Dienstag, 19. März 2024
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Upcycling: Von Altbrot zum dringend benötigten Palmölersatz

Detmold. (agf) Verschenken, verfüttern, vergären, verfeuern. Der Lebenszyklus von Backwaren, sofern nicht rechtzeitig verkauft, hat wenig Überraschendes zu bieten. Nur die wenigsten Altbrote schaffen es in die Wiederverwertung. Die meisten enden nutzlos als Abfall. Eine trostlose Vorstellung, die sich noch dazu jeden Tag wiederholt und Bäckereien jeder Gattung und Größe nicht zufriedenstellen kann.

Das muss nicht so bleiben, würde die Biotechnologin Zora Rerop aus München einwenden. Schließlich ebnet die synthetische Biotechnologie zunehmend den Weg hin zur zirkulären Bioökonomie – der Bio-Kreislaufwirtschaft. Bezogen auf den Lebenszyklus von Backwaren könnte das heißen, dass der Nutzwert mit dem Ende der Verzehrbarkeit nicht geringer wird. Es verschiebt sich nur die Perspektive hin zum dringend benötigten Rohstoff, wenn die ölbildende Hefe Cutaneotrichosporon oleaginosus trockenes gemahlenes Altbrot in Hefeöl umwandelt, das dem viel kritisierten Palmöl vom anderen Ende der Welt in vielen Eigenschaften sehr ähnelt und es ebenso sparsam wie nachhaltig ersetzen kann.

Soviel zur Branchenrelevanz des Vortrags «Synthetische Biotechnologie ebnet den Weg zur zirkulären Bioökonomie – Konversion von Altbrot zu Palmölersatz und CO2 zu algenbasierten Backprodukten» während der 73. Bäckerei-Technologie-Tagung Anfang November in Detmold. Die Referentin hat ihr Bachelorstudium Molekulare Biotechnologie an der TU Darmstadt absolviert. Für ihr Masterstudium Molekulare Biotechnologie zog es sie 2016 nach Freising an die TU München. Seit 2019 arbeitet Zora Rerop in Garching bei München als Doktorandin am Werner Siemens-Lehrstuhl für synthetische Biotechnologie. Dort erforscht sie die fermentative Wertschöpfung von Reststoffen mithilfe von Hefen zu mikrobiellem Öl.

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Sie weiß: Vielfältige Reststoffe aus industriellen Prozessen, wie der Lebensmittelindustrie, fallen in großen Mengen an und werden häufig nur zur thermischen Verwertung oder Biogasproduktion verwendet. Die Wertschöpfung dieser Stoffe zu hochwertigen Produkten, dem «Upcycling» im Sinne einer ökologischen und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, sollte ein vorrangiges Ziel moderner Gesellschaften sein. Die Forschung am WSSB in Garching bei München konzentriert sich auf die Nutzung biogener Reststoffe – wie sie zum Beispiel in der Form von Altbrot oder Weizenkleie anfallen. Die Reststoffe enthalten wertvolle Kohlenhydrate und Nährstoffe, welche genutzt werden können, um bestimmte Mikroorganismen zu kultivieren. Mithilfe der Fermentation von Hefen oder Bakterien können seit neuestem – auf Basis von Reststoffen – neue Produkte erzeugt werden, welche die Industrie dringend benötigt.

Ein Beispiel für die Wertschöpfung von Reststoffen ist die Produktion eines Hefeöls aus Altbrot. Dieses Öl ist nicht nur nachhaltig produzierbar, es hat auch sehr ähnliche Eigenschaften wie das kontrovers diskutierte Palmöl. Der Bedarf an Palmöl steigt stetig, denn es findet Anwendung in vielen Bereichen unseres Lebens, wie der Kosmetik-, Tierfutter sowie Nahrungsmittel- und Backwarenindustrie. Andererseits sind Palmöl-Plantagen durch Abholzung und Monokulturen eine Belastung für den Regenwald und verbrauchen extrem viel Fläche und Ressourcen. Sie zerstören die lokale Flora und Fauna und belasten das Klima durch Verlust von CO2-Senken. Das WSSB forscht an einer nachhaltigen Alternative zu Palmöl – zum Beispiel auf Basis von Altbrot. Es hat sich herausgestellt, dass die ölbildende Hefe Cutaneotrichosporon oleaginosus sehr effizient getrocknetes und gemahlenes Altbrot fermentativ in Hefeöl umsetzen kann. Dieses Hefeöl ist in seiner Beschaffenheit erfreulich ähnlich den Eigenschaften des in der Industrie beliebten Palmöls. Mithilfe des skizzierten Prozesses kann das WSSB also ein biotechnologisch produziertes Substitut erzeugen, das für den vielfältigen und massehaften Einsatz von Palmöl eine ökologische Alternative bietet.

In einem weiteren Projekt forscht das WSSB an der CO2-Bindung durch die Kultivierung von Mikroalgen zur Produktion von Algenpulver als Superfood. Die Algen brauchen nur CO2, Salzwasser und UV-Licht, um bei geringem Flächenaufwand Biomasse zu erzeugen. Diese Algenbiomasse ist reich an begehrten Proteinen, Vitaminen und Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Je nach Algenart können bestimmte Eigenschaften der Biomasse genutzt werden – wie zum Beispiel ein hoher Folsäuregehalt, farbige Beta-Karotine oder bioaktive Substanzen, die als Antioxidantien zum Zellschutz beitragen. Diese Algenpulver eignen sich zur Aufwertung von Lebensmitteln, auch bei Brot und Gebäck (TitelFoto: vipra gen – TextFoto: AGF).

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