Freitag, 29. März 2024
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Zukunftskommission: entwirft Skizze für Gesellschaftsvertrag

Frankfurt. (dlg / eb / bund) Gemeinsame Stellungnahme von BDL, BDP, BVE, DBV, DLG, DRV, IVA, LSV, VLK und ZVG wie folgt: Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ist gestern (28. Juni) mit einem klaren Bekenntnis zum Zukunftsstandort Deutschland zu Ende gegangen. Das ist für die ZKL-Teilnehmer aus Agrar- und Ernährungswirtschaft ein wichtiger Meilenstein und Grundlage für die Gestaltung des weiteren nachhaltigen Transformationsprozesses.

Alle Beteiligten an der ZKL haben ihre Dialog- und Kompromissbereitschaft unter Beweis gestellt. Nach neun Monaten und zahlreichen Arbeitsgruppen- und Plenarsitzungen sind sich alle Seiten nähergekommen und dabei auch mehrfach über ihren Schatten gesprungen. Im Ergebnis liegt nun ein Abschlussbericht vor, der nicht als Ende, sondern als Grundstein und Auftakt zu weiteren Gesprächen verstanden werden sollte. Die Agrar- und Ernährungswirtschaft ist bereit, den Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft entschlossen weiterzugehen.

Es darf keine Verlagerungen ins Ausland geben: Für eine erfolgreiche Transformation des Agrar- und Ernährungssystems müssen alle Maßnahmen so angelegt sein, dass Produktionsverlagerungen, sogenannte Leakage-Effekte vermieden werden, betonen die ZKL-Teilnehmer der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Daher ist ein EU-weiter Ansatz dringend geboten.

Die ZKL ist sich einig, dass nur eine ausreichende Wertschöpfung am Markt die Zukunftsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe sichert. Erforderlich sind deshalb zusätzliche ökonomische Anreize zur Vermeidung respektive Verringerung externer Kosten und zur Förderung des externen Nutzens von Agrarproduktion und Ernährungssystem. Im Einvernehmen wurde festgehalten, dass die Landwirtschaft die enormen Kosten der Erneuerung nicht allein stemmen kann, vielmehr müssen Unternehmen und Gesellschaft gemeinsam in die Zukunft der deutschen Landwirtschaft investieren. Dabei wird deutlich, dass dieser Prozess nicht nur von der Wirtschaft eine hohe Anpassungsgeschwindigkeit erfordert. Der Wandel wird nur als gesamtgesellschaftlicher Ansatz erfolgreich sein.

Die landwirtschaftlichen und gärtnerischen Betriebe agieren auf einem gemeinsamen EU-Binnenmarkt und stehen im direkten Wettbewerb mit ihren europäischen Nachbarn. Der europäische und internationale Handel nimmt hier eine wichtige Rolle ein. Er ist mit Vorteilen für (Land-)Wirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher verbunden, wenn er nach gemeinsamen Regeln funktioniert und eine nachhaltige globale Entwicklung befördert. In diesem Sinne begrüßen die Verbände die Anerkennung und Unterstützung der ZKL für ihre Handelstätigkeit.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) soll weiterentwickelt und zusammen mit weiteren nationalen Ansätzen genutzt werden, um den Umbau der Landwirtschaft zu beschleunigen und gleichzeitig den Wirtschaftsbeteiligten Planungs- und Investitionssicherheit zu geben. Die Transformationsprozesse in der Landwirtschaft werden sehr grundlegend sein und hohe Veränderungsgeschwindigkeit erfordern. Auf unterschiedlichen Ebenen muss dieser Weg durch Bildung, Beratung und angewandte Forschung unterstützten und begleitet werden.

Entscheidend ist, dass nur bei verlässlichen ökonomischen Perspektiven die Betriebe in der Lage sein werden, die Aufgaben und Herausforderungen auch tatsächlich anzugehen und insbesondere Junglandwirtinnen und Junglandwirten sowie potenziellen Hofnachfolgern und Hofnachfolgerinnen eine Perspektive zu geben.

Gelingen wir die nachhaltige Erneuerung nur, wenn alle Beteiligten offen sind für neue Lösungen und Technologien sowie Rahmenbedingungen schaffen, dass diese sich am Markt durchsetzen können. Dazu benötigen sie neben fundierten Bildungsgängen einen schnellen Zugang zu spezifischem Wissen und bedarfsgerechte Beratungsangebote. Die zentrale Bedeutung standort- und klimaangepasster sowie ertragreicher Pflanzen für den Wandel der Agrar- und Ernährungssysteme wurde von der ZKL bestätigt. Sie muss sich in einer umfassenden politischen Strategie für die Pflanzenzüchtung widerspiegeln. Auch in der Digitalisierung der Landwirtschaft liegt erhebliches Potenzial für mehr Nachhaltigkeit, wenn Landwirte Dünger und Pflanzenschutzmittel präziserer ausbringen und so ihren Einsatz reduzieren können.

Gemeinsam sehen die Agrar-Verbände die Tierhaltung in Deutschland mit hohen Standards hinsichtlich Tier- und Umweltschutz als ein wichtiges Argument für die Nutztierhaltung vor Ort. Die angewandte Forschung ist auch weiter aufgefordert, aufzuzeigen, wie unter hoher Schonung der natürlichen Ressourcen und unter Tierwohlaspekten der Fleischnachfrage in Deutschland entsprochen werden kann. Neue Ansätze einer ressourcenschonenden Tierhaltung sind dabei ebenso zu entwickeln wie Verfahren zur weiteren Minderung von Treibhausgasemissionen.

Die unterzeichnenden Verbände in alphabetischer Reihenfolge
  • Bund der Deutschen Landjugend (BDL)
  • Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP)
  • Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE)
  • Deutscher Bauernverband (DBV)
  • Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG)
  • Deutscher Raiffeisenverband (DRV)
  • Industrieverband Agrar (IVA)
  • Land schafft Verbindung (LSV), soweit noch vorhanden
  • Verband der Landwirtschaftskammern (VLK)
  • Zentralverband Gartenbau (ZVG)

Die vom Bundeskabinett berufenen Mitglieder der Zukunftskommission

Die von der Bundesregierung eingesetzte «Zukunftskommission Landwirtschaft» hat sich in dieser Woche einstimmig auf eine gemeinsame Position verständigt. Diese wird am 06. Juli der Bundeskanzlerin übergeben und veröffentlicht. Der Kommission gehören Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt, Wirtschaft, Verbraucher, Tierschutz und Wissenschaft an. Nach den Bauernprotesten 2020 und dem darauf folgenden Agrargipfel wurde die «Zukunftskommission Landwirtschaft» auf Vorschlag von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel eingesetzt. Zu den Mitgliedern der Zukunftskommission berief das Bundeskabinett folgende Akteure:

Vorsitz
  • Prof. Dr. Peter Strohschneider
Landwirtschaft
  • Hubertus Paetow (Präsident Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft)
  • Joachim Rukwied (Präsident Deutscher Bauernverband)
  • Petra Bentkämper (Präsidentin Deutscher Landfrauenverband)
  • Stefan Mann (Bundesvorsitzender Bundesverband Deutscher Milchviehhalter)
  • Kathrin Muus (Bundesvorsitzende Bund der Deutschen Landjugend)
  • Dirk Andresen (Sprecher Land schafft Verbindung)
  • Dr. Felix Prinz zu Löwenstein (Vorstandsvorsitzender Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft)
  • Elisabeth Fresen (Bundesvorsitzende Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft)
  • Jürgen Mertz (Präsident Zentralverband Gartenbau)
  • Ute Volquardsen (Vizepräsidentin des Verbandes der Landwirtschaftskammern)
Wirtschaft und Verbraucher
  • Franz-Josef Holzenkamp (Präsident Deutscher Raiffeisenverband)
  • Manfred Hudetz (Präsident Industrieverband Agrar)
  • Stephanie Franck (Vorsitzende Bundesverband der Pflanzenzüchter)
  • Philipp Hengstenberg (Präsident Lebensmittelverband Deutschland)
  • Dr. Christian von Boetticher (Vorsitzender der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie)
  • Klaus Müller (Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband)
  • Miriam Schneider (Leiterin Büro Brüssel Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels)
  • Susanne Dehmel (Mitglied Sachverständigenrat für Verbraucherfragen)
Umwelt und Tierschutz
  • Prof. Dr. Kai Niebert (Präsident Deutscher Naturschutzring)
  • Jörg-Andreas Krüger (Präsident Naturschutzbund Deutschland)
  • Olaf Bandt (Vorsitzender Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland)
  • Christoph Heinrich (Vorstand Naturschutz WWF Deutschland)
  • Thomas Schröder (Präsident Deutscher Tierschutzbund)
  • Myriam Rapior (Mitglied im Bundesvorstand BUNDjugend)
  • Martin Kaiser (Geschäftsführung Greenpeace)
Wissenschaft
  • Prof. Dr. Manfred Niekisch (Ehemaliges Mitglied Sachverständigenrat für Umweltfragen *)
  • Prof. Dr. Achim Spiller (Universität Göttingen)
  • Prof. Dr. Hiltrud Nieberg (Johann Heinrich von Thünen-Institut)
  • Prof. Dr. Ute Knierim (Universität Kassel)
  • Prof. Dr. Ramona Teuber (Universität Gießen)
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Vera Bitsch (Technische Universität München)

Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hatten als nicht stimmberechtigte Gäste ein jederzeitiges Recht auf Teilnahme an den Sitzungen.


BUND: Ein erster Schritt zur großen Transformation

Zu ihrer finalen Sitzung in dieser Woche hat die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), an der auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie die BUNDjugend beteiligt waren, einen gemeinsamen Abschlussbericht beschlossen. «Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat deutlich gemacht, wie wichtig eine große Transformation im Agrar- und Ernährungsbereich ist», sagt BUND-Vorsitzender Olaf Bandt. «Den dreißig Mitgliedern ist es mit ihren unterschiedlichen Interessen und Schwerpunkten gut gelungen, gemeinsame Lösungswege zu finden. Sie bieten damit der künftigen Bundesregierung vielfältige Grundlagen an, Maßnahmen für eine nachhaltige Landwirtschaft umzusetzen. Dieser Bericht kann der erste Schritt auf dem Weg zu einem Gesellschaftsvertrag über eine zukunftsfähige Agrar- und Ernährungspolitik sein. Die Landwirtinnen und Landwirte sollen dabei für ihre Leistungen zum Schutz von Biodiversität, Umwelt und Klima mit erheblichen Mitteln honoriert werden.» Der Abschlussbericht des Gremiums wird Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die Kommission im Sommer 2020 berufen hatte, kommende Woche übergeben.

Bandt: «Die Arbeit in der Zukunftskommission war von Dialog und Aufbruch geprägt. Ich freue mich, dass sich die Kommission auf ein ambitioniertes Leitbild für die zukünftige Land- und Ernährungspolitik geeinigt hat. Das war nicht einfach, doch wir hatten eine gute Grundlage: Die vorbildliche Zusammenarbeit der beiden Jugendverbände des Gremiums, der Landjugend und der BUNDjugend, hat dies ermöglicht.»

Um die Vision einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu erreichen, unterbreitet die ZKL mehrere Vorschläge. So fordert sie etwa einen wirklichen Systemwechsel bei der Vergabe der Milliarden aus der EU-Agrarpolitik. Die pauschale Flächenprämie soll zukünftig Bäuerinnen und Bauern honorieren, welche gesellschaftliche Leistungen erbringen. Dies kann dabei helfen, zehn Prozent der Agrarlandschaft zukünftig als Lebensraum für die Artenvielfalt zur Verfügung zu stellen. Auch beim Klimawandel ist die Landwirtschaft gefragt, ihren Beitrag zu leisten, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie die ZKL richtigerweise fordert.

Für den Klimaschutz sind Gentechnik-Pflanzen keine Option. Der BUND begrüßt, dass sich die Zukunftskommission bei den neuen Gentechnikverfahren klar für das Vorsorgeprinzip und die daran ausgerichtete Regulierung ausspricht. Bandt: «Nur mit gesetzlich festgeschriebener Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit lässt sich Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirtschaft sowie die Lebensmittelbranche sicherstellen, und ökologische Risiken vermeiden. Das ist ein klarer Auftrag der Kommission, gerade für die nächste Bundesregierung» (Foto: pixabay.com).

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