Mittwoch, 8. Mai 2024
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Branchenreport 2022: BOELW stellt erfreuliche Kennzahlen vor

Berlin. (boelw) Anlässlich der Eröffnung der BioFach 2022 in Nürnberg, Weltleitmesse für Bio-Produkte, stellte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) seinen «Branchenreport 2022» für die ökologische Lebensmittelwirtschaft vor und zog ein Resümee zur Entwicklung der Branche und der Bundespolitik im laufenden Jahr: «Trotz Inflation, wirtschaftlicher Einbußen durch den Ukraine-Krieg und der noch immer anhaltenden Pandemie und gerade wegen der zunehmend spürbaren Konsequenzen der Klimakrise sowie des Artensterbens: Die Verbrauchertreue bei Bio ist ungebrochen. Auch die Bauern, Hersteller und der Lebensmittelhandel halten an Öko als wegweisende Landwirtschaft der Zukunft fest. Minister Özdemir muss den nötigen Umbau von Landwirtschaft und Ernährung jetzt angehen», sagte die BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres.

Kundinnen und Kunden in Deutschland gaben in den ersten fünf Monaten 2022 rund 35 Prozent mehr für Bio-Frischeprodukte* aus als im gleichen Zeitraum 2019 – und damit vor der Pandemie. Im ersten Halbjahr 2022 sind die Umsätze des Lebensmittelhandels insgesamt rückläufig. Doch der Bio-Markt zeigt sich robust und ist davon weniger stark betroffen. Das Niveau der Verbraucherpreise lag für Bio-Frischeprodukte im ersten Halbjahr 2022 5,2 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum**. Damit liegt die Preissteigerung bei Bio deutlich unter der Entwicklung bei konventionellen Lebensmitteln, für die 8,0 Prozent ermittelt wurden**. Folglich verringert sich der Preisabstand zwischen Bio und konventionell deutlich. «Der Bio-Markt zeigt sich zuverlässig in unruhigen Zeiten. Kürzere Wege bei Lieferketten und keine Abhängigkeit von teurem und schwer verfügbarem Stickstoff-Mineraldünger beim Bio-Anbau sorgen für die Stabilität des Bio-Marktes», sagt Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des BÖLW.

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Die grundsätzlich hohe Umstellungsbereitschaft auf Öko-Landwirtschaft kann aufgrund auch der unklaren Rahmenbedingungen aktuell nicht ausreichend wirksam werden. «Agrarminister Cem Özdemir muss dafür sorgen, dass bei der neuen EU-Agrarpolitik (GAP) die erforderlichen Mittel eingeplant werden, um 30 Prozent Öko-Landbau erreichen zu können», sagt Tina Andres. Aktuell liegt die Biofläche in Deutschland bei knapp elf Prozent. Wenn der Minister nur Finanzmittel vorsieht, die drei Prozent zusätzliche Biofläche bis 2027 ermöglichen, rückt das 30 Prozent Ziel in weite Ferne und die vielen zur Veränderung bereiten, konventionellen Betriebe erhalten keine Bio-Perspektive. Dass die finanziellen Anreize zur Umstellung auf Bio erhöht werden, ist wichtig, um die Leistungen von Bio für Klima, Biodiversität und saubere Gewässer angemessen zu honorieren», ergänzt Peter Röhrig.

Um Bio in Deutschland voranzubringen, muss es mehr Bio in der Außer-Haus-Verpflegung geben. Hier haben die Gäste heute zumeist keine Wahlmöglichkeit, um zu Bio greifen zu können. Aktuell liegt der Anteil bei unter 2 Prozent. Der Bund muss für alle Küchen schnell die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um sie bei der Umstellung zu unterstützen. Die Bundesregierung ist gefordert, mindestens 50 Prozent Bio in ihren Einrichtungen umzusetzen.

Um das 30 Prozent Ziel zu erreichen, muss ebenso die Forschung auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Aktuell liegt der Anteil der Forschungsmittel für Bio an der Agrarforschung bei unter 2 Prozent.

»Wichtig ist, dass die EU-Kommission gerade in dieser Zeit der multiplen Krisen an der Umsetzung der «Farm to Fork»-Strategie und den Zielen für die Pestizidreduktion im speziellen festhält. Mehr denn je zeigen die Klimakatastrophe, das rapide Artensterben wie auch die Folgen des Ukraine-Kriegs, dass wir eine resiliente, umweltverträgliche und von chemisch-synthetischen Betriebsmitteln unabhängige Landwirtschaft brauchen. Mehr Bio sorgt dafür, die Schäden der Landwirtschaft in Deutschland von 90 Milliarden Euro im Jahr an Gemeingütern zu mindern. Die Schäden entstehen durch Überdüngung, zu viele Tiere auf der Fläche und viel zu viele Pestizide», bekräftigt der geschäftsführende Vorstand des BÖLW, Peter Röhrig.

«Die starken Impulse aus Öko-Wirtschaft und Gesellschaft muss die Politik jetzt aufgreifen, um die Herausforderungen zu lösen, die immer dringlicher werden: Der Schutz von Klima, Gewässern, Tieren und Biodiversität. Das System Bio liefert unmittelbar die Lösungen für eine nachhaltige Transformation der Land- und Ernährungswirtschaft, die wir jetzt brauchen. Deshalb müssen die Weichen für den Bio-Umbau jetzt gestellt werden. Dazu zählt mehr Ernährungssouveränität und weniger Abhängigkeit von Inputs auf Basis fossiler Energie», so Röhrig weiter.

«Genau wie uns erneuerbare Energien von globalen Abhängigkeiten und katastrophalen Umweltschäden schützen, macht Bio unabhängig von problematischen Inputs wie u.a. externe chemisch-synthetische Betriebsmittel. Wichtig ist jetzt, dass die Verantwortlichen in EU, Bund und Ländern Bio ebenso pushen wie Solar, Wind oder Wasser im Energiebereich», fügt die Vorstandvorsitzende des BÖLW, Tina Andres, hinzu.

Fazit und Ausblick: Der Blick auf 2022 und die vergangenen Jahre zeigt: Das 30 Prozent Bio-Ziel, das sich die Regierung bis 2030 mit der Farm to Fork-Strategie gesetzt hat, ist erreichbar. Damit in Zukunft genügend Unternehmen die Bio-Chance nutzen können, müsse die Politik die Signale entschieden auf Nachhaltigkeit stellen: Wertschöpfung, vom Acker über Herstellung bis in den Handel – es ist am Bundesminister, jetzt die Weichen in Richtung Bio zu stellen. Die Kundinnen und Kunden legen mit ihrem Konsumverhalten vor. Und ihre Wahl ist eindeutig. Die Politik muss mitziehen.

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* Quelle: AMI-Analyse nach GfK-Haushaltspanel, 01. bis 05. Kalendermonat 2022
** AMI-Verbraucherpreisspiegel
*** Die Gesamtumsätze im Bio-Markt betrugen im Jahr 2019 12,26 Milliarden Euro, im Jahr 2020 14,99 Milliarden Euro und im Jahr 2021 15,87 Milliarden Euro. Für das Jahr 2022 liegt aktuell noch keine vollständige Schätzung des Arbeitskreis Biomarkt vor. Quelle: Bio-Umsatzberechnung durch den Arbeitskreis Bio-Markt. Zum Arbeitskreis Bio-Markt gehören: Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), BioVista, Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Prof. Dr. Katrin Zander (Universität Kassel), Klaus Braun (Klaus Braun Kommunikationsberatung), Prof. Dr. Paul Michels (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf) und Nielsen.


Nachtrag A

Vielen Dank lieber BÖLW, dass Sie in Zukunft wieder zur gewohnten Professionalität zurückkehren wollen und die Redaktion nicht stundenlang Ihre Mitteilungen korrigieren muss.

Nachtrag B

In seiner Eröffnungsrede zur BioFach 2022 in Nürnberg warb Bundesminister Cem Özdemir für mehr Geduld. Er verstehe die Ungeduld der Branche, geht es darum, mit Blick auf die erwähnten 30 Prozent schneller voranzukommen. Doch ein guter Plan sei wichtig, damit das Ziel erreicht wird. Nicht zuletzt müsse die gesamte Wertschöpfungskette ins Boot geholt werden (die sich ganz nebenbei schon auf einem guten Weg befindet). Zudem gebe es noch das große Potential der Außer-Haus-Verpflegung zu heben. Insgesamt also genug Arbeit, während der für Ungeduld kaum Zeit ist.

Nachtrag C

Den eingangs erwähnten «Branchenreport 2022» können Interessenten online lesen oder als PDF-Datei (16’848 KB) unter dem angegebenen Hyperlink herunterladen.