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20170613-SALZSTREUER

Bäckerhandwerk kritisiert nationale Reduktionsstrategie

Berlin. (zv) Zu süß, zu fett, zu salzig? Wenn es nach Bundesminister Christian Schmidt (BMEL) geht, kommen statt schmackhafter Brote und Brötchen bald fade Fladen auf den Tisch. Denn das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sieht vor, für eine gesündere Lebensweise den Salzgehalt in Brot und Brötchen zu senken. Der Zentralverband fordert die Politik dazu auf, Verbraucher besser über Ernährungszusammenhänge aufzuklären, anstatt Diktate für Bäcker zu erlassen.

Hintergrund der Pläne des BMEL ist, dass der Bundestag die Bundesregierung im Jahr 2015 damit beauftragt hat, die Anteile an Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten zu senken. Nun hat das BMEL seinen Strategieentwurf vorgelegt. Darin heißt es unter anderem: den Salzgehalt in Brot und Brötchen zu senken, hätte einen großen positiven Effekt in der Bevölkerung und sei ohne großen technologischen Aufwand möglich.

Michael Wippler: «Bevormundung schlimmer als beim Veggie-Day»

Dazu sagt Michael Wippler, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV): «Das politische Signal des Strategieentwurfs ist äußerst fragwürdig und die Bevormundung wäre noch schlimmer als beim Veggie-Day. Die Konsequenz wäre ein geschmackneutrales Einheitsbrot und der Verlust von Vielfalt und Abwechslung. Aber gerade diese Vielfalt prägt die deutsche Brotkultur in ganz besonderer Weise. Statt den Innungsbäckern Rezepturen zu diktieren und Verbrauchern vorzuschreiben, was sie essen dürfen, sollte besser über Ernährungszusammenhänge und gesunde Lebensweisen aufgeklärt werden».

Zwar sind die geplanten Maßnahmen laut BMEL-Papier freiwillig, doch für Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbands, ist dies reine Makulatur: «Wenn es in dem Entwurf heißt, dass «administrative Konsequenzen in Betracht gezogen werden» und wenn «die Unternehmen keine ausreichende Bereitschaft signalisieren», dann hat das mit Freiwilligkeit wenig zu tun. Im Strafrecht nennt man so etwas Nötigung».

Bundesregierung missachtet den Auftrag des Bundestags

Der Zentralverband erinnert zudem an den Auftrag des Bundestags. Danach sollte die Bundesregierung eine Strategie gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Lebensmittelhandel erarbeiten. Doch die Realität sieht anders aus: Ein gemeinsames Erarbeiten fand nicht statt; im Gegenteil: Das BMEL gewährt den betreffenden Verbänden nur zwei Wochen Stellungnahmefrist bei diesem hochkomplexen Thema – zumal über Pfingsten.

Höchst fragwürdige Datenbasis

Dem Zentralverband erscheint zudem die wissenschaftliche Datenbasis des BMEL-Papiers als höchst fragwürdig. Es stützt sich auf Studienergebnisse eines Instituts, das seinerseits klar darauf verweist, nicht über aktuelle und wissenschaftlich valide Daten zu verfügen. Zudem bezieht man sich auf Daten über abgepacktes Brot aus dem Supermarkt statt auf frische Produkte aus Handwerksbäckereien.

Hierzu sagt Verbandspräsident Michael Wippler: «Wir sind bereit, unsere Bäcker für das Thema «Salz» und für den bewussten Umgang damit zu sensibilisieren. Doch bitte auf einer verlässlichen Faktenlage». Daniel Schneider ergänzt: «Die behauptete Kausalität zwischen Brotkonsum und Salzaufnahme wird in dem Papier an keiner Stelle festgestellt. Wer sich Zahlen aus unterschiedlichsten Studien zusammensucht und die Daten dann so verknüpft, wie er sie braucht, macht sich unglaubwürdig und beweist kurz vor Ende der Legislaturperiode puren politischen Aktionismus».
 


Nachtrag: Höchst fragwürdige Was?

Der Redaktion liegt das im Text erwähnte BMEL-Strategiepapier nicht vor und kann daher nicht prüfen, auf welche «höchst fragwürdige» Erkenntnisse sich Bundesminister Christian Schmidt stützen soll. Hingegen gesicherte (präziser: von den politischen Akteuren herangezogene) Erkenntnisse aus den Jahren 2011 bis 2017 gibt es zum Beispiel auf dem Server der WHO Weltgesundheitsorganisation, beim Robert-Koch-Institut (RKI), beim Max Rubner-Institut (MRI) oder bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wie folgt:

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