Berlin. (fi) Die Mehrheit der Deutschen spricht sich für eine Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Nährwertampel Nutri-Score aus – das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag mehrerer medizinisch-wissenschaftlicher Organisationen und der Verbraucherorganisation foodwatch. 69 Prozent der befragten Personen bevorzugten den Nutri-Score gegenüber dem von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner in Auftrag gegebenen Kennzeichnungsmodell «Wegweiser Ernährung». Der «Wegweiser Ernährung» fiel beim Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher durch: Nur 25 Prozent sprachen sich für das Modell aus – die Mehrheit der Befragten beurteilten es im Vergleich eher als «kompliziert» und «verwirrend».
Die Organisationen fordern Ernährungsministerin Klöckner auf, im Kampf gegen Fehlernährung keine Zeit mehr zu verlieren und schnellstmöglich den Nutri-Score einzuführen. Folgende Organisationen beauftragten die Umfrage, die im Juli 2019 stattfand (in alphabetischer Reihenfolge):
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
- Deutsche Adipositas-Gesellschaft
- Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten DANK
- Deutsche Diabetes Gesellschaft
- Deutsche Diabetes-Hilfe – DiabetesDE
- Deutsche Diabetes Stiftung
- Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
- Foodwatch Deutschland
«Die Umfrage zeigt: Die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher wollen den Nutri-Score. Diese Nährwert-Ampel hat zuvor in über 35 wissenschaftlichen Studien ihre Wirksamkeit bewiesen», sagt Barbara Bitzer, Sprecherin des Wissenschaftsbündnisses DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft. «Wir erwarten, dass Bundesernährungsministerin Julia Klöckner den Nutri-Score schnellstmöglich einführt. Ein Label, das die Mehrheit der Menschen als verwirrend empfindet, ist wissenschaftlich nicht akzeptabel.»
Das Forsa-Institut hat 1003 repräsentativ ausgewählten Verbraucherinnen und Verbraucher online beispielhaft Lebensmittel gezeigt, die mit den beiden Nährwertmodellen gekennzeichnet waren. Im Anschluss sollten die Teilnehmenden im direkten Vergleich beispielsweise bewerten, welches Modell verständlicher ist und die Wahl gesunder Lebensmittel eher erleichtert.
In der Umfrage sprachen sich vor allem jene Bevölkerungsgruppen für den Nutri-Score aus, die besonders stark von Fehlernährung betroffen sind. Die Befragten mit geringem formalem Bildungsgrad und jene mit starkem Übergewicht bevorzugten jeweils zu drei Vierteln den Nutri-Score. Beide Gruppen bewerteten den Nutri-Score auch häufiger als hilfreicher bei der Auswahl gesunder Produkte. Den «Wegweiser Ernährung» hingegen empfand ein besonders großer Anteil der Personen mit starkem Übergewicht als das kompliziertere Label.
«Das neue Kennzeichnungssystem muss gerade für die besonders von Fehlernährung und Übergewicht betroffenen Bevölkerungsgruppen verständlich sein», sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. «Wenn Eltern einen geringen Bildungsstand haben oder übergewichtig sind, dann haben ihre Kinder ein deutlich erhöhtes Risiko, auch dick zu werden. Der Nutri-Score erreicht diese Bevölkerungsgruppen offenbar gut und kann deshalb wirksam helfen, Kinder vor Übergewicht zu schützen.»
Die Umfrage erfasste auch, wie wichtig den Verbraucherinnen und Verbrauchern bestimmte Eigenschaften bei einer Kennzeichnung sind. Ein Label muss demnach vor allem «eindeutig» sein (72 Prozent halten dies für sehr wichtig), «leicht verständlich» (70 Prozent) und «unkompliziert» (61 Prozent). Genau diese Eigenschaften sehen die Befragten vor allem beim Nutri-Score gegeben. Detaillierte Informationen auf der Vorderseite der Verpackung wie beim «Wegweiser Ernährung» sind den Menschen hingegen deutlich weniger wichtig (35 Prozent).
«Die Umfrage zeigt klar, dass der Nutri-Score genau das liefert, was die Menschen erwarten – eine schnelle, verständliche Orientierung beim Einkauf», sagt Prof. Dr. Hans Hauner, Vorsitzender der Deutschen Diabetes Stiftung und Beiratsmitglied der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, «die Politik muss diese wirksame Maßnahme für eine gesündere Ernährung endlich umsetzen.»
Ärzteverbände, medizinische Fachgesellschaften und Verbraucherorganisationen fordern schon seit langem verbindliche Maßnahmen gegen Fehlernährung und Übergewicht – eine verständliche Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben ist dabei ein wichtiger Baustein. In Ermangelung einer verbindlichen EU-weiten Regelung haben inzwischen mehrere Länder Ampelkennzeichnungen auf freiwilliger Basis eingeführt. Der von unabhängigen französischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelte Nutri-Score wird bereits in Frankreich und Belgien verwendet, Spanien hat seine Einführung angekündigt und auch in Portugal, Luxemburg und der Schweiz wird über die Einführung diskutiert. Das Modell nimmt eine Gesamtbewertung der Nährwertzusammensetzung eines Produktes vor, indem es ernährungsphysiologisch günstige und ungünstige Nährwertbestandteile miteinander verrechnet und auf einer von grün nach rot abgestuften Farbskala einordnet. Mit dem Nutri-Score lassen sich so die Nährwerte verschiedener Lebensmittel wie Tiefkühlpizzen, Frühstücksflocken oder Fruchtjoghurts auf einen Blick vergleichen.
Den «Wegweiser Ernährung» hat Julia Klöckner im Mai vorgelegt, das staatliche Max Rubner-Institut hatte es in ihrem Auftrag entwickelt. Anders als beim Nutri-Score fehlt bei diesem «Waben»-Modell eine Einordnung in Ampelfarben (Grafiken: Forsa – Text: DANK).
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