Helsinki / FI. (eb) Auf dem Weg in die Zukunft jeden Stein akribisch umgedreht hat die finnische Fazer Group. Von außen sichtbar durch viele Meldungen, die uns besonders im Covid-19-Jahr 2020 in kurzem Takt darüber informierten, wer kommt und wer geht, wo Arbeitsplätze abgebaut und wieder aufgebaut werden, welcher Geschäftsbereich gefördert wird und welches klassische Segment an seiner Ertragskraft arbeiten muss. Langsam schält sich nun die «neue» Gruppe heraus, die erstmals Informationen über den Geschäftsverlauf in Übereinstimmung mit den International Financial Reporting Standards (IFRS) veröffentlicht. Noch sind die Zahlen aus der konsolidierten Jahresrechnung 2020 ungeprüft. Doch sie geben uns soliden Einblick in eine komplexe Transformation, die natürlich noch nicht abgeschlossen ist. Doch unverkennbar: Die nordeuropäische Gruppe, in der Vergangenheit oft «nur» als Bäckereigruppe wahrgenommen, ist auf dem Weg zum internationalen Fast-Moving-Consumer-Goods-Konzern (FMCG).
Die Gruppe blickt in diesem jahr auf ihr 130-jähriges Bestehen zurück. Gegründet 1891 von Karl Fazer in Helsinki, ist der heutige Konzern in acht Ländern tätig und exportiert in rund 40 Länder. Im Jahr 2020 erwirtschaftete die Fazer Group einen Nettoumsatz von 1,1 Milliarden Euro und beschäftigte fast 8.500 Mitarbeitende. Das beste Geburtstagsgeschenk haben sich die Finnen mit dem Jahresabschluss 2020 selbst gemacht: «Fazers Widerstandsfähigkeit gegenüber der Pandemie in Kombination mit den Anstrengungen zur Verbesserung der Profitabilität führte zu einer starken finanziellen Leistung für 2020,» sagt in seinem IFRS-Kommentar Christoph Vitzthum, Präsident und Vorstandsvorsitzender des Konzerns.
Kennzahlen – Laufende Geschäftstätigkeit* |
GJ-2020 |
GJ-2019 |
Veränderung |
|
Gruppenumsatz netto | Mio.EUR | 1,101.2 | 1,097.0 | 0.4% |
Betriebsergebnis vor Abschreibungen und Amortisation (Ebitda) | Mio.EUR | 117.4 | 111.2 | 5.6% |
Ebitda | % | 10.7 | 10.1 | |
Betriebsergebnis (Ebit) | Mio.EUR | 51.9 | 49.1 | 5.8% |
Betriebsergebnis (Ebit) | % | 4.7 | 4.5 | |
Gewinn vor Steuern | Mio.EUR | 41.8 | 51.6 | -19.0% |
Periodenüberschuss | Mio.EUR | 32.6 | 38.9 | -16.4% |
Anzahl Mitarbeitende zum GJ-Ende | 8,496 | 8,805 | -3.5% | |
Anzahl Mitarbeitende im GJ-Durchschnitt | 7,768 | 7,532 | 3.1% | |
Eigenkapitalrendite | % | 48.9 | 13.4 | |
Eigenkapitalquote | % | 70.7 | 52.6 | |
Gearing | % | -22.8 | 22.5 | |
(*) Fazer Food Services wurde im Januar 2020 verkauft. Eingestellte Geschäftsbereiche sind in diesen Zahlen nicht enthalten. |
Nettoumsatz stabil, Ertragskraft verbessert
Vitzthum: «2020 war eindeutig von der globalen Pandemie und den damit verbundenen disruptiven Herausforderungen geprägt. Alle unsere Märkte waren von der Covid-19-Pandemie betroffen. Am stärksten betroffen waren unser Einzelhandelsgeschäft, einschließlich der Fazer-Cafés und der Gateau-Backshops, der Travel Retail von Fazer Confectionery und das Geschäft mit Tiefkühlbackwaren. Die On-the-go-Kategorien waren rückläufig, da die Verbraucher ihre täglichen Reisen und Pendelfahrten reduzierten.» Dank mehrerer Initiativen zur Effizienzsteigerung und der Agilität und Professionalität der Mitarbeitenden sei es jedoch gelungen, die Kontinuität des laufenden Geschäftsbetriebs sicherzustellen, darüber hinaus der Gesellschaft zu helfen und die Kunden zu unterstützen. Angesichts der dramatischen Krise und des Abschwungs betont Vitzthum den Stolz auf die gemeinsame Leistung im Corona-Jahr 2020. Die Widerstandsfähigkeit, die die konzerneigenen Strukturen bewiesen, in Kombination mit den Anstrengungen zur Verbesserung der Ertragskraft, besonders in den Bäckereigeschäften in Russland und Schweden, führte zu einer guten finanziellen Leistung in 2020. Der Nettoumsatz blieb stabil auf dem Niveau des Vorjahrs und die Profitabilität verbesserte sich.
Die Transformation ist nach wie vor in Gang
Christoph Vitzthum: «Der Verkauf von Fazer Food Services zu Beginn des Jahres markierte den Beginn unserer Reise hin zu einem integrierten FMCG-Unternehmen. 2020 wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, um operative Exzellenz, Synergien und Wertsteigerung zu fördern. Wir haben zudem mit der Umsetzung eines neuen Betriebsmodells begonnen, das Änderungen in der kommerziellen Organisation, im Marketing und im Einkauf sowie eine Reorganisation der Gruppenfunktionen umfasst.» Zu den Maßnahmen zwecks Steigerung der Effizienz in der Produktion gehörte auch die Entscheidung, die Produktion von Xylit-Pastillen und Kaugummi vom Werk Karkkila im Süden nach Lappeenranta in Südkarelien zu verlagern sowie die Produktion von Fazer Yosa Haferprodukten von Kaarina im Südwesten nach Koria im Südosten.
«Wir haben auch unsere Wachstumsstrategie in Übereinstimmung mit unserer aktualisierten Vision «Towards Perfect Days» weiter umgesetzt. Im Laufe des Jahres haben Fazer Bakery und Fazer Confectionery ihre Marktpositionen weiter gestärkt, besonders in Finnland, aber auch in anderen Heimatmärkten. Die Turnaround-Projekte von Fazer Bakery in Russland und Schweden schritten mit guten Ergebnissen voran und unterstützen die gute finanzielle Entwicklung der Gruppe», sagt Vitzthum in seinem ausführlichen Bericht nach IFRS-Standard. Die Turnaround-Arbeiten gehen sowohl in Schweden als auch in Russland weiter. Anfang Februar 2021 hat Fazer zum Beispiel das Betriebsmodell im Geschäftsbereich Fazer Bakery Schweden neu geordnet. Das neue Modell beinhaltet eine Wiederverkaufs- und Co-Vertriebsvereinbarung mit der schwedischen Bäckerei-Vertriebsgesellschaft Polfärskt und reduziert die Zahl der Fazer-Bäckereien in Schweden von vier auf drei. Das neue Vertriebsmodell wird die Agilität und das Service-Niveau für die Kunden erhöhen und gleichzeitig ökologisch nachhaltiger sein. Ob sich das Service-Niveau verbessert, wissen wir nicht. Wir wissen nur aus einer früheren Meldung, dass durch die Kooperation vorhandene Kapazitäten besser genutzt werden können.
Anzahl Mitarbeitende zum GJ-Ende nach Ländern |
2020 |
2019 |
2018 |
(Laufende Geschäftstätigkeit) | |||
Finnland | 3,681 | 3,808 | 3,527 |
Russland | 2,376 | 2,416 | 2,894 |
Schweden | 1,762 | 1,886 | 1,804 |
Lettland | 296 | 317 | 296 |
Litauen | 250 | 267 | 265 |
Estland | 72 | 63 | 57 |
Dänemark | 52 | 39 | 33 |
Norwegen | 7 | 8 | 8 |
USA | – | 1 | – |
Entwicklung neuer Kategorien und Erzeugnisse
Ziel des Konzerns ist, einer der führenden Anbieter von pflanzlichen Produkten in Nordeuropa zu werden. Neue Kategorien sollen kontinuierlich erschlossen und bestehende Kategorien ausgebaut werden. Mit den Investitionen in Innovation und Foodtech will Fazer seinen Fokus auf die nachhaltigen Lebensmittellösungen der Zukunft stärken. Vitzthum: «2020 wurde der Bau der Xylit-Fabrik in Lahti fortgesetzt. Die Fabrik, die ein Nebenprodukt der Hafermüllerei – Haferspelzen – zur Herstellung von Xylit mit modernster Technologie nutzt, ist einzigartig. Wir sind sehr stolz darauf, dass die Fabrik, die die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und Fazers strategischen Fokus auf Innovationen anwendet, von der Finnischen Vereinigung der Lebensmittel- und Getränkeindustrie anerkannt wurde, die der Fabrik im November 2020 den Star Act 2020 verliehen hat.» Das Werk soll noch in diesem Jahr eingeweiht werden. Ganz nebenbei ist Lahti «Grüne Hauptstadt Europas 2021», so dass Fazer allein deshalb schon den avisierten Temin kaum wird verschieben wollen.
Systematische Forschung und Entwicklung sichern den Erfolg
Im Jahresverlauf 2020 hat Fazer seine Beteiligung an Solar Foods erhöht und ist mit einem Anteil von 15 Prozent nun zum größten Aktionär geworden. Solar Foods ist ein finnisches Foodtech-Start-up, das eine neuartige Proteinzutat namens «Solein» aus CO-2 entwickelt hat (Kohlenstoffdioxid). Vitzthum: «Um die wachsende Nachfrage nach Hafer zu befriedigen und qualitativ hochwertige Zutaten für unsere Unternehmen bereitzustellen, verdoppeln wir 2021 unsere Hafermahlkapazitäten in Lahti, Finnland, und Lidköping, Schweden. Hafer wird auch weiterhin das Herzstück des Fazer Lifestyle Foods-Geschäfts und eine wichtige Zutat besonders für das Backwarengeschäft sein. Die Verwendung von Hafer in diversen Kategorien wird sich weiterentwickeln. Ein tolles Beispiel für eine echte Innovation, die auf die Bedürfnisse der Verbraucher eingeht, ist der Fazer Haferreis, der 2020 in allen nordischen Ländern eingeführt wurde. Die Neuheit wurde mit dem schwedischen Lebensmittelpreis «Livsmedelspriset 2020» ausgezeichnet. Ein starker Fokus wird weiterhin auf den Kategorien milchfreie, pflanzliche Mahlzeiten und Frühstück liegen. Systematische F+E-Arbeit trägt zu einem breiten Portfolio an Innovationen bei, auf dem weiter aufgebaut werden kann. Ausgewählte Akquisitionen spielen eine Schlüsselrolle beim geplanten Wachstum.»
Finanziell stark und mit klarer Strategie für die Zukunft
Finnlands Fazer Gruppe ist finanziell stark und hat eine klare Strategie für die Zukunft. «Wir haben hohe Wachstumsambitionen für die Zukunft, die auch eine mögliche Verbreiterung der Aktionärsbasis durch einen Börsengang irgendwann in der Zukunft eröffnen könnten. In den kommenden Jahren wollen wir sowohl organisch als auch durch verschiedene kleinere und größere transformatorische M+A-Möglichkeiten wachsen, sagt der Präsident und Vorstandsvorsitzende des Konzerns. Fazer werde sich weiterhin auf seine vier strategischen Wachstumsfelder konzentrieren: (1.) Nutzung der führenden FMCG-Marke zur Stärkung der Position in Finnland, (2.) Beschleunigung des Wachstums durch Innovationen, Trendkategorien und Foodtech, (3.) Entwicklung einer führenden Position in Nordeuropa sowie (4.) Förderung der operativen Exzellenz und Ermöglichung einer branchenführenden Rentabilität. Nachhaltigkeit war und ist ein integraler Bestandteil der Strategie. Lebensmittel zu entwickeln, die sowohl den Menschen als auch dem Planeten zugutekommen, war und ist Teil der DNA (Foto: pixabay.com).
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