Donnerstag, 28. März 2024
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Lebensmittelhygiene: wird in Bäckereien zur Chef-Sache

Hannover. (biv) Sind die Besuche der Lebensmittelkontrolleure in den Backstuben und Verkaufsräumen Schikane oder – auch im Sinne der Bäcker-Unternehmer – sinnvoll zu begründen? Und: Ist Schädlingsbekämpfung im Lebensmittelbetrieb in Eigenregie möglich? Mit diesen Fragekomplexen beschäftigte sich die 3. Fachtagung für Lebensmittelsicherheit und betriebliche Hygiene des Bäckerinnungsverbands Niedersachsen/ Bremen (BIV) Ende Mai in Verden. Mit rund 90 Teilnehmenden aus Bäckereibetrieben, Zulieferunternehmen wie etwa den Bäkos sowie Lebensmittelüberwachungsbehörden aus dem Verbandsgebiet war die Veranstaltung sehr gut besucht. Sie nahmen als Quintessenz der Vorträge und Diskussionen mit nach Hause, dass die staatliche Lebensmittelkontrolle nicht gegen den Lebensmittelhandwerker generell, sondern nur gegen «schwarze Schafe» ermittelt, die korrekt arbeitenden Betriebe unterstützt und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen schützt.

Die eigentliche Hygienekontrolle müsse der Backbetrieb selbst ausführen, betonte Martin Müller, Bundesverband-Vorsitzender der Lebensmittelkontrolleure (BVLK). Er erläuterte anhand prägnanter Beispiele, dass die Anwendung des HACCP-Konzeptes und eine ausführliche Dokumentation wichtige Voraussetzungen für die Beurteilung durch die Kontrollbehörden sind. Der Bäcker-Unternehmer tue gut daran, alle Mitarbeiter vom Sinn der akribischen Eigenkontrolle zu überzeugen. Im Sinne des Verbraucherschutzes und zum Schutz der verantwortungsvoll handelnden Lebensmittelbetriebe vor im Wortsinne «schmutziger» Konkurrenz befürwortete Müller die Einführung eines Hygiene-Smileys oder Kontroll-Barometers im Blickfeld des Kunden und ebenso die Veröffentlichung auffällig gewordener Betriebe im Internet. Hingegen machte der BIV deutlich, dass sich das Bäckerhandwerk wegen der unverhältnismäßigen Prangerwirkung weiterhin gegen Smiley, Barometer oder Interneteinträge wehren werde.

Daniel Schneider, im Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks juristischer Experte für Lebensmittelrecht, verdeutlichte, dass die neuen Gesetzesbestimmungen wegen inhaltlich-handwerklicher Fehler von vielen Gerichten kassiert worden seien. Ohnehin stehe für die Bäcker das Wohl des Verbrauchers im Vordergrund. Der dürfe nicht über Zutaten und Rezepturen getäuscht werden und könne zu Recht erwarten, dass bei der Produktion die betriebliche Hygiene eingehalten werde. Der Rechtsrahmen für eine Sanktionierung von Fehlverhalten durch die Veröffentlichung im Internet werde aber zum Beispiel durch unbestimmte Rechtsbegriffe, den Verstoß gegen die Unschuldsvermutung oder auch die bloße Erwartung eines Bußgeldes so unverhältnismäßig zu Lasten der Betriebe gestaltet, dass viele Gerichte die Normen kassiert hätten.

Die Problematik der Kontaminierung von Lebensmittelbetrieben machte Jona Freise vom niedersächsischen Verbraucherschutz-Amt LAVES deutlich. Schädlingsprävention werde offenbar noch zu sehr auf die leichte Schulter genommen. Freise betonte, dass eine reine Sichtkontrolle bei weitem nicht ausreiche. Sie sei außerdem kein Monitoring, das wiederum nicht gleichgesetzt werden dürfe mit Schädlingsbekämpfung. Die Erkenntnisse der Schädlingsforschung im Zusammenhang mit den Wirkungen der Bekämpfungsmittel habe dazu geführt, dass «Schädlingsbekämpfer» inzwischen ein vollwertiger Ausbildungsberuf geworden sei. Ein fachgerechtes Monitoring gehöre wie die Schädlingsbekämpfung selbst in die Verantwortung eines Fachmannes.

Ob ein Schädlingsbekämpfer ein Scharlatan oder ein echter Fachmann ist, sei auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen, berichtete Kai Göhmann vom Beratungsunternehmen «IPM pro». In seinem Referat plädierte er für ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Der Bäcker sollte sich prinzipiell ein Grundwissen der Materie aneignen, bevor er für die anstehenden Aufgaben mehrere spezifizierte Angebote einholt und mit dem Leistungsanbieter ein persönliches Gespräch führt. Göhmann: «Zu Menschen, die in den Kernbereichen der Lebensmittelproduktion und des Verkaufs Zugang haben und dort auch Schädlingsbekämpfungsmittel ausbringen, sollte man wirklich Vertrauen haben». Wichtig sei auch, dass alle Maßnahmen genau dokumentiert würden, damit man entsprechende Nachweise beim Besuch der amtlichen Lebensmittelkontrolle vorlegen könne.

Um die Kosten für Hygieneschulungen nicht ausufern zu lassen, empfahl Jürgen Häcker die Weiterbildung durch Internetkurse. Der Fachberater für Lebensmittelhygiene und Arbeitssicherheit bietet E-Learning- Seminare an. Vorteile der Online-Schulungen seien unter anderem eine Reduzierung der Arbeitsausfallskosten, flexible Schulungszeiten, Wegfall von Fahrtkosten und räumliche Unabhängigkeit, multimedial vermittelte Schulungsinhalte und eine aktive, nachprüfbare Erfolgskontrolle.

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