Freitag, 26. April 2024
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Siedegebäcke: Optimierung des Nährwertprofils durch Oleogele

Detmold. (agf) Siedegebäcke, die den Fettbäcker mit viel Tiefgang durchschwimmen, sind heute die Ausnahme. Sowohl in handwerklicher wie industrieller Produktion ist die Erzeugung von Berliner Pfannkuchen, Kamerunern, Donuts und Co. soweit standardisiert, dass ansprechende Gebäckvolumen mit möglichst geringer Fettaufnahme die Regel sind. Das Siedegebäck «nach Lehrbuch» vorausgesetzt, lässt sich an der Rezeptur wenig ändern, um den Erwartungen der nationalen Innovations- und Reformulierungsstrategie entgegenzukommen. Die Siedetemperatur erhöhen geht nicht, weil die Gebäcke durchbacken müssen und Acrylamid nicht zum Thema werden soll. Die Teiglinge vor dem Backen im Fettbad mit einem isolierenden Coating überziehen? Dann lieber gleich den Vollei-Anteil erhöhen, der die Gebäckporen zuverlässig schließt – aber auch ein strohtrockenes Gebäck zur Folge hätte, das stark an Popularität verlöre. Kurzum: Siedegebäck ist zwar nur Fettgebäck, doch auf die Nuancen kommt es an: vom Einwiegen der Zutaten über die Teigführung, die Gare, das Abbacken bis hin zu Füllung und Topping.

Möglicherweise ist der Hinweis auf die Fettsäuren der Schlüssel

Wo also ansetzen, um den Erwartungen einer noch geringeren Fettaufnahme zu entsprechen? Vielleicht ist der Hinweis auf die gesättigten Fettsäuren der Schlüssel. «Gesättigt», das weiß heute jeder halbwegs ernährungsbewusste Bürger aus dem Effeff, ist fast schon gleichbedeutend mit «ungesund», «schlecht» und deshalb zu vermeiden. Hinzu kommen die Auswirkungen unserer Konsumgewohnheiten auf die Umwelt. Während weltweit immer mehr Regenwald abgeholzt wird um Palmölplantagen anzulegen, ist das Mindeste was wir tun können, nach heimischen Alternativen zu suchen.

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An der experimentellen Forschung in diesem Sinn beteiligt ist seit Jahren das MRI Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide in Detmold (MRI-GE). Das Max Rubner-Institut (MRI) als Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel hat schon viel Wissen gesammelt und auf seiner Homepage veröffentlicht. Im Rahmen mehrerer Projekte untersucht das MRI-GE zum Beispiel, wie sich herkömmliche Margarinen und Öle ersetzen lassen durch Oleogele auf Basis von Rapsöl unter Verwendung verschiedener lipidartiger Zusätze. Nimmt man nicht (!) das Europäische Arzneibuch zur Hand, um eine für die Bäckereitechnologie brauchbare Definition zu finden, ist ein Oleogel (Def.) am ehesten ein System, in dem mit äußerer Einwirkung die physikalischen Eigenschaften des Öls verändert werden ohne diese dabei chemisch zu modifizieren. Lipide (Def.) sind natürliche fettartige Stoffe, die sich in diverse Stoffklassen unterteilen lassen (Fettsäuren, Triglyceride, Wachse …) und sozusagen als Katalysatoren wirken.

Besser erklären kann das die Ernährungswissenschaftlerin Julia Wolf, die während der 73. Bäckerei-Technologie-Tagung Anfang November in Detmold den «Einsatz von Oleogelen als neues alternatives Frittiermedium für Siedegebäcke» dem Auditorium näherbrachte. Julia Wolf studierte Ökotrophologie (B.Sc.) sowie Ernährungswissenschaften (M.Sc.) an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Nach einer Tätigkeit als Leiterin der Qualitätssicherung bei der Audrey Cake GmbH arbeitet sie seit 2022 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max Rubner-Institut Detmold (MRI-GE) in dem Projekt: «Einsatz von Oleogelen auf Rapsölbasis zur Verbesserung des Fettsäureprofils von frittierten Lebensmitteln – Oleofry».

An Brot- und Brötchenbäckern geht manchmal vorbei, wie beliebt Fettgebäcke sind und wie viel davon per Anno in Deutschland und Europa verzehrt werden. Der Fettgehalt liegt mit allem Drum und Dran bei gut zehn Prozent und es sind noch dazu «nicht die besten» Fettsäuren, die für zusätzliches Hüftgold sorgen – einerseits. Andererseits sind die typischen Geschmacks-, Textur-, rheologischen und sensorischen Eigenschaften von Siedegebäck nicht zu vernachlässigen, wie eingangs aus Bäckersicht beschrieben.

Julia Wolf zur gängigen Praxis aus ernährungsphysiologischer Sicht: Beim Sieden wird die im Lebensmittel vorhandene Flüssigkeit teils durch das Siedefett ersetzt. Daher stehen Textur und Rheologie des Siedefetts in direktem Zusammenhang mit den Oberflächeneigenschaften des Siedegebäcks. Diese können durch den Einsatz spezifisch optimierter Siedefette/Siedeöle auf Basis von gesättigten Fettsäuren unter Verwendung tropischer Fette wie Palmöl oder modifizierter Fette beeinflusst werden. Somit kann eine weniger fettige Oberfläche erzeugt und ein Ausölen des Siedefetts/Siedeöls aus dem Siedegebäck verhindert werden. Allerdings weisen die Gebäcke ein ernährungsphysiologisch ungünstiges Fettsäureprofil auf.

Hier kommen Oleogele ins Spiel: Um Palmöl oder andere herkömmliche feste Fette als Frittiermedium zu ersetzen und damit den Anteil gesättigter Fettsäuren in den produzierten Produkten, wie zum Beispiel den Siedegebäcken, zu reduzieren, können strukturierte Öle, so genannte Oleogele, als alternative Frittiermedien eingesetzt werden. Diese bestehen aus einer flüssigen Ölphase wie Rapsöl und einem netzwerkbildenden Strukturbildner wie Sonnenblumenwachs (SFW) oder Monoglyceriden (MG). Durch Schmelzen des Strukturbildners im Öl und anschließendes Abkühlen entsteht ein dreidimensionales Netzwerk, in welches das flüssige Öl eingebettet und immobilisiert wird. Dadurch erhalten die Oleogele ähnliche technologische und funktionelle Eigenschaften wie herkömmliche feste Fette und die ernährungsphysiologisch wertvolle Fettsäurezusammensetzung des Pflanzenöls bleibt erhalten.

Oleofry-Versuchsreihen zeigen vielversprechenden Ansatz

Anhand verschiedener Parameter konnte in Versuchen gezeigt werden, dass Oleogele zum Frittieren geeignet sind. Dabei wurden zunächst die hergestellten Oleogele mit konventionell verwendeten Frittiermedien verglichen. Die Oxidationsstabilität der Oleogele war mit den herkömmlichen halbflüssigen und flüssigen Frittiermedien vergleichbar. Auch die Festigkeit und das Ölhaltevermögen der Oleogele waren vergleichbar oder höher als bei herkömmlichen halbflüssigen Frittiermedien. Darüber hinaus blieben die Festigkeit und das Ölhaltevermögen über 40 Frittierzyklen konstant. Die Verwendung von MG führte bereits zu Beginn des Frittierversuches zu höheren Gehalten an polaren Verbindungen, einem Parameter zur Bewertung des Zustands der Frittiermedien. Dadurch stieg die Wahrscheinlichkeit für diese Frittiermedien, dass die vorgegebenen Grenzwerte früher erreicht werden.

In einem nächsten Schritt wurden verschiedene Produkte, darunter Siedegebäcke wie Quarkbällchen und Berliner Pfannkuchen, mit ausgewählten Frittiermedien frittiert. Erste Versuchsergebnisse konnten bei den Quarkbällchen in Bezug auf Festigkeit der Krume und Farbe keinen signifikanten Unterschied zwischen der Verwendung von Oleogelen und konventionell verwendeten Frittiermedien feststellen. Allerdings zeigte sich bei den oleogelfrittierten Berliner Pfannkuchen eine festere Krume gegenüber dem Standard. Bei der Farbe konnten hingegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den in unterschiedlichen Frittiermedien frittierten Berliner Pfannkuchen festgestellt werden. In Bezug auf das Ausölen des Frittiermediums aus dem frittierten Produkt konnte ein reduziertes Ausölen der oleogelfrittierten Berliner Pfannkuchen im Vergleich zu den in Rapsöl frittierten Produkten veranschaulicht werden. Dies zeigt eine verbesserte Zurückhaltung des Öls am Produkt und damit eine verbesserte haptische Beschaffenheit, welche sowohl für die Lagerung als auch den Verzehr von frittierten Siedegebäcken gewünscht ist – erläuterte die Ernährungswissenschaftlerin Julia Wolf (TitelFoto: pixabay.com – TextFoto: AGF).

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