Berlin. (zv) Während der Jahrespressekonferenz 2012 des Verbands Deutscher Großbäckereien hatte Verbandspräsident Helmut Klemme den versammelten Journalisten seine Sicht der Branche dargelegt – siehe WebBaecker 39/2012; thematisch geteilt in mehrere Meldungen. Daraufhin konnte Deutschland die «Düsseldorfer Sichtweise» unwidersprochen eine knappe Woche in der Tagespresse nachlesen, bevor der Einspruch aus Berlin kam – vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV). Eingeklemmt zwischen Nachbereitung der Weltleitmesse iba und anderen Terminen ist die etwas längere Reaktionszeit nachvollziehbar. Vielleicht war der Zentralverband auch nur erstaunt, denn: Das Hinterfragen der eigenen Identität und die Entwicklung hin zu einem modernen, leistungsfähigen, vielseitigen und nach wie vor sehr individuellen Handwerk war und ist seit langem eines der bestimmenden Themen im Bäckerhandwerk. In diesem Sinn liest sich der Konter des Zentralverbands, der am Freitagmittag die Redaktionen erreichte, auch nicht «verärgert», sondern allenfalls unwillig. Wer versteht schon die Meinungsverschiedenheit, alle paar Jahre aufgekocht, außerhalb der Branche? Ein Un-Thema also, zu dem der ZV zum Wochenschluss Stellung bezog. Andererseits von Nutzen sowohl für die einen als auch die anderen, denn mit dem Austausch der Groß- und Handwerksbäcker über die Medien entsteht Reibung, und Reibung erzeugt Energie. Nachfolgend die Stellungnahme aus Berlin:
«Totgesagte leben länger»: Unkenrufe der Brotindustrie entbehren ihrer Grundlage
Das Deutsche Bäckerhandwerk unterliegt schon seit Jahrzehnten einem Konzentrationsprozess hin zu größeren Betrieben mit mehreren Filialen. Den Schwanengesang, den Helmut Klemme, Präsident der Brotindustrie, in seiner Rede anlässlich der Pressekonferenz am 24. September in Frankfurt anstimmte, hält Peter Becker, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, dennoch für maßlos übertrieben:
«Totgesagte leben länger als erwartet. Wir sind positiv gestimmt, dass unsere Bäckermeister mit Qualität, Regionalität und Tradition auch künftig den Verbraucher erreichen. Vor dem Hintergrund, dass auch die Brotindustrie in den letzten Jahren einen deutlichen Abschmelzungsprozess hinnehmen musste, werte ich die Ausführungen von Herrn Klemme als Wunschdenken und Ablenkung von eigenen Problemen. Kleine, mittlere und große Handwerksbetriebe werden ganz sicher nicht von der Bildfläche verschwinden. Daher sind wir sehr optimistisch, dass sich die Kunden auch zukünftig für die Qualität und das Handwerk ‘per Abstimmung mit den Füßen’ entscheiden werden».
Zwar lag der mengenmäßige Marktanteil der handwerklichen Bäckereien inklusive Vorkasse am Brotmarkt im Jahr 2011 nur noch bei 35,5 Prozent (Zahlen: Gesellschaft für Konsumforschung, GfK). Auf den Umsatz hochgerechnet sind es immerhin noch 47,5 Prozent. Ähnlich sieht es beim Kleingebäck (mengenmäßig 58,1 Prozent, nach Umsatz 68,6 Prozent) und bei den Feinen Backwaren (mengenmäßig 67,8 Prozent, nach Umsatz 78,0 Prozent) aus. Als neuer Wettbewerber von Brotindustrie und Bäckerhandwerk ist dabei auch der Lebensmittel-Einzelhandel zu sehen. Er beginnt mit eigenen Teiglingswerken und durch Importe von tiefgefrorenen Teiglingen den Markt zu besetzen. Diese Entwicklung wird die Brotindustrie stärker treffen als das Bäckerhandwerk, da die Brotindustrie traditionell den LEH mit verpackten Backwaren beliefert.
Dabei ist der boomende Sektor des Außer-Haus-Marktes noch gar nicht berücksichtigt, in dem das Bäckerhandwerk zu den Marktführern gehört. Der Außer-Haus-Verkauf insbesondere beim Frühstück bietet Handwerksbäckern große Marktchancen mit kontinuierlichem Steigerungspotenzial. Auch Ausschank und Röstung von Kaffee versprechen in Deutschland, dem Land der Kaffeetrinker, beste Verdienstmöglichkeiten. Weiterhin im Kommen sind das Frontbaking und offene Backstuben, bei denen der Kunde den Bäcker bei der Arbeit beobachten kann. All dies sind Marktsegmente, die die Brotindustrie nicht bedienen kann.
In Sachen Sortimentsstruktur kann der Bäcker ebenfalls leichter und schneller auf Kundenwünsche reagieren und diese in ein gut sortiertes, kleineres Warenangebot mit wechselnd neuen Produkten übersetzen.
«Das Bäckerhandwerk setzt auf Qualität, Regionalität, Tradition und den Außer-Haus-Markt. Hier liegt unsere Zukunft. Und hier sind unsere Betriebe nicht zu ersetzen“, sagt RA Amin Werner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. «Kunden, die beim Handwerksbäcker kaufen, bekommen für ihr Geld nicht nur das beste Brot der Welt, sondern erwerben gleichzeitig auch ein Stück Lebensqualität und Kultur mit dazu. Damit heben wir uns von vielen Länder, wie Amerika und England, ab».