Hamburg. (usp) Eine Reportage aus dem Magazin «Stern» soll die Branche in Aufruhe versetzt haben. Allerdings werden Sie den Beitrag aus der Ausgabe 42/2017 unter dem Titel «Das Märchen vom guten deutschen Brot» on Line kaum finden. Sie müssen das Heft kostenpflichtig erwerben. Worum es geht, vermittelt – kostenfrei – am ehesten der Artikel «Bäckerverband kritisiert Titelgeschichte im Stern» der Deutschen HandwerksZeitung on Line. Die Zeitung erzählt die Reportage in wesentlichen Passagen nach und fasst die Kritik des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) daran zusammen. Der hatte seine Kritik an der Reportage in einen «Offenen Brief» gegossen und mit freundlichem Gruß an die Chefredaktion des Magazins versandt.
Der Ärger ist verständlich
Der «Offene Brief» erreichte auch backnetz:eu. Man muss die Reportage nicht gelesen haben, um den Ärger des Verbands zu verstehen. Schließlich kostet es große Anstrengungen, Modernisierungen auf Verbandsebene und ins Handwerk hinein zu initiieren und durchzusetzen. Wieviel Bewegung ist in den letzten Jahren ins Bäckerhandwerk gekommen? Wie sehr ist die Bereitschaft gewachsen, sich zu öffnen und dazuzulernen? Wie sehr sind die Anstrengungen gestiegen, das Image des Bäckerhandwerks zu polieren? Und dann kommt so ein Schreiberling daher und behauptet, das seien alles nur Sonntagsreden?! Hinter der gepflegten Fassade würde es kaum mehr Backkunst, sondern überwiegend nur noch Industrieprodukte geben?!
Derart eingestimmt auf ein mögliches «80er-Jahre-Déjà-vu-Erlebnis», musste gleich der «Stern» her und waren wir dann doch überrascht: Die Vorwürfe, wie sie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks teilweise überspitzt darstellt, konnten wir «so» eigentlich nicht nachvollziehen. Oder andersherum: Die Autorin dieser Zeilen hier ist ja nicht nur Journalistin. Sie ist auch «vom Fach». Und zwar mit so vielseitigen Erfahrungen «vom Fach», dass sie bis heute gut unterscheiden kann zwischen Sonntagsbäckern und Alltagsbäckern. Da fragt man sich dann schon, wie man die Dinge lesen und verstehen soll.
Lesen und Verstehen vor welchem Hintergrund?
Als Bäcker, der jeden Tag in der Backstube steht, muss man sich von der Stern-Reportage nicht brüskiert fühlen. Man kann sich auch verstanden fühlen. Die Reportage verdeutlicht durchaus Zusammenhänge und Wirkungsweisen, die zutreffen – ohne auch nur einmal Irgendwen oder Irgendwas unfair bloß zu stellen. Im Gegenteil: Wer den Beitrag vollständig und aufmerksam liest sollte bestätigen können, dass «wir Bäcker» heute oft nur ein Rad im Getriebe sind. Getriebene, die vielen Zwängen unterliegen und zurechtkommen müssen. Ob der «gemeine Stern-Leser», der ja nicht unbedingt vom Fach ist, das aber nachvollziehen kann?
Überfordert von der Komplexität des Themas
Der Stern-Redakteur hat sich jedenfalls tief ins Thema eingearbeitet und es ist ihm in keiner Zeile Bösartigkeit zu unterstellen bei den komplexen Handlungssträngen, die er versucht hat zu bündeln und auf den Punkt zu bringen. Fachleute können ahnen, wohin er will. Für Laien ist das nur schwer zu erkennen. Andererseits hat auch der «Offene Brief» des Zentralverbands zwar großen Informations- und Unterhaltungswert und kann gut für sich alleine stehen. Doch auch hier darf man nicht jede Zeile wörtlich nehmen und auf die Goldwaage legen.
Kein Wort im «Stern» über Vitalität und Vielfalt
In der Essenz zielen die scheinbar gegensätzlichen Standpunkte auf ein und dasselbe, seit Jahren bekannte «dicke Brett». Eine fortwährende Auseinandersetzung, die zur Reflexion über das eigene Wirken anregt – auf welcher Ebene auch immer. Ob man daran wachsen will, muss man selbst entscheiden. Eine Revolution von oben wird es nicht geben. Die hat der Zentralverband per Definition ausgeschlossen. Andererseits gab es noch nie so viele regionale und lokale Graswurzel-Bewegungen wie heute: Bäckereien, Erzeugergemeinschaften, Vereine, die sich nicht nur für Folklore, sondern echtes traditionelles Bäckerhandwerk einsetzen.
Eine gute Gelegenheit für Sie und Ihre Kunden
In der Reportage «Das Märchen vom guten deutschen Brot» wünscht sich der Redakteur zum Ende hin einen eher puristisch angelegten «Verband der Prädikatsbäcker». Selbst den können wir heute schon unter den vielen Facetten des bundesdeutschen Bäckerhandwerks erkennen: Die Freien Bäcker hatten sich letzte Woche erst mit einem schönen Video empfohlen. Die vielen anderen Betriebe im Land können sich immerhin in Pragmatismus üben, sofern sie denn angesprochen werden: Frei nach dem Motto «Bad news are good news» eröffnet die Reportage eine gute Gelegenheit, über das eigene Unternehmen zu informieren und wie es sich einordnet in die vorhandene, durchaus lebendige Vielfalt (Foto: pixabay.com).
Nachtrag. (23.10. / usp) Die Reportage «Das Märchen vom guten deutschen Brot» ist seit Montag, den 23. Oktober on Line und kostenfrei verfügbar – zu lesen auf der Homepage des Magazins Stern.
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