Idar-Oberstein. (eb) Die Bäckerei-Konditorei Kohl Brot hat schon seit längerem mit finanziellen Nöten zu kämpfen. Das wissen wir seit März 2019, als Diplom-Kaufmann Dr. Steffen Rudolf Kohl uns wissen ließ, dass er die Insolvenz in Eigenverwaltung wählt, um die Bäckerei-Konditorei in vierter Generation zu sanieren. Das Amtsgericht Idar-Oberstein gab dem in der 09. Kalenderwoche statt. Zum vorläufigen Sachwalter bestellte das Amtsgericht den Rechtsanwalt Helmut Konrad aus Idar-Oberstein. Generalbevollmächtigte seitens Kohl Brot war die Rechtsanwältin Annemarie Dhonau LL.M. aus Bad Kreuznach.
Danach verloren wir die «Causa Kohl» aus den Augen. Schließlich nötigt einem die aktuelle Dynamik am bundesdeutschen Backwarenmarkt ziemlich viel Respekt ab. Umsatzanteile verschieben sich dramatisch. Längst lässt sich der mehr oder weniger stille Tod eingesessener Betriebe nicht mehr damit erklären, sie hätten ihre «Hausaufgaben nicht gemacht». Manchmal reicht es, wenn man in der «falschen Region» mit zu wenigen Optionen zuhause ist. Der Wohlstand in Deutschland verschiebt sich, die Kaufkraft lässt nach, auf dem jahrelang brachen Gelände von gegenüber klotzt plötzlich ein Systembäcker, Discounter oder Supermarkt seine nächste Filiale hin. Bescheidene Gewinne, durch die sich viele Bäckereien zunehmend auszeichnen, lassen nach Auswegen suchen. Die wiederum brauchen Entwicklungszeit. Überrascht stellt manches Unternehmen fest, dass es diese Zeit gar nicht mehr hat. Die Insolvenz tritt ein.
Kohl Brot wählt Insolvenz in Eigenverwaltung für die Abwicklung
Anfang Juli tauchte die «Causa Kohl» erneut auf unserem Schirm auf. Wir wissen nicht, wie die erste Insolvenz in Eigenverwaltung ausgegangen ist. Gegründet um 1900 durch Ludwig Kohl in Erzweiler, zählte Kohl Brot (im März) im Vertriebsgebiet Rheinland-Pfalz und Saarland insgesamt 34 Filialen. Gemeinsam mit den (im März) rund 270 Mitarbeitenden hat das Unternehmen in den letzten drei Jahren schon verschiedene Maßnahmen ergriffen zur Sanierung und Restrukturierung. Die Eigenverwaltung von März sollte weitere Mittel bieten, das Unternehmen in einem schwierigen Markt zu halten, hoffte vor wenigen Monaten noch Dr. Steffen Kohl. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen, denn:
- Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bäckerei-Konditorei Kohl Brot GmbH + Co. KG mit Sitz in Baumholder, vertreten durch die Kohl Brot Verwaltungs-GmbH, diese vertreten durch Geschäftsführer Dr. rer. oec. Steffen Rudolf Kohl, hat das Amtsgericht Idar-Oberstein am 01. Juli 2019 um 08.00 Uhr wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet (10.IN.15/19).
- Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kohl Brot Verwaltungs-GmbH mit Sitz in Baumholder, vertreten durch Geschäftsführer Dr. rer. oec. Steffen Rudolf Kohl, hat das Amtsgericht Idar-Oberstein am 01. Juli 2019 um 08.00 Uhr wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet (10.IN.16/19).
In beiden Verfahren hat das Amtsgericht die Eigenverwaltung angeordnet. Kohl Brot ist berechtigt, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Zum Sachwalter bestimmt das Amtsgericht in beiden Verfahren den Rechtsanwalt Helmut Konrad aus Idar-Oberstein. Berichts- und Prüfungstermin ist der 18. September um 14:00 Uhr vor dem Amtsgericht Idar-Oberstein.
Bis dahin will Steffen Kohl Fakten schaffen. «In unserer Region Obere Nahe, Pfalz und Saarland konkurrieren wir mit vielen Discountern und die Kaufkraft ist vielerorts gering. Deshalb ist es schwer, qualitativ hochwertige Produkte auskömmlich zu kalkulieren. Die Preis- und Qualitätsunterschiede zwischen billiger Discount-Ware und handwerklich hergestellten Backwaren mit geringem Maschineneinsatz sind enorm», sagt er und ist gerade dabei, mit seinem Leben als Bäckereiunternehmer abzuschließen.
Am Ende soll alles schnell gehen…
Für die Produktion in Baumholder werde es kaum einen Interessenten geben. Das führe zu knapp 60 Entlassungen. Von den aktuell 30 Filialen sollen 18 Standorte von insgesamt fünf Bäckereien in der Region übernommen werden. Etwa 100 Mitarbeitende im Verkauf hätten damit einen neuen Arbeitgeber. Teils sollen auch aus den geschlossenen Filialen Mitarbeitende zu den insgesamt fünf Bäckereien aus der Region wechseln. Allein die Bäckerei Gillen GmbH aus St. Wendel mit aktuell 36 Filialen könnte sechs Standorte übernehmen, weiß die Tagespresse. Davon abgesehen wird auch der rheinland- pfälzische und saarländische Arbeitsmarkt aktuell ein arbeitnehmerfreundlicher Markt sein, der die freigestellten Kräfte schnell wieder aufnehmen kann. Es ist anzunehmen, dass Steffen Kohl bis zum erwähnten Prüfungstermin im September alle Assets verkauft haben möchte, die anderen Betrieben einen Nutzwert bieten können (Foto: pixabay.com).
WEITERE THEMEN AUS DIESER RUBRIK FÜR SIE:
- Was einen modernen Backmittler heute auszeichnet
- BackWerk: mit Bestellterminal und variierendem Konzept
- Costa Coffee: testet 24-Stunden-Betrieb in Leicester
- Stendaler Landbäckerei: Die nächste Generation übernimmt
- Europastry S.A. legt im Q3-2024 um 14,5 Prozent zu
- Dr. Oetker auf dem Weg zur klimaneutralen Produktion
- Krispy Kreme: Licht und Schatten in einer widersprüchlichen Zeit
- InterSpar: eröffnet neue Handwerksbäckerei
- AB Foods: baut Bäckereigeschäft hier und da aus
- Backstube Wünsche: baut ergänzendes Backzentrum in Erding
- Gruma: sieht erheblichen Spielraum für Wellness-Tortillas
- Grupo Bimbo: erzielt in Europa einen Rekordumsatz
- Luckin Coffee: Konzern bereitet Internationalisierung vor
- Bühler: Neues «Grain Innovation Center» öffnet die Türen
- Hessen: Wie Bauder und Schmitt für die Zukunft planen
- Kärnten: Baubescheid für Bäckerei Wienerroither
- Laugengebäck: Valora festigt globale Marktführerschaft
- Aryzta AG: stellt Q3-2024 Handels-Update vor
- Sternenbäck-Gruppe: meldet Fortschritte im Verkaufsprozess
- Bunt und innovativ: Dunkin’ Wonders in Südkorea