Freitag, 29. März 2024
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Rechtsunsicherheit durch Info-Pflichten belastet Unternehmen

Frankfurt. (zzbuw) Insgesamt hat die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs – kurz Wettbewerbszentrale – im letzten Jahr erneut über 13.000 Anfragen und Beschwerden bearbeitet. Knapp 60 Prozent aller Fälle betrafen dabei den Bereich «Irreführung und Transparenz». Dabei sind die bei der Wettbewerbszentrale eingegangenen Fälle mit irreführenden Preismogeleien um gut elf Prozent zurückgegangen. Sachverhalte zu Marktverhaltensregelungen wie Handwerksordnung, Apothekenbetriebsordnung, Gewerbeordnung, Ladenschlussgesetz und Lebensmittel-, Heilmittel- oder sonstige berufs- und produktbezogene Regelungen folgten mit 25 Prozent Anteil am Gesamtaufkommen. Daneben bearbeitete die Wettbewerbszentrale über 800 Fälle belästigender Werbung und ebenso viele Fälle aus den Bereichen «Behinderung des Wettbewerbs», Kartellrecht, unsachliche Beeinflussung und Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Signifikant angestiegen ist die Zahl der Fälle, in denen es darum geht, ob ein Anbieter die zahlreichen Informationsanforderungen in ausreichender Weise erfüllt oder nicht. Seit 2010 hat die Zahl dieser Sachverhalte bei der Wettbewerbszentrale deutlich überproportional um über 42 Prozent zugelegt. «Gut 4.000 Aktenvorgänge allein mit Fragen zu gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten haben wir 2014 bearbeitet», sagt Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, im Jahresbericht. Das Problem sei, dass die gesetzlichen Informationspflichten nicht nur in unterschiedlichsten Gesetzen «verstreut» seien, sondern die Vorschriften immer detaillierter würden und schwierige Abgrenzungsfragen nach sich zögen. Selbst für Fachjuristen und Gerichte sei oft die Rechtslage nicht eindeutig. Für Unternehmen bedeute dies Rechts- und Planungsunsicherheit, denn: Unlauter handelt, wer Informationspflichten verletzt.

Nach Angabe von Münker haben in 2014 etwa die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) der Wirtschaft großen Umstellungsaufwand abgefordert, gleichzeitig aber viele neue Fragen und Unsicherheiten aufgeworfen, zum Beispiel welches die wesentlichen Eigenschaften eines Produkts sind, über die informiert werden muss oder ob kostenpflichtige 01805-Telefonnummern in der Widerrufsbelehrung verwendet werden dürfen.

Anforderungen an Verbraucherschutz-Compliance steigen

Klärung kann in vielen Fällen nur ein höchstrichterliches Urteil bringen. Die Wettbewerbszentrale versucht deshalb, zügig Musterverfahren vor den BGH oder den EuGH zu bringen, um wichtige Fragen für die Praxis zu klären. Bis zur Klärung geht die Wettbewerbszentrale im Interesse der Unternehmen differenziert vor. In vielen Fällen erfolgen nicht sofort Abmahnungen, sondern kostenlose Hinweisschreiben.

«Wir wollen nicht nur gegen Rechtsverstöße einschreiten, um zu fairen Wettbewerbsbedingungen beizutragen. Wir wollen den Unternehmen auch vorab helfen, in den Bereichen Verbraucherschutz und Lauterkeitsrecht compliant zu sein», erklärt Münker. Deshalb wurde die Beratung der Mitgliedsunternehmen weiter ausgebaut. Workshops und Seminare bilden zusätzlich einen wichtigen Teil der Arbeit. Münker ist sicher, dass Beratungsbedarf und Anforderungen an die Verbraucherschutz-Compliance angesichts der Bestrebungen der EU-Kommission im Hinblick auf ihre Strategie für den digitalen Binnenmarkt weiter zunehmen werden: Der Druck auf Unternehmen, die sich in der digitalisierten Welt bewegen, wird steigen. Die Sorge, dass weitere Informationspflichten hinzukommen, sei vor diesem Hintergrund nicht unberechtigt. Münker appellierte insoweit an die Gesetzgeber, mit Augenmaß vorzugehen.

Insgesamt konnten die meisten von der Wettbewerbszentrale beanstandeten Fälle außergerichtlich gelöst werden. Dennoch musste die Selbstkontrollorganisation auch im vergangenen Jahr wieder mehr als 600 Gerichtsverfahren führen.

Wettbewerbszentrale

Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb.

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