Freitag, 19. April 2024
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TTIP, CETA + Co.: Einige EU-Herkunftsbezeichnungen gelten in den Vereinigten Staaten als «generisch»

Bonn. (gtai) Auch der Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen im Nahrungsmittelsektor ist ein Thema der Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Die EU hat im Zuge größerer Transparenz im Frühjahr 2015 aktuelle Informations- und Positionspapiere veröffentlicht, in denen sie eine Liste geschützter EU-Herkunftsbezeichnungen und feste Regeln zum Schutz vor Missbrauch fordert. Viele US-Nahrungsmittelhersteller betrachten diesen Wunsch jedoch als eine Form von Handelsprotektionismus – berichtet Germany Trade + Invest (GTAI 2015) wie folgt.

In den USA sind sowohl einige US-spezifische geographische Herkunftsbezeichnungen als auch einige geographische Bezeichnungen der EU bei der dort zuständigen Behörde United States Patent and Trademark Office (USPTO) registriert. Dazu zählen die Bezeichnung «Roquefort» für den Schafskäse aus der französischen Gemeinde Roquefort und «Fontina DOP Zona die Produzione Regione Autonoma Valle d’Aosta» für den italienischen Käse aus der genannten Herkunftsregion. Die Bezeichnung «Fontina» ohne weitere Zusätze ist jedoch seit einigen Jahren nicht mehr dort registriert und wird auch von US-Käseherstellern für ihre in den USA hergestellten Käseprodukte gleichen Typs verwendet. Sie begründen dies damit, dass die Bezeichnung für in den USA hergestellte gleichartige Käseprodukte dort schon lange gängig und daher generisch sei. Geographische Bezeichnungen, die in den USA generisch sind, schützt das US-Recht nicht.

Grundsätzlich vertreten US-Hersteller die Ansicht, dass für Produkte, die nicht aus der EU stammen, trotzdem eine entsprechende geographische Bezeichnung verwendet werden kann, wenn klar aus dem Wortlaut hervorgeht, dass die Produkte in den USA hergestellt wurden (so zum Beispiel bei der Bezeichnung «Korbel California Champagne»).

Die EU-Kommission nennt in einem im Frühjahr Anfang 2015 auf ihrer Internetseite veröffentlichten Informationspapier eine solche Praxis schlicht irreführend für US-Verbraucher und weist darauf hin, dass EU-Hersteller dadurch in eine ungünstige Wettbewerbsposition gedrängt werden. Andererseits sehen viele US-Hersteller den Wunsch der EU nach einem umfassenderen Schutz von geographischen Angaben im TTIP als protektionistisch an.

Unterschiedlicher Rechtsschutz für geographische Herkunftsbezeichnungen

Die Kommission weist als einen Grund für den unterschiedlichen Umgang mit geographischen Angaben auf die jeweils in den USA und in der EU unterschiedliche Rechtslage hin.

Das EU-Recht räumt Bezeichnungen wie «Fontina»; «Champagner» oder deutschen geographischen Herkunftsbezeichnungen wie «Aachener Printen» die Möglichkeit des Schutzes als «geschützte Ursprungsbezeichnung» («g.U.» – zum Beispiel «Allgäuer Emmentaler g.U.») oder als «geschützte geographische Angabe» («g.g.A.» – zum Beispiel «Schwäbische Spätzle») ein. Überdies kann die traditionelle Zusammensetzung beziehungsweise ein traditionelles Herstellungsverfahren eines Erzeugnisses als «garantiert traditionelle Spezialität» («g.t.S.» – zum Beispiel «Pizza Napoletana») eingetragen werden. Das Gütezeichen «g.U.» garantiert, dass ein Produkt in einem bestimmten geographischen Gebiet nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren erzeugt, verarbeitet und hergestellt worden ist. Das Gütezeichen «g.g.A.» soll eine Verbindung der Erzeugnisse mit dem Herkunftsgebiet dokumentieren, wobei es ausreicht, wenn nur eine Produktionsstufe (also Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung) im Herkunftsgebiet durchlaufen worden ist. Das Gütezeichen «g.t.S.» bezieht sich nicht auf einen geographischen Ursprung, sondern hebt die traditionelle Zusammensetzung eines Produktes oder ein traditionelles Herstellungs- und/oder Verarbeitungsverfahren hervor.

EU-Hersteller eines zu registrierenden Erzeugnisses schließen sich für eine Registrierung zusammen und stellen einen Antrag bei der zuständigen nationalen Behörde. Nach Prüfung durch die EU-Kommission wird die Herkunftsbezeichnung des Erzeugnisses nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt und nach Ablauf einer Einspruchsfrist registriert. Informationen über alle als «geschützte Ursprungsbezeichnung», «geschützte geographische Angabe» oder «garantiert traditionelle Spezialität» registrierte Produktbezeichnungen finden sich in der «Database of Origin and Registration» (DOOR) der EU-Kommission («EU Qualitätsregister»).

In den USA regelt der U.S. Trademark Act («Lanham Act») den Schutz und die Registrierung von Warenzeichen. In den einzelnen Bundesstaaten gelten zusätzliche Bestimmungen. Zuständige Behörde ist das United States Patent and Trademark Office (USPTO). Hersteller können geographische Herkunftsbezeichnungen in den USA durch eine Registrierung als Handelsmarke (trademark, certification mark, collective trademark) beim USPTO schützen. Die Bezeichnung «Fontina DOP Zona di Produzione Regione Autonoma Valle d’Aosta» mit entsprechendem Design ist zum Beispiel als «trademark» registriert, Inhaber beziehungsweise registrierende Instutution ist ein Konsortium von italienischen Herstellern des Produktes. Eine Marke kann in den USA nur dann als «trademark» registriert werden, wenn Konsumenten neben dem geographischen Aspekt mit dem Produkt auch eine «Quelle», zum Beispiel einen bestimmten Hersteller oder eine Gruppe von Herstellern verbinden (secondary meaning/acquired distinctiveness).

Andernfalls ist eine Registrierung als «certification mark» möglich. Im Falle der Bezeichnung «Roquefort» hat zum Beispiel die französische Gemeinde Roquefort die Marke registriert. Letzter gelisteter Inhaber ist ein Zusammenschluss von Schafsmilchproduzenten der Gemeinde Roquefort. Häufig nutzt der Inhaber die Marke nicht selbst, sondern überwacht deren korrekte Nutzung. Der Markenschutz bezieht sich nicht auf den Ursprung des Produktes sondern besagt vielmehr, dass Produkte, die mit der Bezeichnung «Roquefort» in den Handel gehen, vom Inhaber der Marke nach bestimmten Kriterien getestet und inspiziert wurden. Es handelt sich also um eine Zertifizierung, die nicht zwangsläufig durch den Hersteller erfolgt. Jede Institution, die die Testkriterien erfüllt, kann das «certification mark» nutzen.

Eine als «collective trademark» registrierte Marke kann nur von den Mitgliedern eines organisierten Kollektives, zum Beispiel einer Kooperative verwendet werden und identifiziert ein Produkt als ausschließlich von einem Mitglied dieser Kooperative hergestellt.

Die Laufzeit für am und nach dem 16.11.1989 in den USA registrierte Marken beträgt im Allgemeinen zehn Jahre, sofern die Inhaber der Handelsmarken alle weiteren Voraussetzungen des U.S. Trademark Act erfüllen. Beim USTPO registrierte Marken sind im «Trade Electronic Search System» des USTPO gelistet. Überdies können inländische und ausländische Hersteller ihre in den USA registrierten Marken bei der Zollbehörde CPB elektronisch erfassen lassen (Intellectual Property Rights e-Recordation application). US-Hersteller, die sich durch registrierte Marken anderer Hersteller geschädigt sehen, können beim USTPO ein Annulierungsverfahren eröffnen.

Kernpunkt der TTIP-Verhandlungen ist aus Sicht der EU der Weg zur Einigung auf eine konkrete Liste geographischer Herkunftsbezeichnungen der Handelspartner, für die die EU einen umfassenden Schutz erreichen will. Da die meisten EU-spezifischen geographischen Herkunftsbezeichnungen außerhalb der EU unbekannt sind, handelt es sich für die EU tatsächlich nur um eine begrenzte Zahl. Gesondert und exklusiv fordert die EU darüber hinaus einen Schutz für 17 in Anhang II des Abkommens zwischen der EU und den USA aus dem Jahr 2006 über den Handel mit Wein aufgeführte Weinnamen und einige geographischen Angaben für Spirituosen. Entscheidend ist aus Sicht der EU die Durchsetzbarkeit eines solchen Schutzes.

Kontaktadressen zu weiterführenden Informationen

Verhandlungspapier der EU-Kommission zu geistigem Eigentum und geographischen Angaben
Database of Origin and Registration der Europäischen Kommission
Trade Electronic Search System des United States Patent and Trademark Office
Intellectual Property Rights e-Recordation application
Konsolidierter Text des CETA-Abkommens
TRIPS Abkommen als Basisschutz von 1994

Blaupause CETA

Die EU und Kanada haben sich im Herbst 2014 auf den konsolidierten Text des «Comprehensive Economic and Trade Agreement» geeinigt. Die EU-Kommission hat den Text am 26.9.2014 veröffentlicht. Das Abkommen wird oft als «Blaupause» für TTIP bezeichnet. Daher lohnt ein Blick auf die Regelungen zu geographischen Herkunftsbezeichnungen im Nahrungsmittelbereich. Die EU hat mit Kanada einen erhöhten Schutz für zahlreiche geographische Bezeichnungen regionaler Spezialitäten ausgehandelt.

Die EU und Kanada haben sich auf eine Liste geographischer Bezeichnungen von EU-Produkten verständigt. Diese Bezeichnungen dürfen ausschließlich für Produkte verwendet werden, die in bestimmten Regionen der Mitgliedstaaten nach den dort geltenden gesetzlichen Regelungen hergestellt wurden. Dazu zählen auch einige deutsche Produkte, wie etwa «Bayerisches Bier», «Schwarzwälder Schinken», «Aachener Printen» und «Nürnberger Lebkuchen». Die unter Punkt 22, Anhang I Teil A des vorläufigen Textes («Geographical Indications identifying a product originating in the European Union») aufgeführten geographischen Bezeichnungen dürfen von wenigen Ausnahmen abgesehen, in Kanada selbst dann nicht für dort hergestellte Produkte verwendet werden, wenn daraus hervorgeht, dass die Produkte nicht aus der EU stammen oder etwa Formulierungen wie «Art», «Typ», «Stil» («kind», «type», «style», «imitation») oder ähnliches im Zusammenhang mit der geographischen Angabe verwendet werden.

Einige wenige in Anhang I Teil A aufgeführte EU-Angaben dürfen von kanadischen Herstellern künftig nur in Kombination mit Bezeichnungen wie «Art», «Typ» oder «Stil» verwendet werden. Dazu zählen die geographischen Angaben der Käseprodukte «Asiago», «Feta», «Fontina», «Gorgonzola» und «Munster». Ausnahmen gelten zum Beispiel für Hersteller, die diese Angaben schon vor dem 18. Oktober 2013 für Käseprodukte verwendet haben. In diesen Fällen dürfen die Angaben weiter verwendet werden. Gleiches gilt auch für die Angabe «Nürnberger Bratwürste», falls diese schon mehr als fünf Jahre vor dem 18. Oktober 2013 für ein kanadisches Produkt der entsprechenden Kategorie verwendet wurde.

Einige in Anhang II (a) des Abkommens aufgeführte in Kanada verwendete geographische Angaben dürfen sowohl in englischer als auch in französischer Version von kanadischen Herstellern auch weiterhin verwendet werden. Dazu zählen zum Beispiel die Bezeichnungen «Bavarian Beer» / «Bière Bavaroise» oder «Black Forest Ham» / «Jambon Forêt Noire». Kanada hatte bis zum 26. September 2014 noch keine zu schützenden geographischen Bezeichnungen definiert.

TRIPS schafft Basisschutz

Das «Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights» Agreement (TRIPS Agreement) beinhaltet einen Basisschutz für geographische Angaben beziehungsweise Ursprungsbezeichnungen mit einem Zusatzschutz für Weine und hochprozentige alkoholische Getränke. Das Abkommen untersagt den WTO-Staaten den Missbrauch von Herkunftsbezeichnungen. Es schafft jedoch unter anderem Ausnahmeregelungen für geographische Angaben eines WTO-Staates, die gleichzeitig in einem anderen WTO-Staat für ein Produkt gemeinsprachlich gebräuchlich («generisch») sind. Das TRIPS ist Bestandteil des Abkommens über die Gründung einer Welthandelsorganisation (Marrakesh Agreement Establishing the World Trade Organization – Annex 1 C) vom 15. April 1994 (Quelle: GTAI 2015 Germany Trade + Invest).

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