Stuttgart. (lbw / eb) Seit dem Jahreswechsel sind Betriebe dazu verpflichtet, bei jedem Kaufvorgang einen Kassenbeleg zu erzeugen und diesen Beleg ihren Kunden auszugeben. Damit soll sichergestellt werden, dass Steuerhinterziehung deutlich eingedämmt wird. Nach der neuen Regelung ist es damit auch nicht mehr zulässig, die Kunden zu fragen, ob sie einen Beleg erzeugt haben wollen. «Für Betriebe, die innerhalb kurzer Zeit viele Verkaufsvorgänge mit geringem Warenwert tätigen, entsteht dadurch jedoch ein größerer Aufwand. Auch ist gerade bei den Kleinbeträgen das Interesse der Kunden eher gering, den Kassenbon tatsächlich mitzunehmen», erklärte Dr. Erik Schweickert (FDP/DVP), Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau. Dieser beschäftigte sich daher im öffentlichen Teil der Sitzung am Mittwoch, 22. Januar 2020, mit den Konsequenzen dieser Kassenbon-Pflicht. Grundlage war ein Antrag der FDP/DVP-Fraktion, eine Bundesratsinitiative anzustreben, die für diese Pflicht zur Bon-Erzeugung eine Bagatellgrenze für Verkaufsvorgänge bis zu einem Betrag von zehn Euro vorsieht, sofern der Verkaufsvorgang in einer elektronischen Kasse unveränderbar gebucht wird. Der Antrag wurde mehrheitlich mit den Gegenstimmen der Regierungsfraktionen Grüne und CDU sowie der SPD abgelehnt.
Vorsätzlicher Populismus führte nicht zum Ziel
Um dem Antrag der FDP/DVP-Fraktion Nachdruck zu verleihen, hatte der Abgeordnete Schweickert vor der Sitzung noch mit einer Protestaktion für Gesprächsstoff gesorgt – umrahmt von Müllsäcken voller Kassenbons vor dem Stuttgarter Landtag. Etwa eine halbe Million Bons soll er dafür von zehn Bäckern in seinem Wahlkreis eingesammelt haben, bestätigt Gabriele Renz, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landtags von Baden-Württemberg, gegenüber dem WebBaecker. Das sei nichts anderes als «Populismus», habe der Abgeordnete Martin Hahn das Theater kritisiert. Um die Aktion überhaupt annähernd ernst zu nehmen, hätte zumindest das Gesamtbild stimmen müssen. Kurzum: Dann dürften die To-go-Becher, Servietten und Essensreste, die in einer Bäckerei täglich weggeworfen werden, nicht fehlen. Als «unredlich» stufte der Darstellung nach auch der Abgeordnete Boris Weirauch die Argumentation der FDP ein.
Ehrlichen Unternehmen dürfen nicht länger Nachteile entstehen
«Eine Bagatellgrenze würde die Betriebe von Bürokratie und zusätzlichen Kosten entlasten, denen durch die Kassenbon-Pflicht ein höherer Aufwand entsteht», erklärte Dr. Schweickert in der Sitzung, die auf die Protestaktion folgte. Beispiele hierfür seien Bäckereien, Eisdielen oder Kioske. Bezüglich der im Gesetz vorgesehenen grundsätzlichen Befreiungsmöglichkeit habe das Ministerium darauf verwiesen, dass diese Regelungen bundesweit einheitlich seien und nicht im Ermessen der Länder gestaltet werden könnten. Somit könnten diese Ausnahmen nur sehr restriktiv gehandhabt werden, zum Beispiel wenn Waren an eine Vielzahl von unbekannten Personen verkauft würden, zum Beispiel in Fussballstadien oder auf dem Volksfest. Hierzu könne beim zuständigen Finanzamt ein Antrag mit detaillierter Begründung, wieso die Belegausgabepflicht für den Antragsteller im konkreten Fall zu einer unzumutbaren Härte führt, im Rahmen einer Einzelfallprüfung gestellt werden. Der Vertreter des Finanzministeriums ergänzte seine Ausführungen mit Beispielen von besonders krimineller Energie zur Steuervermeidung gerade bei Bargeldgeschäften, die eine Belegausgabepflicht aus Sicht der Finanzbehörden unbedingt erforderlich machen würden.
Im Ausschuss waren sich alle Diskutanten vollkommen einig darüber, dass denjenigen Unternehmern, die ehrlich abrechnen, im Wettbewerb keine Nachteile entstehen dürften. «Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein. Es müssen praktikable Lösungen gefunden werden, um den schwarzen Schafen Herr zu werden und überall faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen, ohne alle Unternehmer pauschal unter Generalverdacht zu stellen» sagte Dr. Schweickert. Die Digitalisierung könne hierbei Möglichkeiten bieten. So wurden während der öffentlichen Ausschusssitzung besonders elektronische Lösungen debattiert, da man alternativ zum Kassenbon in Papierform den Beleg zum Beispiel auch über die Nahfeld-Kommunikation (NFC) – Stichwort Kundenkarten – oder per WLAN auf das Mobiltelefon des Kunden übertragen könne.
Digitale Alternativen rücken langsam ins Bewusstsein
Zudem gebe es neben dem höheren bürokratischen Aufwand und den zusätzlichen Kosten noch weitere Konsequenzen. So blicke das Umweltministerium aus ökologischer Sicht mit Sorge auf die zu erwartenden zusätzlichen Abfälle. Die Kassenbonpflicht liefe (in der aktuellen Phase des Übergangs …) dem Prinzip der Abfallvermeidung zuwider und die Konzentration von Schadstoffen im Thermopapier mache die Abfälle teilweise nicht recycelbar. Ergänzung: Hier könnte der Fachgroßhandel aktiv auf die Betriebe zugehen und Bonrollen aus recycelbarem Thermopapier anbieten. Oder er empfiehlt gleich den digitalen Kassenbon per QR-Code, für den nicht einmal eine App auf das Mobiltelefon geladen werden muss.
Vorschlag der Bagatellgrenze mit großer Mehrheit abgelehnt
Auch wenn der Abgeordnete Dr. Schweickert während der Diskussion zusehends von seiner eingangs beschriebenen, eindrücklich vorgetragenen Maximalforderung abrückte hin zu Positionen, die das Kassengesetz ohnehin schon zulässt, dürften sich manche Betrachter am Mittwoch im Ganzen mehr Redlichkeit und Sachverstand gewünscht haben. Im Ergebnis ist es daher nur nachvollziehbar, dass der beschriebene Antrag der FDP/DVP-Fraktion mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. Erstaunlich ist hingegen, dass im Zeitalter der Digitalisierung immer noch so große Wissenslücken bestehen, die eine Diskussion wie die hier beschriebene erforderlich machen. Eine höhere Effizienz ließe sich unter anderem dadurch erzielen, in dem vorbereitende Recherchen lückenlos erfolgen (Foto: usp).
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