtermittel aus Übersee importiert werden. EU-Kommission, EU-Mitgliedsstaaten und die konservative Parlamentsmehrheit verspielen mit dieser rückwärtsgewandten Politik unsere Zukunft.»

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