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20181122-GETREIDE-MEHL-BROT

VGMS: Getreidesorten bestimmen Mehl- und Backqualitäten

Berlin. (vgms) Die Bedeutung des Proteingehalts muss im Hinblick auf Sortenbewertung und Bezahlung überdacht werden. Die unterschiedlichen Funktionalitäten der Weizensorten sichern die notwendige Backqualität. Hierfür sind jedoch ein Umdenken in der Wertschöpfungskette und neue Konzepte für die Rohstoffbeschaffung gefragt. Über diese und weitere Themen diskutierten rund 90 Züchter, Händler, Müller und Bäcker im Rahmen der Getreidetagung des Verbands der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft VGMS Anfang Juli in Weihenstephan.

«Geringe Unterschiede im Proteingehalt entscheiden bei der Erfassung häufig über Qualitätszu‐ oder‐abschläge», sagt Lorenz Hartl vom Landesamt für Landwirtschaft in Freising auf der VGMS‐Getreidetagung in Weihenstephan. Neben den umweltbedingten Schwankungen wird die Backqualität einer Partie weniger durch die Proteinmenge als vielmehr durch die spezifischen Proteinqualitäten der unterschiedlichen Sorten bestimmt. Mit der weiteren Verschärfung der Düngeverordnung wird eine Verminderung des Proteingehalts des Getreides einhergehen.

Die Analyse der Erntedaten und die von der Düngeverordnung vorgegebenen Bedarfswerte für die Qualitätsgruppen haben zu der Entscheidung des Bundessortenamts geführt, den Rohproteingehalt weiter zu beschreiben, aber nicht mehr bei der Zuordnung der Sorten zu Qualitätsgruppen zu berücksichtigen. Dirk Rentel vom Bundessortenamt in Hannover erwartet, dass mit der Verschärfung der Düngeverordnung die N‐Effizienz der Sorten weiter an Bedeutung gewinnen wird. Sorten, die bei gegebenem Ertragsniveau mehr Protein aus dem verfügbaren Stickstoff synthetisieren, sind zur Erfüllung von Handelsnormen und damit für die Vermarktung von Vorteil. Bei der Sortenwahl muss der Anbauer damit künftig verstärkt die Beschreibung des Rohproteingehalts beachten und sich des entsprechenden Risikos hinsichtlich der Erfüllung der zugehörigen Handelsanforderungen bewusst sein. Mit dieser Entscheidung setzt das Bundessortenamt den Schlussstrich unter die seit über 25 Jahre geführte Diskussion.

Neue Konzepte können die Folge sein: Sollte nicht die Sortenidentität als Kriterium verstärkt herangezogen werden? Es gibt viele Beispiele aus der Praxis, die Alternativen aufzeigen. Die Okermühle ist ein Beispiel, wie alternative Konzepte funktionieren können. Voraussetzung ist eine enge Kooperation der Marktpartner. Joachim Kuhlmann, Einkäufer in der Hedwigsburger Okermühle, interessiert die Sortenliste nur, um zu sehen, wie die Eigenschaften der einzelnen Sorten bewertet werden. Dabei ist die Einstufung nach E‐, A‐, B‐ oder C‐Sorte für seine qualitative Bewertung unbedeutend. Er hält die Veränderung der Protein‐Bewertung in der Bundessortenliste für die Okermühle für nur am Rande interessant. «Bereits in der Vergangenheit haben wir die qualitative Eiweißbewertung ausschließlich über die Feuchtklebergehalte vorgenommen», sagt Kuhlmann. Die Okermühle bezieht bereits seit Jahrzehnten Getreide nach definierten Kriterien, so werden die Weizensorten für den Vertragsanbau vorgegeben. «Wir steuern die Mehlqualitäten, die unsere Kunden wollen, über die Sorte. Entsprechend wird preislich ebenfalls nach Sorten abgerechnet», sagt Kuhlmann bei seinem «letzten großen Auftritt» bevor er im Herbst in den Ruhestand geht.

Ein Umdenken in der Wertschöpfungskette und neue Ideen für die Rohstoffbewertung sind gefragt. Dies gilt auch für Überlegungen beim Einstieg in das Ökosegment. Die Ökoflächen in Deutschland wachsen langsam, aber stetig. Die Herausforderungen für Landwirtschaft, Erfasser aber auch Verarbeiter sind groß. Die Vermarktungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Sind Erfasser, Mühlen aber auch Bäcker den neuen Märkten tatsächlich gewachsen? Jochen Geiger aus dem Handelshaus Beiselen in Ulm ist sich sicher: «ohne Konzepte für die Wertschöpfungskette bei bestehenden Strukturen werden wir die Chancen, die der Ökomarkt bietet, schwerlich nutzen können».

Die Getreidetagung in Weihenstephan war mit 87 Teilnehmer die bestbesuchte in den vergangenen Jahren und dabei ist viel diskutiert worden. Initiiert als Sortengespräch ist die Getreidetagung 2019 mit dem hochaktuellen Thema Sorteneigenschaften wieder dort angekommen, wo sie einmal angefangen hatte (Foto: pixabay.com).