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20190527-VSMK-BMEL

Nährwertkennzeichnung: Etwas mehr Biss hätte der VSMK gutgetan

Berlin / Mainz. (eb) Knapp einen Monat hat es gedauert, bis das Protokoll der jüngsten Konferenz der Verbraucherschutzminister der Länder (VSMK 2019) auf der zentralen Homepage einsehbar wurde. Dort finden wir bestätigt, was mit Blick auf die Nährwertkennzeichen- Diskussion als Gerücht zwar schon in Umlauf war, wofür es bislang aber keinen nennenswerten Beleg gab. Das hat sich nun geändert, und: Der wortgetreue Beschluss zum Tagesordnungspunkt 47 von 57 liest sich tatsächlich «anders», als ihn Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), im Anschluss zusammenfassen ließ – siehe «Bundesländer unterstützen BMEL-Vorgehen» vom 28. Mai.

Entgegen der Schönwetter-Meldung von Bundesministerin Klöckner finden wir im Protokoll der 15. Verbraucherschutzministerkonferenz vom 24. Mai 2019 in Mainz folgende wortgetreue Formulierung:

TOP 47 und 48: Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln

Beschluss

  1. Die Verbraucherschutzministerinnen, -minister und -senatoren der Länder nehmen den schriftlichen Bericht des Bundes zur Kenntnis.
  2. Die Ministerinnen und Minister, die Senatorinnen und der Senator für Verbraucherschutz begrüßen den vorgelegten vorläufigen Bericht des MaxRubner-Instituts (MRI), der die verschiedenen Modelle der Nährwertkennzeichnung mit seinen jeweiligen Stärken und Schwächen analysiert. Sie nehmen zur Kenntnis, dass das MRI einen eigenen Vorschlag in die Diskussion eingebracht hat.
  3. Die Ministerinnen und Minister, die Senatorinnen und der Senator für Verbraucherschutz sind davon überzeugt, dass ein einheitliches und möglichst standardisiertes ergänzendes Nährwertkennzeichnungsmodell in Deutschland bis Ende des Jahres 2019 vorgelegt sein sollte.
  4. Die Ministerinnen und Minister, die Senatorinnen und der Senator für Verbraucherschutz unterstützen die Beteiligung der Verbraucherinnen und Verbraucher und anderer Akteure und Akteurinnen und begrüßen, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, die Länder bei der Auswahl und Weiterentwicklung eines Nährwertkennzeichnungsmodells und dem Beteiligungsverfahren einbinden wird.
  5. Die Ministerinnen und Minister, die Senatorinnen und der Senator für Verbraucherschutz sind davon überzeugt, dass vereinfachte Nährwertangaben auf der Vorderseite von Lebensmitteln Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Auswahl ernährungsphysiologisch günstiger Produkte maßgeblich unterstützen und damit gleichzeitig eine Möglichkeit bieten, die Wirksamkeit der derzeit durch die Ernährungswirtschaft auf freiwilliger Basis laufenden Reformulierungsbestrebungen zu begleiten. Die Einführung einer Kennzeichnung stellt somit einen wesentlichen und notwendigen Schritt im Kontext der von der Bundesregierung vorgelegten „Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ dar.
  6. Die Bundesregierung wird ebenso aufgefordert, Gespräche mit der Lebensmittelindustrie zu führen mit dem Ziel, dass das neue ergänzende Nährwertkennzeichnungssystem möglichst große Verbreitung findet. Dies muss für Verbraucherinnen und Verbraucher transparent und leicht verständlich sein und auch den Belangen kleiner und mittlerer Betriebe gerecht werden. Weiter wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für die Einführung einer ergänzenden vereinfachten, leicht zu visualisierenden Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln auf EU-Ebene einzusetzen.
  7. Die Bundesregierung wird gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass Mittelstand und Kleinerzeuger bei Einführung einer entsprechenden Nährwertkennzeichnung unterstützt werden und eine Verbraucherinformationskampagne aufgebaut wird.
  8. Über den Sachstand soll zur 34. LAV berichtet werden.

Das Abstimmungsergebnis war einstimmig.

Protokollerklärung der Länder BB, BE, HB, HE, HH, RP, ST, TH

Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und der Senator der Verbraucherschutzressorts der Länder BB, BE, HB, HE, HH, RP, ST und TH erklären: Das neu vorgestellte Modell des MRI erfüllt leider nicht die in den VSMK-Beschlüssen formulierten Anforderungen an eine vereinfachte und verbraucherverständliche Nährwertkennzeichnung auf Verpackungen von verarbeiteten Lebensmitteln.

Das vorgeschlagene Modell bietet keine farbliche Orientierung. Es greift bewährte eingeführte Kennzeichnungen entlang der Ampelfarben nicht auf, wie beispielsweise die auf EU-Ebene bewährten Systeme farblicher Kennzeichnungen beispielsweise bei den EU-Energie-Effizienzklassen oder der Elektrogerätekennzeichnung.

Durch eine Vielzahl an Informationen und Symbolen sind die Informationen nicht intuitiv und auf den ersten Blick erfass- und nachvollziehbar. Das Modell erfüllt das Ziel einer einfachen, für die Verbraucherinnen und Verbraucher leicht verständlichen Kennzeichnung nicht.

Protokollerklärung BE, RP, HH, HB, TH, HE, BB, SL, ST

Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und der Senator der Verbraucherschutzressorts der Länder BE, RP, HH, HB, TH, HE, BB, SL und ST erklären: Die erneute Diskussion eines neuen Systems ist unnötig und zeitverzögernd, da mit dem französischen Nutri-Score-System ein bereits wissenschaftlich bewährtes und evaluiertes praxisgetestetes System vorliegt, das ein Beteiligungsverfahren mit den Verbraucherinnen und Verbraucher und Wirtschaftsakteuren durchlaufen hat und auch vom MRI als sinnvoll und tauglich eingestuft wurde.

Es sollte ein System eingeführt werden, das von möglichst vielen Ländern in der EU geteilt wird und auch Chancen hat, von der EU übernommen zu werden, um sowohl für die Verbraucherinnen und Verbraucher, als auch für die Wirtschaft im Binnenmarkt praktikabel und anwendbar zu sein . Das Nutri-Score-System ist bereits in Frankreich, Belgien und Spanien eingeführt und in Portugal und Finnland in Planung.

Vor diesem Hintergrund bitten die Länder den Bund, bei der weiteren Ausgestaltung einer leicht verständlichen, transparenten und mehrfarbigen Kennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmitteln in Deutschland das Nutri-Score-System zu Grunde zu legen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem Blick eine differenziertere Einkaufsentscheidung treffen können.

Fazit

Das klingt zwar alles schön und gut, doch etwas mehr Biss hätte der VSMK von Mai 2019 gutgetan mit Blick auf den Beschluss zur «Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln». Julia Klöckner ist schließlich keine Bundesministerin für Verbraucherschutz, sondern für Ernährung und Landwirtschaft. Wie die meisten ihrer Vorgänger sieht sie ihre Hauptaufgabe darin, eine möglichst industrie- und verbändefreundliche Politik zu gestalten. Das Verbrauchervertrauen spielt für sie, ungeachtet der schönen Worte, nur eine untergeordnete Rolle. Bei den weiteren Konsultationen zum Thema müssen die Verbraucherschutzminister der Länder nun verstärkt darauf achten, dass ihre mehrheitliche Position nicht bei nächstbester Gelegenheit unter den Tisch gekehrt wird. Wir sind gespannt (Foto: MFFJIV RLP – Kristina Schäfer).