Hannover. (biv) Bisher schien es so, dass Bäckereien, die ihren Mitarbeitern einen Bruttostundenlohn von mindestens 8,50 Euro zahlen, mit dem neuen Mindestlohngesetz kein Problem haben werden. Das eingehende Studium der «MiLoG»-Paragrafen offenbart jedoch manche Fußangel, die zum gefährlichen Fallstrick werden kann – besonders für kleine und mittlere Betriebe, die ihre Lohnbuchhaltung noch selbst erledigen. Mehr als 40 Bäckerei-Inhaber und ihr kaufmännisches Führungspersonal sind bei einem «MiLoG»-Seminar des Bäckerinnungsverbands Niedersachsen / Bremen (BIV) kompetent auf diese Klippen eingestellt worden.
Ein in Bäckereien häufig vorkommender Fall ist die Beschäftigung von Praktikanten. Sie haben im Gegensatz zu regulären Arbeitskräften prinzipiell zwar keinen Mindestlohnanspruch, allerdings zumeist nur für drei Monate. Bei einem Pflicht-Praktikum im Rahmen einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung sollte dem – möglichst schriftlichen – Praktikumsvertrag auch die entsprechende Bescheinigung der Schule oder Hochschule angehängt sein. Das schafft bei behördlichen Kontrollen schnell Klarheit über die vom Mindestlohn abweichende Entlohnung, erläuterten die beiden Referentinnen Katrin Engler und Christiane Mero von der Hannoverschen Rechts- und Steuerberatungsgesellschaft Gehrke Econ.
Auch für freiwillige Praktika gilt, dass kein Mindestlohn gezahlt werden muss. Aber Vorsicht: Überschreitet die Praktikumsdauer die drei Monate auch nur um einen Tag, werde der Mindestlohn auch rückwirkend für die gesamte Praktikumsdauer fällig. Es sei Betrieben im Übrigen nicht möglich, ein und dieselbe Person nach größerem Zeitabstand wieder zu einem neuen, gering bezahlten Praktikum einzustellen. Dann sei vom ersten Tag an Mindestlohn zu zahlen. Weitere Ausnahmen gelten zum Beispiel für Jugendliche unter 18 Jahren, Langzeitarbeitslose oder Beschäftigte im Rahmen von Einstiegsqualifizierung und Berufsbildungsvorbreitung.
Genaue Aufzeichnung der Arbeitsstunden
Auch wenn das MiLoG Arbeitszeitkonten nicht vorschreibt, so sei es doch sinnvoll, solche sogenannten «Flexi-Konten» für die Belegschaft zu vereinbaren. Auch hier sei die Schriftform die sichere Variante. Wenn sich Überstunden ansammeln, müssen sie innerhalb von zwölf Monaten durch Freizeit oder Zahlung des Mindestlohns ausgeglichen werden. Die Anzahl der Überstunden darf außerdem pro Monat die Hälfte der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht überschreiten.
Besondere Aufmerksamkeit müssen Betriebe bei den Minijobs auf 450-Euro-Basis walten lassen. Auch für diese Arbeitnehmer gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro. Eventuell muss also die Stundenzahl angepasst werden, damit die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wird. Bei einer Sozialversicherungsprüfung würden andernfalls Nachzahlungen an die Sozialversicherung fällig. Außerdem könne ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstoßes gegen das MiLoG folgen. Das Gesetz ermögliche Geldbußen bis zu 500.000 Euro. Aber schon kleinere Bußgelder können das Unternehmen empfindlich treffen: Hat die Verwaltungsbehörde ein Bußgeld von mindestens 2.500 Euro festgesetzt – wobei der Bescheid noch nicht einmal rechtskräftig sein muss – ist das Unternehmen von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen. Schon Geldbußen von mehr als 200 Euro werden ins Gewerbezentralregister eingetragen.
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns kann unter Umständen zu kräftigen Lohnkostensteigerungen führen. Um so wichtiger sei es, die vom Betrieb gewährten Zulagen und Zuschläge daraufhin zu prüfen, ob sie zusätzlich zum Mindestlohn zu zahlen sind oder nicht. Genauso sorgsam müsste die tatsächliche Arbeitszeit erfasst werden, betonten die Expertinnen des BIV-Seminars: «Machen Sie sich bewusst, dass jede Arbeitsstunde zu vergüten ist!» Bloße Anwesenheit im Betrieb sei nicht mit Arbeitszeit gleichzusetzen. Raucherpausen, aber auch Pausen für Frühstück oder Mittagessen sollten daher extra erfasst werden. Das Gesetz schreibe keine elektronische Zeiterfassung vor, auch Papierbelege seien statthaft. Unabhängig davon sollten Arbeitszeiten jedoch «zeitnah und lückenlos» aufgezeichnet werden.
Auftraggeber haftet auch für Subunternehmer
Der Gesetzgeber hat mit dem MiLoG auch die Hintertür zugeschlagen, dass sich über die Einschaltung von Subunternehmern, die es vielleicht mit dem Mindestlohn nicht so genau nehmen würden, Kosten senken ließen. Der Schnitt ist vergleichsweise radikal: Das MiLoG schreibt eine Generalunternehmerhaftung vor. Betriebe also, die Werk- oder Dienstleistungen an andere Unternehmen vergeben, haften für die Einhaltung des Mindestlohns auch bei ihren Auftragnehmern, und zwar verschuldensunabhängig «wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat». Hiergegen sollte man sich durch eine schriftliche Zusicherung seines Subunternehmers absichern, dass er die Vorschriften des MiLoG selbst auch einhält.
Wie weit das unbeschränkte Haftungsrisiko für die gesamte Auftragskette besteht, sei derzeit noch unklar, erläuterte die Arbeitsrechtlerin Katrin Engler. Es sei davon auszugehen, dass diese und viele weitere Unsicherheiten über die Anwendung des Mindestlohngesetzes erst durch die Rechtsprechung der Obergerichte beseitigt werde.
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