Samstag, 27. Juli 2024
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HDE: Einzelhandel verliert 39.000 Standorte in 10 Jahren

Berlin. (hde / eb) Die Umsätze im Einzelhandel in Deutschland werden 2020 das elfte Jahr in Folge wachsen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) prognostiziert im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 2,5 Prozent. Wachstumstreiber bleibt der Online-Handel. Mittelständische Innenstadthändler geraten zunehmend in Schieflage. 39.000 Handelsstandorte mussten bereits schließen.

«Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Konsum sind weiterhin gut. Der Konsum bleibt der Treiber für die Gesamtwirtschaft», sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die aktuelle HDE-Umfrage unter 500 Handelsunternehmen aller Größenklassen und Standorte zeigt, dass rund ein Drittel der Händler mit positiven Geschäftserwartungen in das Jahr geht. Mit einem schlechteren Verlauf als 2019 rechnen 30 Prozent. Besonders gut sind die Erwartungen bei den Unternehmen, die sowohl im stationären Handel als auch im Online-Bereich aktiv sind.

Insgesamt prognostiziert der HDE für 2020 ein Umsatzwachstum im Einzelhandel von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf dann rund 557 Milliarden Euro. Dazu trägt der Online-Handel 63 Milliarden Euro bei und steigert seine Umsätze um rund neun Prozent. Daten aus dem HDE-Standort-Monitor 2020 zeigen, dass die Kunden seltener in den stationären Handel zum Einkaufen und dafür mehr Geld im Internet ausgeben. In der Folge verlor der stationäre Einzelhandel seit 2010 knapp 39.000 Standorte. «Damit geraten ganze Innenstädte in Schieflage. Händler, Politik und Gesellschaft sind gefordert, die Innenstädte zu retten und müssen an einem Strang ziehen», sagt Genth. Damit die Händler am Standort Innenstadt weiterhin erfolgreich bleiben können, sind passende Rahmenbedingungen gefordert. Dabei geht nicht ohne eine gut ausgebaute Infrastruktur wie Straßen, Fahrradwege und öffentlichen Personennahverkehr, um die Erreichbarkeit der Stadtzentren sicherzustellen. Außerdem fordert der Handel verlässlichere Regeln für die Sonntagsöffnung, um mit Events die Kunden für einen Innenstadtbummel begeistern zu können. Genth: «Wenn der Handel stirbt, sterben Stadtzentren und damit ein Stück Heimat.» Auch wegen seines großen gesellschaftlichen Engagements von einer Milliarde Euro im Jahr sei der Handel eine tragende Säule in vielen Städten, Gemeinden und Kommunen.

Nachtrag: Der kleingewerbliche Fachhandel hat in den letzten zehn Jahren schon 54.000 Standorte verloren. Die Rolle Amazons in der Transformation ist dringend zu prüfen und zu korrigieren.

In den Vereinigten Staaten von Amerika kontrolliert der Amazon-Konzern schon heute 50 Prozent des Einzelhandels. Innenstädte veröden, weil besonders Geschäfte des kleingewerblichen Handels dem Online-Riesen nicht lange standhalten können. Gerade sie sind es aber, die den Städten regionale Prägung und Individualität verleihen. Ein schleichender Prozess, der – einerseits – nur schwer fassbar und dershalb kaum aufzuhalten ist. Andererseits werden immer mehr Amazon-Pakete durch die Welt gekarrt und verstopfen die Straßen, bis sie endlich an diversen Haustüren ankommen.

Außerdem besetzt der Konzern zunehmend Schnittstellen in Logistik, Kommunikation und Produktion. Das heißt: Die von Stefan Genth geforderten Maßnahmen mögen alle richtig sein. Doch um das Heft des Handelns in den Kommunen zu behalten und nicht an einen US-amerikanischen Konzern zu verlieren, ist auch das europäische Wettbewerbsrecht gefragt. Notfalls müssen die europäischen Aktivitäten des Handelsgiganten zerschlagen werden. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Die Bundesregierung ist – in diesem Sinn – in weiten Teilen noch ahnungslos. Sie nutzt zum Beispiel US-amerikanische Cloud-Server von Amazon, um dort bundesdeutsche Regierungsdokumente zu lagern – nach US-amerikanischem Recht.

Und noch was: US-amerikanische Kommunen haben längst durchgerechnet, dass für jeden Arbeitsplatz, den Amazon schafft, zwei Arbeitsplätze im regionalen Gewerbe, ob Handel oder Produktion, zerstört werden. Das mag hierzulande kaum auffallen, weil wir aktuell über einen Fachkräftemangel klagen. Doch irgendwann gibt es keine Jobs mehr für Menschen, die zufällig kein Abitur haben, nicht mathematisch-naturwissenschaftlich begabt sind und auch nicht bei oder für Amazon arbeiten wollen. Und dann? (Foto: Amazon – Grafik: HDE).

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