Freitag, 19. April 2024
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Nitrat: Deutschland hat mehr «rote Gebiete» als gedacht

Berlin. (bmel / eb) Am 18. Februar 2022 haben das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fristgerecht ihren Vorschlag zur Neuausweisung der stark mit Nitrat belasteten Regionen («rote Gebiete») in Deutschland an die EU-Kommission gesendet. Dieser Vorschlag war zuvor in mehreren Gesprächen mit der EU-Kommission sowie mit den deutschen Bundesländern vorbereitet worden. Das federführend zuständige BMUV hatte der EU-Kommission mitgeteilt, dass sich die Fläche der Nitrat-Gebiete in Deutschland bei Anwendung des vorgeschlagenen Entwurfs wie folgt verändern würde: Deutschlandweit würde sich die Gebietskulisse durch den Wegfall der Modellierung und das neue Verfahren der Binnendifferenzierung von rund 2,0 Millionen Hektar auf rund 2,7 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche vergrößern. Dies entspricht einer Zunahme der Fläche der roten Gebiete von insgesamt 33,8 Prozent.

Die Kommission hat den Eingang noch am späten Freitag bestätigt und zugesagt, dass sie nach eingehender Prüfung zeitnah eine Rückmeldung geben wird. Nun bleibt abzuwarten, wie die Kommission auf diesen Vorschlag Deutschlands reagiert. Die Vertragsverletzungsverfahren unterlägen strenger Vertraulichkeit, heißt es in der Mitteilung von BMUV und BMEL. Daher könne man den an die EU gesendeten Entwurf oder Daten für einzelne Bundesländer nicht öffentlich machen.


Nachtrag: Darum geht es in dem Verfahren

Zur nationalen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie in Deutschland war am 01. Mai 2020 eine neue Düngeverordnung (DüV) in Kraft getreten. Wer die Diskussion verfolgt hat kann sich erinnern, dass das Thema hierzulande ein ziemlich heißes Eisen ist. Der Deutsche Bauernverband und ihm folgend die deutsche Agrarpolitik haben über Generationen versäumt, die Weichen rechtzeitig in Richtung Zukunft zu stellen. Daraufhin nahmen sich 2019 die damaligen Bundesministerinnen Svenja Schulze (BMU) und Julia Klöckner (BMEL) des Themas an und versuchten vergeblich zu retten, was andere Minister vermasselt hatten – angesichts in Aussicht gestellter Strafen, die den deutschen Steuerzahler bis zu 850’000 Euro Zwangsgeld pro Tag kosten können. 310 Millionen Euro pro Jahr, die sich auch anderswo gut verwenden ließen.

Unter neuer Leitung sind jetzt sowohl BMUV als auch BMEL sehr bemüht, die 850’000 Euro Zwangsgeld pro Tag abzuwenden, die sich aus dem Vertragsverletzungsverfahren ergeben.

Polemik ist komplett unangebracht

Fordert die politische Opposition heute, dass der «vielbeschworene Schulterschluss» zwischen BMUV und BMEL sich nicht zum «einseitigen Nachteil der Landwirtschaft» bemerkbar machen dürfe und sich Bundesminister Cem Özdemir «vor die Landwirte stellen» müsse und sich nicht «hinter dem Bundesumweltministerium verstecken» dürfe, dann hat der agrarpolitische Sprecher Albert Stegemann wesentliche Zusammenhänge im Umwelt- und Klimaschutz nicht verstanden. Unter dem Strich geht es nicht darum, die Landwirtschaft zu piesacken, sondern ihre Geschäftsgrundlage – unsere Lebensgrundlage – in einem möglichst guten Zustand zu erhalten. Auch die Trinkwasserwirtschaft weist seit vielen Jahren darauf hin, dass sich an der Düngepraxis gründlich was ändern muss. Kurzum: Zur Abwechslung könnte sich die politische Opposition ehrlich machen – und daran erinnern, welche Politik die jetzige Situation herbeigeführt hat. Angesichts der Größe der Aufgaben, die vor uns liegen, sollte das Hyperventilieren jedenfalls aufhören. Deutschlands Steuerzahler würden es danken. Es gibt Wichtigeres zu tun (Foto: pixabay.com).

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