Freitag, 26. April 2024
Deutsch Englisch

Infotag Backwaren: lieferte Spezialwissen aus erster Hand

Berlin. (lefa) Zum «15. VDB-Forum Nord / Infotag Backwaren» lud die Vereinigung Deutsche Backtechnik in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Fachschule für Lebensmitteltechnik Berlin (LeFa). Über 80 Teilnehmer/innen zählte die Veranstaltung, die Anfang Juni am Institut für Getreideverarbeitung in Bergholz-Rehbrücke stattfand. Mit «Innovationen bei Prozessüberwachung und Steuerung in der Backwarenherstellung» war ein Rahmen vorgegeben, in dem sich ein ebenso vielseitiger wie ergiebiger Informationstag entwickelte.

Hochkarätige Vorträge über absolute Innovationen erfreuten die zahlreich erschienenen Fachleute. Darunter befanden sich 30 Fachschüler der Staatlichen Fachschule für Lebensmitteltechnik Berlin. Die künftigen Bäckereitechniker konnten ihr Fachwissen in Nuthetal aus erster Hand erweitern – berichten Franz Stuhlreyer und Herbert Linster von der Fachschule:

Die äußeren Gegebenheiten waren gut organisiert. Die Bäckereitechniker/innen der Berliner Fachschule für Lebensmitteltechnik waren bei der Einlasskontrolle eifrig bei der Arbeit. Die wohl sortierten Mappen mit den Infotexten lagen bereit und im Hintergrund bereiteten IGV-Mitarbeiter leckere Backwaren vor, die es in den Pausen und im Anschluss an die Fachtagung aus dem Holzbackofen heraus zu kosten gab. Kühle Getränke sollten späterhin zusätzlich für einen Temperaturausgleich nach mancher hitzigen Diskussion sorgen.

Nach der Begrüßung durch den IGV-Hausherrn Peter Kretschmer und den Landesvorsitzenden der VDB Berlin/Brandenburg Hartmut Grahn moderierte Prof. Dr. Karl-Georg Busch vom Fachbereich Lebensmitteltechnologie an der Beuth Hochschule Berlin das ansprechende Programm. Grahn berichtete kurz über die Aktivitäten und Ziele der VDB, bevor Busch mit Dr. Torsten Zense von IsernHäger den ersten Referenten begrüßte. Zense ist ein ausgewiesener Fachmann in Sachen Vorteigherstellung, da er sich unter anderem bereits während seiner Promotion mit diesem Thema beschäftigt hat.

Überwachung und Steuerung von Vorteiganlagen

Wie zukünftig online wichtige Parameter wie etwa pH-Wert, Säuregrad oder Glucosekonzentration gemessen werden können, zeigte Dr. Torsten Zense anhand es Themas Überwachung und Steuerung von Vorteiganlagen auf. Damit wäre es möglich die gemessenen Werte zu nutzen, um frühzeitig auf Abweichungen reagieren zu können. So wird nicht erst nach der Reifzeit festgestellt, dass die gewünschte Versäuerung nicht vorliegt und damit Betriebstörungen und/oder Qualitätsminderungen auftreten. Damit wird gewährleistet, dass zukünftig immer die gewünschte Vorteigqualität nach der vorgesehenen Reifezeit auch zur Verfügung steht.

Zense erläuterte hierzu das Online-Messverfahren mittels Breitband Fluoreszenzspektrometer. Das Verfahren wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Technische Chemie an der Leibniz-Universität in Hannover und der Harry-Brot GmbH in Schenefeld im Hause IsernHäger entwickelt. Seit Jahren wird als Schnellmethode das NIR-Messverfahren zur Rohstoffkontrolle (Wassergehalt, Proteingehalt …) eingesetzt. Prinzipiell ist dessen Messanordnung dem neuen Messverfahren sehr ähnlich.

Nach Angaben von Torsen Zense wird angestrebt, noch in diesem Jahr das neue Verfahren in einer industriellen Anlage zu installieren. Der Praktiker möchte natürlich zudem Informationen über das Milch-Essigsäure-Verhältnis erhalten. Diese Messwerte sollen mit dem Messverfahren künftig ebenfalls ermittelt werden. Dazu sind neben anderen Fragestellungen – wie zum Beispiel unterschiedliche Sauerteigführungen – jedoch noch einige Forschungsaktivitäten notwendig.

Simulation des Backprozesses am Beispiel von Roggenmischbrot

Der folgende Vortrag befasste sich mit der Simulation des Backprozesses am Beispiel von Roggenmischbrot. Hier zeigte Diplom-Chemikerin Christiane Hermann vom Institut für Getreideverarbeitung (IGV), wie sie durch Nachahmung (Simulation) einen realen Prozess realitätsnah abbilden kann.

Im Bereich der Lebensmittel- und speziell der Backwarenindustrie findet die Simulation von Prozessen bisher noch nicht die breite Anwendung wie in anderen Industriezweigen. Das ist in erster Linie auf die Komplexität verfahrensseitiger und stofflicher Einflussgrößen auf die Endproduktqualität zurückzuführen, wie zum Beispiel die komplexen thermodynamischen Problemstellungen beim Backprozess.

Die Basis für die Berechnung von Simulationen sind mathematische Modelle, etwa zur Strömung und zu Wärme- und Stofftransporten beim Backprozess. Zur Durchführung der notwendigen Berechnungen wurden im IGV umfangreiche Daten des Backprozesses ermittelt. Die Backtemperatur wurde zur maßgeblichen Führungsgröße für den Simulationsprozess genutzt, ähnlich wie beim realen Backvorgang, der ebenfalls vorrangig temperaturgesteuert verläuft. Nach mehrfachen Optimierungen des Verfahrens zur Berechnung wurde eine sehr gute Übereinstimmung der gemessenen und simulierten Temperaturverläufe erzielt.

In der Diskussion erläuterte Christiane Hermann, dass die Simulation grundsätzlich für unterschiedliche Backwaren und auch Ofentypen geeignet sei. Selbst eine Überlagerung von Wärmeleitung und Wärmestrahlung durch Konvektionswärme sei bei entsprechender Anpassung des Modells möglich. Zukünftig soll damit das Backergebnis nach Veränderung des Backprozesses bereits vorher berechnet werden können.

Prozesskontrolle und Produktionsplanung

Eine wichtige Fragestellung aus der Praxis wurde im Vortrag von Ing. Mag. (FH) Richard Geringer vom Unternehmen AutomationX aus Graz (Österreich) dargestellt. Er referierte über die Prozesskontrolle und Produktionsplanung.

Geringer erläuterte, dass man grundsätzlich die Produktionssteuerung von der Unternehmensebene (Produktionsgrobplanung, Bestellabwicklung, Kostenrechnung …) unterscheiden muss. Am Markt gibt es zahlreiche Branchenlösungen für die Unternehmensebene. Fragt man die Anbieter der unterschiedlichen Branchenlösungen nach einer Option, mit Hilfe ihrer Programme die Produktion planen zu können, so muss man feststellen, dass mit Ausnahme eines «Backzettels» keine weitere Hilfe gegeben werden kann. Die konkrete Planung muss dann von den Produktionsleitern vorgenommen werden. Offen bleibt, ob immer ein optimaler Einsatz von allen Ressourcen wie Maschinen, Öfen, Kälteanlagen und Mitarbeitern gegeben ist. Ziel ist es nun ein Programm zu erstellen, das einen konkreten Produktionsplan unter Berücksichtigung der genannten Ressourcen erstellt. Dies wäre eine sehr wertvolle Unterstützung bei der Arbeitsvorbereitung und würde sicherlich zu einer deutlichen Optimierung führen, um Kosten zu reduzieren. Da nach Schätzung Geringers rund 350 Einflussfaktoren je nach betrieblicher Situation zu berücksichtigen seien, ist ein solches Projekt bisher an der beschriebenen Komplexität gescheitert. Geringer hat die Teilnehmer in Bergholz-Rehbrücke aufgefordert, zusammen mit seinem Unternehmen ein solches Programm zu entwickeln, um es auf seine Praxistauglichkeit prüfen zu können. Die Firma AutomationX hat bereits in einzelnen Bäckereien alle Maschinen und Anlagen unabhängig von dessen unterschiedlichen Steuerungen in ihrer Software abgebildet. Damit kann die Produktion auf der Prozessleitebene mit verfolgt werden.

Automatisierung – exemplarisch dargestellt an der Croissants-Herstellung

Jeder Fachmann weiß, dass die Lage eines gewickelten Gebäcks große Bedeutung auf die anschließende Qualität hat. Liegt der Schluss unten, reißt er beim Backen nicht auf und das Gebäckstück hat möglicherweise die optimale Form. Andererseits ist die Obenlage des Schlusses möglicherweise zur Ausbundbildung gerade erwünscht. Diplom-Ingenieur Peter Leimeister von Fritsch in Markt Einersheim stellte ein in dieser Hinsicht neuartiges Automatisierungskonzept vor: Exemplarisch beleuchtete er das Konzept am Beispiel der Croissants-Herstellung.

Die richtige Schlusslage bei der Croissantherstellung, die handwerklich recht einfach herzustellen ist, bedeutet maschinell einen hohen Aufwand. Das üblicherweise verwendete 2-Schrittsystem – (1) Analyse der vorgefundene Schlusslage, (2) gegebenenfalls Korrektur der Fehllage – wird durch ein neues, intelligentes System abgelöst.

Das neue System richtet den Schluss gleich korrekt aus, in dem es mit optischer Unterstützung die Bandgeschwindigkeit steuert und das Teigstück in eine kontrollierte Drehbewegung versetzt. Fritsch nutzt hierzu Spezialkameras und spezielle Lichtverhältnisse, die den Schattenwurf optimieren. Es werden hierbei bis zu 65 Takte pro Minute erreicht und eine Schlusslagengenauigkeit von plus/minus 15 Grad. Das ganze lässt sich mehrreihig ausführen, wobei eine Kamera zwei Reihen gleichzeitig steuern kann. Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein eines steuerbaren Bänderriemensystems.

Das optische System ist Hersteller-übergreifend einsetzbar und lässt sich auch bei allen weiteren Überwachungsprozessen im Materialfluss – zum Beispiel MES und Chargenrückverfolgung – einsetzen.

Toastbrotherstellung nach dem Easy-Toast-Konzept

Diplom-Ingenieur Hartmut Grahn von der Firma GfB mbH und SoBaTech erläuterte das in Zusammenarbeit mit der Firma WP-Haton entwickelte Easy-Toast-Konzept.

Üblicherweise erfolgt die Teigbereitung bei der Toastbrotherstellung weltweit mit «Batch-Knetern» diskontinuierlich, die teilweise mit Vakuum/Überdruck gefahren werden. Die anschließende Toastaufarbeitung erfolgt kontinuierlich. Diesem systematisch ungünstigen Verfahrenswechsel stellte Grahn die komplette kontinuierliche Teig- und Gebäckherstellung gegenüber, die hier natürlich systembedingt vorteilhaft ist.

Bislang hat sich die kontinuierliche Teigherstellung nur in Teilbereichen der Backwarenproduktion durchgesetzt. Über das Verfahren kann die Teigproduktion kontinuierlich nach dem «first in first out Prinzip» erfolgen.

Voraussetzung hierzu ist die genaue Dosierung der Rezepturbestandteile. Alle Prozessschritte werden durch eine Steuerung reproduzierbar geregelt. Mit Filmsequenzen verdeutlichte Grahn in Bergholz-Rehbrücke, wie die kontinuierliche Teigherstellung erfolgt. Die Trennung des Mischprozesses von der eigentlichen Teigknetung und die anschließende Knetung sowie der Teigtransport sind über speziell ausgestaltete Misch und Knetelemente gelöst. Weitere Vorteile sind die Platzeinsparung und der wesentlich geringere Energieverbrauch von 4,6 Wh/kg Teig im Vergleich 11 Wh/kg Teig beim Batch-Verfahren. Dies führt neben großer Energieeinsparung ebenfalls zum technologischen Vorteil einer deutlich verringerten Teigerwärmung. Da bei der Teigteilung keine unterschiedlichen Teigruhen, wie bei Batch-Verfahren ausgeglichen werden müssen, kann die Gewichtsgenauigkeit wesentlich verbessert werden. Anhand von Abbildungen fertiger Produkte konnte man außerdem eine erhebliche Qualitätsverbesserung, der in diesen Verfahren hergestellten Toastbrote gegenüber den herkömmlichen Verfahren erkennen.

In der anschließenden Diskussion stellte Grahn dar, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis vor allem bei der Großproduktion die herkömmlichen Teigherstellungsverfahren durch die kontinuierliche Teigherstellung abgelöst werden. Dass die hier vortragende Firma außerordentlich innovativ ist, zeigt die wiederholte Auszeichnung mit dem begehrten «IBA-Award». Das Verfahren der kontinuierlichen Teigherstellung lässt sich aufgrund der gezielten Steuerung nicht nur bei Toastbrot anwenden, sondern ist auch für alle anderen weizenbetonten Gebäcke anwendbar (Ciabatta, Baguette, Weizenmischbrot …). Dadurch, dass alle Herstellparameter online erfasst werden, und bei Abweichungen direkt eingegriffen werden kann, ist eine zeitnahe Feinjustierung aller Prozessschritte in Abhängigkeit zueinander möglich.

Gewichtsgenaue Teigteilung

Eine Amortisationszeit von etwa einem Jahr stellte Diplom-Ingenieur D. Knost von der Firma Werner und Pfleiderer beim Einsatz der «Gewichtsgenauen Teigteilung» in Aussicht. Seinen Fokus richtete er auf die Vielzahl aktueller Brotsorten, die relativ grobporig und nicht immer genau formgleich sind, die aber trotzdem gewichtsgenau geteilt werden müssen. Messungen haben ergeben, dass bei Vorgabe eines bestimmten Sollgewichts gerade bei «Trendgebäcken» teilweise erhebliche Überschreitungen vorgenommen werden, um bei eventuellen Abweichungen nach unten nicht außerhalb der Zielgewichte zu liegen. Weitere Ursachen dieser hohen Toleranzen liegen in den anderen Gebäckformen, die ein grammgenaues Teilen nur schwer möglich machen! Auch die durch verlängerte Teigruhezeiten vorkommenden Blasenbildungen kann mit herkömmlichen Verfahren nicht immer Rechnung getragen werden.

Kernpunkt des neuen Verfahrens ist eine optische Vermessung des zu schneidenden Teigstückes mit einem Laserstrahl. Der integrierte Rechner ermittelt anhand der eingestellten Parameter die exakte Stücklänge und –form und erteilt dem «Schneideroboter» den entsprechenden Arbeitsauftrag.

Die Arbeitsgeschwindigkeit der Schneidevorrichtung reicht aus, um bei mehrspurigen Teigbändern die Teigstücke in großer Geschwindigkeit gewichtsgenau zu schneiden. In einem ansprechenden Filmbeispiel zeigte Knost, dass nicht nur Parallelschnitte möglich sind, sondern auch alle anderen gewünschten Schnittwinkel, so dass mit diesem Verfahren auch die Herstellung bestimmter vorgegebener Gebäckformen möglich ist.

Am Ende erhält man aus derselben Teigmenge allein über die Einhaltung einer geringeren Fertigungstoleranz eine größere Anzahl Brote.

Warum sich das Verfahren binnen kürzester Zeit amortisiert, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel: Kann die angesetzte Sicherheitstoleranz von zehn Prozent auf fünf Prozent mit dem Schneidesystem reduziert werden, erhöht sich die die Leistung einer Baguette-Anlage von 5.455 Stück a 250 Gramm Gebäckgewicht auf 5.714 Stück aus der gleichen Teigmenge.

Last but not least

Als Vorsitzender des Fördervereins der Bäckereitechnikerausbildung Berlin und Sprecher der Staatlichen Fachschule für Lebensmitteltechnik Berlin hat Herbert Linster die Referenten und Tagungsteilnehmer zum gemütlichen Beisammensein am Holzofen eingeladen und mit den Absolventen auf ihren erfolgreichen Abschluss zum Lebensmitteltechniker mit der Fachrichtung Bäckereitechniker anzustoßen. Einige Tagungsteilnehmer nutzten die Chance, in dem sie ausführlich über die Arbeitsangebote in ihren Unternehmen informierten.

Autoren: Franz Stuhlreyer, Herbert Linster – Berlin.

backnetz:eu