Berlin. (bund) Landwirte und andere Erzeuger sind oft einem enormen Preisdruck ausgesetzt. Etwa wenn der Handel kurzfristig verderbliche Ware storniert oder die Ware erst Monate später bezahlt wird. Ein Gesetz, das für faire Vertrags- und Lieferbeziehungen sorgt, ist nun in Kraft getreten.
Weshalb wurde eine solche Regelung EU-weit erforderlich?
Erzeuger von Agrar-, Fischereiprodukten sowie Lieferanten in der Lebensmittellieferkette sind aufgrund von Marktungleichgewichten sind EU-weit häufig unlauteren Handelspraktiken ausgesetzt. Als meist kleinere Marktteilnehmer ist ihre Markmacht gering.
Deshalb hat die Europäische Union die so genannte UTP-Richtlinie erlassen. Damit wird innerhalb der Europäischen Union ein einheitlicher Mindestschutzstandard zur Bekämpfung von unlauteren Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittellieferkette geschaffen.
Faire Vertrags- und Lieferbeziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren in der Wertschöpfungskette für Lebensmittel tragen dazu bei, dass qualitativ gute Lebensmittel angeboten werden und Landwirte auskömmlich wirtschaften können.
Ein Beispiel: In Deutschland verfügen die vier großen Handelsketten über mehr als 85 Prozent Marktanteil. Sie geben ihr Preisdumping bei den Verkaufspreisen nach unten weiter.
Was ist die UTP-Richtlinie?
Die Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette – kurz UTP-Richtlinie – sieht ein Verbot der schädlichsten unlauteren Handelspraktiken vor.
Geschützt werden Unternehmen der Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugung bis zu einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro gegenüber jeweils größeren Unternehmen der Lebensmittelverarbeitung beziehungsweise des Lebensmittelhandels.
Bei Milch- und Fleischprodukten, Obst und Gemüse sollen vorerst bis 2025 auch Lieferanten mit bis zu vier Milliarden Euro Jahresumsatz in diesem Verkaufssegment einbezogen werden – wenn dieser Umsatz maximal 20 Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Händlers ausmacht.
Was genau wird in der so genannten «Schwarzen Liste» geregelt?
Diese Liste umfasst generelle Verbote von unlauteren Handelspraktiken. Hierunter fallen folgende Regelungen/Verbote:
- Der Käufer hat die Zahlung des vereinbarten Preises an den Lieferanten spätestens innerhalb der folgenden Fristen zu leisten:
- für verderbliche Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse innerhalb von 30 Tagen nach der Lieferung,
- für andere Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse innerhalb von 60 Tagen nach der Lieferung.
- Kurzfristige Stornierung von Bestellungen verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse durch den Käufer: Eine Stornierung, die weniger als 30 Tage vor dem vereinbarten Liefertermin erfolgt, ist immer als kurzfristig anzusehen.
- Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass sich der Lieferant an den Kosten der Lagerung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse beim Käufer beteiligt.
- Eine einseitige Änderung der Bedingungen einer Lieferung in Bezug auf Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, der Qualitätsstandards, der Zahlungsbedingungen oder der Preise oder bestimmter Dienstleistungen durch den Käufer.
- Der Käufer kann vom Lieferanten keine Zahlungen fordern, die nicht im spezifischen Zusammenhang mit dem Verkauf von Erzeugnissen des Lieferanten stehen. Das sind bspw. Kosten die durch Fehlverhalten des Personals des Käufers entstehen.
- Ein Zahlungsverlangen des Käufers gegenüber dem Lieferanten für Qualitätsminderung oder Verlust von Erzeugnissen, nachdem die Lieferung dem Käufer übergeben worden ist.
- Der Käufer verlangt Entschädigung vom Lieferanten für Kosten zur Bearbeitung von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dessen Produkten, ohne dass ein Verschulden des Lieferanten vorliegt.
Und was regelt die so genannte «Graue Liste»?
Andere Handelspraktiken sind nur dann erlaubt, wenn sie vorher ausdrücklich und eindeutig zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurden (so genannte «Graue Liste»). Darunter fallen das Verlangen des Käufers nach Zahlungen oder Preisnachlässen vom Lieferanten für
- die Listung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse,
- die Vermarktung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, einschließlich Verkaufsangebote, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen sowie der Bereitstellung auf dem Markt, oder
- das Einrichten der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.
Eine Vereinbarung zu Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen im Sinne von Nummer 2 ist nur zulässig, wenn sich der Käufer verpflichtet, dem Lieferanten rechtzeitig vor Beginn der Verkaufsaktion schriftlich den Aktionszeitraum und eine Schätzung der Menge der Erzeugnisse mitzuteilen, die zu dem niedrigeren Preis bestellt werden soll.
Setzt der Gesetzentwurf die UTP-Richtlinie Eins-zu-Eins um?
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht sogar punktuell noch über die Eins-zu-Eins-Umsetzung der EU-Richtlinie hinaus, indem er weitere Praktiken klar verbietet, nämlich:
- das Zurückschicken nicht verkaufter Erzeugnisse an den Lieferanten, ohne für sie zu bezahlen und- soweit sie nicht mehr verwendbar sind – ohne für die Kosten der Beseitigung zu bezahlen.
- die Lagerkosten des Käufers auf den Lieferanten abzuwälzen.
Wer überwacht und setzt diese Verbote durch?
Damit wird die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) beauftragt. Sie trifft ihre Entscheidungen im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt. Sie kann Geldbußen und andere ebenso wirksame Sanktionen, einschließlich einstweiliger Verfügungen, verhängen oder veranlassen.
Unabhängig davon soll eine unabhängige und weisungsungebundene Ombudsstelle für mehr Fairness in der Lebensmittelversorgungskette sorgen. Von unfairen Praktiken Betroffene sollen sich vertrauensvoll an sie wenden können. Die Ombudsstelle soll aufgrund der erhaltenen Meldungen Untersuchungen initiieren und Verstöße an die BLE Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung weiterleiten dürfen (Foto: pixabay.com).
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