Schwerin. (LM) Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern übt Kritik am Kurs des Bundeslands in Bezug auf die Düngelandesverordnung. Jetzt beschäftigt das Thema auch den Landtag im Schweriner Schloss. Der zuständige Landesminister Dr. Till Backhaus für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt (LM) stellt dazu im Vorfeld fest:
«Ich muss mich schon sehr wundern: Einerseits moniert der Bauernverband, wir würden nicht rechtskonform arbeiten. Anderseits müssen wir uns nun den Vorwurf gefallen lassen, wir spielten auf Zeit und arbeiteten nicht schnell genug. Die Argumentation des Bauernverbands lässt für mich nur einen Schluss zu: Es scheint mir als habe der Verband Scheuklappen auf und lässt letztlich nur die eigenen Vorstellungen gelten. Dazu gehört in erster Linie möglichst ohne große Einschränkungen weiter wirtschaften zu können. Das ist betriebswirtschaftlich auch vollkommen nachzuvollziehen, wird aber nicht den gesellschaftlichen Anforderungen an eine umweltschonende und klimaangepasste Landwirtschaft gerecht. Fakt ist: Unser Grundwasser ist mit Schadstoffen belastet, die dort nicht hineingehören. Das muss auch die Landwirtschaft einsehen und gewillt sein, mit der Politik konstruktiv an Lösungen zu arbeiten.»
Dass die Düngelandesverordnung ausgerechnet durch eine Klage von Landwirten gekippt wurde, sieht der Minister als paradox an. Schließlich sei man im Prozess der Ausweisung den Wünschen der Landwirte nach einer Binnendifferenzierung gefolgt, was eine genauere Bestimmung nitratbelasteter Gebiete ermöglichte. Backhaus steht deshalb weiterhin zur Korrektheit des gewählten Verfahrens. Da eine Revision gegen das Urteil vom Oberverwaltungsgericht Greifswald nicht zugelassen wurde, hat das Landesministerium nun eine Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Ziel eingereicht, doch noch in Revision gehen zu können. Um die nun entstandene Regelungslücke zu schließen, arbeitet das Agrarministerium parallel mit Hochdruck an einer neuen Düngelandesverordnung. Ziel ist, bis zum Beginn der Düngesaison im März Rechts- und Planungssicherheit für die Landwirte zu schaffen.
Hinzu kommt, dass die Europäische Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen nicht adäquater Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie klargestellt hat, dass die Bundesvorschriften geändert werden müssen. Ziel der EU-Kommission ist ein wirksamer Schutz des Grundwassers, verbunden mit der Erwartung, dass künftig in allen Bundesländern – und damit auch in Mecklenburg-Vorpommern – deutlich mehr «rote» Gebiete ausgewiesen werden. Im Laufe des nächsten Jahres wird es also zu einer geänderten Rechtslage kommen; in diesem Zuge wird dann auch die Landesregelung wiederum anzupassen sein.
Nachtrag: 850’000 Euro Zwangsgeld pro Tag sind längst in Aussicht gestellt
Zur nationalen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie in Deutschland ist am 01. Mai 2020 die aktuell geltende Düngeverordnung (DüV) in Kraft getreten. Wer die Diskussion verfolgt hat kann sich erinnern, dass das Thema hierzulande ein heißes Eisen ist. Der Deutsche Bauernverband und ihm folgend die deutsche Agrarpolitik haben über Generationen versäumt, die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen. Angesichts des nach wie vor nicht aufgelösten Reformstaus mussten 2019 sowohl die damalige Bundesministerin Svenja Schulze (BMU) als auch die damalige Bundesministerin Julia Klöckner (BMEL) versuchen zu retten, was noch zu retten ist – mit Blick auf die in Aussicht gestellten Strafzahlungen, die den deutschen Steuerzahler bis zu 850’000 Euro Zwangsgeld pro Tag kosten können. 310 Millionen Euro pro Jahr, die sich auch anderswo gut verwenden ließen.
Hintergrund: Mit Urteil vom 21. Juni 2018 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Deutschland die Nitrat-Richtlinie verletzt. Der Verstoß liegt darin, dass die Bundesrepublik im September 2014 keine weiteren «zusätzlichen Maßnahmen oder verstärkte Aktionen» zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus der Landwirtschaft ergriffen habe, obwohl deutlich gewesen sei, dass die bis dahin ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichten. Die am 02. Juni 2017 in Kraft getretene novellierte DüV war nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern die alte Düngeverordnung von 2006. Auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs sieht die Europäische Kommission allerdings auch Anpassungsbedarf an der Düngeverordnung aus 2017. Wie sich im Juli 2021 herausstellte, sieht sie den Anpassungsbedarf auch an der Düngeverordnung aus 2020. In der Bundespolitik und in Abstimmung mit dem Deutschen Bauernverband war das wohl der kleinste gemeinsame Nenner, der (a) von der konventionellen Agrarindustrie kein Umdenken verlangte und (b) den Schutz unseres Trinkwassers weiter unter «ferner liefen» behandelte … (Foto: pixabay.com).
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