Berlin. (bmel) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), in Person der Ministerin Julia Klöckner, hat jetzt in Berlin bekanntgegeben, welches Modell einer vereinfachten erweiterten Nährwertkennzeichnung in Deutschland eingeführt wird. Vorausgegangen war eine umfassende, wissenschaftlich fundierte sowie unabhängige Verbraucherforschung im Auftrag des Ministeriums.
Im deren Vorfeld hatte die Bundesministerin erst das Max Rubner-Institut eine ernährungswissenschaftliche Analyse zahlreicher Modelle durchführen lassen und dann alle Beteiligten an einen Tisch geholt. Gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen, dem Verbraucherzentrale Bundesverband und dem Lebensmittelverband Deutschland (BLL) hatte sie beschlossen, welche Modelle genau in die Verbraucherforschung gegeben werden – die eine europarechtliche Voraussetzung für die Notifizierung ist. Deren Ergebnis liegt nun vor – ein entsprechender Verordnungsentwurf wird zeitnah von der Bundesernährungsministerin vorgelegt.
Julia Klöckner: «Als erweitertes Nährwertkennzeichen für Deutschland will ich den NutriScore einführen. Damit treffe ich eine valide Entscheidung in einer Debatte, die seit über einem Jahrzehnt sehr emotional – teils auch polarisierend – geführt wird. Umso wichtiger daher, dass wir mit der von uns durchgeführten wissenschaftlichen Analyse und Verbraucherforschung nun eine belastbare und verlässliche Datengrundlage haben.
«Der Wunsch der Verbraucher nach mehr Sicherheit und Transparent beim Kauf von Lebensmitteln – das zeigen die Ergebnisse – ist groß. Für viele erscheint es bisher schwer, beim Thema gesunde Ernährung vieles richtig zu machen und sich sicher bei der schnellen Kaufentscheidung zu fühlen. Gerade in einer Zeit, in der vermehrt zu Fertigprodukten gegriffen wird, die teilweise zu viel Zucker, Salz oder Fette enthalten. Das hat gesundheitliche, aber auch volkswirtschaftliche Folgen, die ich nicht hinnehmen will. Mit dem NutriScore soll es nun eine Kennzeichnung auf der Vorderseite geben, die viele der Anforderungen erfüllt, die die Verbraucher an ein zusätzliches Nährwertkennzeichen formulieren: Er ist auf den ersten Blick erfassbar, leicht zu verstehen und nutzt die eingängige, bereits gelernte Farbwelt einer Ampel. Der NutriScore lässt dabei zwar keine Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Nährwerte zu. Verbraucher erwarten vor allem aber eine zusammenfassende Bewertung, die schnelle Orientierung gibt. Weitere Informationen kann man weiterhin der Nährwerttabelle sowie der Zutatenliste entnehmen.
«Die Ergebnisse der von uns beauftragten wissenschaftlich fundierten Verbraucherbefragung sind europarechtlich zwingend vorgeschrieben, um ein Modell einzuführen. Wir sind dabei sehr strukturiert vorgegangen: wissenschaftliche Analyse und Seriosität der Kennzeichnungsmodelle, qualitative Befragung und Auswertung. Für mich ist das Ergebnis der Verbraucherbeteiligung maßgeblich und ich nehme das ernst. Der NutriScore ist wissenschaftlich seriös, bekannte Schwachstellen des Algorithmus werden optimiert. Für den deutschen Markt werde ich sehr zeitnah die rechtliche Grundlage für die Verwendung von NutriScore schaffen und den Kollegen des Kabinetts zur Zustimmung vorlegen. Das ist ein Meilenstein in der Ernährungspolitik.»
Kernergebnisse der Repräsentativerhebung
Auf die Frage, welches dieser Modelle in Deutschland eingeführt werden sollte, entschieden sich:
- 57 Prozent für «Nutri-Score»,
- 28 Prozent für das MRI-Modell,
- sieben Prozent für «Keyhole»,
- fünf Prozent für das BLL-Modell.
Testaufgaben zeigen, dass der «Nutri-Score» unter den vier untersuchten Modellen am besten verstanden wird:
- «Nutri-Score»: 70 Prozent der Befragten konnten Testaufgaben zur Einordnung eines Lebensmittels vollständig richtig lösen,
- MRI-Modell: 60 Prozent,
- «Keyhole»: 35 Prozent,
- BLL-Modell: 21 Prozent.
Die höchsten Empfehlungswerte erreicht «Nutri-Score» in zwei besonders relevanten Verbrauchergruppen:
- bei Personen, die sich selten oder gar nicht mit der Zusammensetzung von Lebensmitteln beschäftigen (67 Prozent),
- bei Personen mit Adipositas, Body-Mass-Index (BMI) über 30 (64 Prozent).
Die Ergebnisse im Detail sind zu finden auf dem BMEL-Server unter www.bmel.de/eNWK
Studiendesign
Die Info GmbH Markt- und Meinungsforschung hat im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine umfassende Studie zum Thema «Evaluation von erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Modellen» durchgeführt. Ziel der Studie war es, eine fundierte Datengrundlage für die Evaluation von erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Modellen zu erarbeiten, insbesondere um die EU-rechtlichen Vorgaben an eine erweiterte Nährwertkennzeichnung zu erfüllen.
In der Studie wurden der «Nutri-Score», das Modell des Lebensmittelverband Deutschland (vormals Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde; BLL), das Modell des Max Rubner-Instituts (MRI) und das «Keyhole» vergleichend untersucht und bewertet. Die drei zentralen Untersuchungskriterien hierbei sind waren: die Wahrnehmung der Modelle, die Verständlichkeit, das heißt, ob ein bestehendes System auch objektiv verständlich ist, sowie das Verständnis der Verbraucher/innen und damit die Frage, ob die Verbraucher das vorliegende Modell zutreffend interpretieren.
Im Rahmen der Studie wurden im ersten Schritt im Zeitraum Juli/August 2019 insgesamt 10 Fokusgruppendiskussionen durchgeführt, in denen es vor allem um die Anforderungen der Verbraucher/innen an ein solches erweitertes Nährwertkennzeichnungs-Modell und die Detailbewertung der verschiedenen Modelle ging.
Auf dieser Grundlage wurde der Fragenkatalog für den zweiten Schritt, der sich anschließenden Repräsentativbefragung, erarbeitet. Diese wurde mit insgesamt 1.604 Interviews durchgeführt (Foto: BMEL – Janine Schmitz – photothek.net).
WEITERE THEMEN AUS DIESER RUBRIK FÜR SIE:
- Statt Schlangestehen: Dubai-Schokolade selber machen
- EU-Rechnungshof: Lebensmittel-Kennzeichnung oft irreführend
- VdF: meldet «historische Höchstpreise» für Mostäpfel
- Food Hub Bremerhaven: macht Ideen fit für die Produktionspraxis
- Aquakultur: Kleine Hoffnungsträger für den großen Wurf
- Proteinreiche vegane Brotaufstriche ohne Zusatzstoffe
- VGMS Symposium 2024: Braucht es mehr Mut zum Weizen?
- BLE: Forum «Proteine auf den Teller» nimmt Arbeit auf
- Europa: Designierter Agrarkommissar stellt sich Befragung
- Die meisten importierten Nudeln kamen 2023 aus Italien
- EUDR: BMEL begrüßt Verschiebung um zwölf Monate
- FML: Das sind die liebsten Proteine der Deutschen
- BrotWert: Projekt gegen Lebensmittelverschwendung
- Ernährungsreport 2024: Deutschland, wie es isst
- BZfE passt Ernährungspyramide an
- Biotechnologie: «Unsere Zellen sind echter Fisch»
- Finnland: Über den Brotbelag als Ausdruck der Befindlichkeit
- Tiefkühlinstitut rechnet 2024 mit 2,5 Prozent Absatzplus
- Agrarprodukte: Obst und Gemüse verteuern sich weiter
- Too Good To Go: liefert jetzt auch bis an die Haustür